München. Wenn Christopher Rhody einen Crashtest startet, dann bleibt alles ruhig. Kein lautes Krachen, kein gebrochenes Glas oder verbogenes Blech. Der Audi-Mitarbeiter, der für die Entwicklung im Bereich Seiten- und Kopfschutz zuständig ist, stellt die Unfallsituationen am Computer nach. Seit April 2008 unterstützt ihn dabei ein 29- Teraflop-Rechner-Cluster. Crash-Simulationen erlauben durch neue und immer schnellere Hochleistungsrechner immer präzisere und realitätsnähere Aussagen über Unfallfolgen. Bei dem Computer- Cluster handelt es sich um einen Verbund aus 320 Rechnern, der etwa 15 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde durchführen kann. „Der Cluster ist der schnellste Rechner der Automobilindustrie und sogar einer der 150 schnellsten Computer weltweit“, heißt es beim Autohersteller aus Ingolstadt. „Er beschleunigt die Simulationsabläufe um ein Vielfaches. Durch unsere stetig wachsende Modellpalette ist es unerlässlich, jedes Modell schon während der Entwicklungszeit virtuell allen denkbaren Unfallsituationen zu unterziehen“, sagt Ulrich Widmann, Leiter Entwicklung Fahrzeugsicherheit bei Audi.
Je schneller der Rechner, desto sicherer und eindeutiger können Unfälle simuliert werden. Rund 5000 Simulationen – vom Frontalcrash bis hin zu speziellen Komponententests – führen die Entwickler pro Woche durch. So können bereits vor dem Aufbau des ersten Prototyps mögliche Schwachstellen erkannt und behoben werden. Durch die Crashsimulationen ist es möglich, nahe an aktuellen Gegebenheiten des Marktes zu entwickeln, um beispielsweise auf Kundenanforderungen oder Erkenntnisse aus der Audi-eigenen Unfallforschung schnell zu reagieren. Audis Neuanschaffung arbeitet hoch effizient: Die 608 Rechner sind in acht zwei Meter hohen sogenannten Racks montiert und beanspruchen damit rund 30 Prozent weniger Platz als reguläre Crash-Simulationscomputer. Die Hochleistungsrechner stehen nur Audis Entwicklungsingenieuren für digitale Experimente zur Verfügung. Zudem spart der Cluster durch eine effiziente Kühlung 25 Prozent Energie ein und verbraucht nur 86 Kilowatt statt üblicher 115 Kilowatt. Für den Automobilhersteller gibt es gute Gründe, den Bestand der Rechner zu erweitern, um den technischen Herausforderungen der wachsenden Fahrzeugpalette gerecht zu werden.
Ohne die umfassenden Crashsimulationen wäre die Fahrzeugentwicklung aufgrund der zunehmenden Komplexität der Automobile sowie der gesetzlichen Testanforderungen heute nicht mehr möglich. Allein für einen Frontcrash gibt es 50 verschiedene Konfigurationen. Ein Modell durchläuft bis zum ersten physischen Crash rund 100.000 virtuelle Crashs am Computer. „Das Verhältnis von physischen zu virtuellen Crashtests liegt je nach Versuchsart zwischen 1:25 und 1:40. Bei Detail-Crashs wie zum Beispiel dem Fußgängerschutz beträgt das Verhältnis sogar zwischen 1:75 and 1:100“, heißt es in Ingolstadt. Ein Fahrzeugmodell durchläuft in der etwa 48-monatigen Entwicklungsphase rund 1000 Simulationen pro Woche. Bevor der erste Prototyp gebaut wird, hat das virtuelle Auto am Computer bereits mehr als 100.000 Simulationen absolviert. Diese errechnen zu lassen, kann – abhängig von der Komplexität des Unfalls – lediglich 30 Minuten oder auch bis zu einer Woche dauern. Wenn die Entwickler es dann zum ersten Mal bei einem realen Crash richtig krachen lassen, haben die Fahrzeuge bereits hohe Sicherheitsstandards erreicht.