München. Tausende von Entwicklungsingenieuren kennen das Problem: Jede Komponente eines Autoprototyps entspricht den Ansprüchen und Spezifikationen des Lastenhefts, das Fahrverhalten genügt jedoch nicht den hochgesteckten Zielen. Der Grund liegt darin, dass Einzelkomponenten erst im Systemverbund – also eingebaut ins Fahrzeug – Funktionsprobleme wie beispielsweise Knarzgeräusche von Stabilisatorlagern oder eben ein nicht ausreichendes Handling- oder Komfortverhalten verursachen. Der neue, europaweit einmalige Hightech-Prüfstand Dynamic Chassis Simulator (DCS), der seit September bei TÜV Süd Automotive in Garching bei München in Betrieb ist, eröffnet den Ingenieuren bei der Entwicklung von Automobilen neue Möglichkeiten. Denn er erlaubt erstmals schnelle und präzise Aussagen über die Wirkungskette Straße-Chassis-Karosserie auf einer Anlage. „Es handelt sich um einen Charakteristik- und Analyseprüfstand, der die exakte Dekomposition einzelner Fahrmanöver ermöglicht – also nicht um einen Betriebsfestigkeitsprüfstand“, erklärt Stefan Resch, DCS-Projektleiter bei TÜV Süd Automotive.
Komplizierten Detailproblemen können die Entwickler nun durch die Herabsetzung einzelner Dimensionen beikommen. Bei Kurvenfahrten können die Ingenieure beispielsweise einzelne Kraftrichtungen isolieren oder gar ausschalten. Der Chassis-Simulator macht zudem die Einzeltests verschiedener Komponenten verzichtbar, und alle Tests sind im Gegensatz zur Arbeit auf Teststrecken am Prüfstand jederzeit reproduzierbar. Ebenso wichtig dürfte die Zeitersparnis sein: Innerhalb von drei Stunden ist ein Wagen testfertig. Erste Analyseergebnisse liegen innerhalb eines Tages vor. „Bei immer kürzeren Entwicklungszeiten spielt der Faktor Zeit eine enorme Rolle“, so Resch.
Bevor der Hightech-Prüfstand zur Verfügung stand, mussten die Fahrzeugentwickler und Autohersteller entsprechende Tests auf teils unterschiedlichen Voll-, Halb- oder Viertelfahrzeug-Prüfständen durchführen. Der DCS beeindruckt aber nicht nur durch seine Technik, sondern auch durch seine Ausmaße: Gesichert wird die Anlage mit einer pneumatisch angehobenen Tilgermasse von 350 Tonnen. Rund 1800 Liter Öl werden mit einer Pumpenleistung von 350 Kilowatt im Umlauf gehalten. Beim Testlauf eines Prototyps hat der Simulator die Ursache der Knarzgeräusche schnell gefunden. „Im eingebauten Zustand schnarrt ein Stoßdämpfer, weil die Kolbenstange in der oberen Anlenkung zu schwingen beginnt“, erklärt Resch. Zuvor hatten die Entwickler die Stoßdämpfer nur in ausgebautem Zustand als Einzelkomponente getestet.