München. Die hohe Strukturfestigkeit moderner Fahrzeugkarosserien erzielen die Autohersteller durch bessere Stähle. Der gewichtsmäßige Anteil von höherfesten und höchstfesten Stählen nahm beispielsweise beim neuen Opel Insignia gegenüber seinem Vorgänger Vectra von 52 auf nunmehr 67 Prozent zu. Mit der Qualität steigt jedoch auch die Komplexität des Stahls und wirft bei Ernst Miklos vom Anlagenbauer Linde in Unterschleißheim bei München die Frage auf: „Wie kann man sie fügen?“ Entsprechend arbeitet die Materialforschung daran, die Verbindung der neuen und auch die Kombination verschiedener Werkstoffe in den Griff zu bekommen. Miklos: „In einer jüngeren Auswertung von 255 Forschungsprojekten haben wir festgestellt, dass nur noch etwa 65 Prozent klassisch schweißen.“ Eine der größten Herausforderungen ist die größere Wärmeempfindlichkeit moderner Stähle.
Daher wird das klassische Verschweißen – also Lichtbogen- oder Flammenschweißen – teilweise von jüngeren Fügetechniken wie etwa dem Kleben verdrängt. Meist jedoch werden die verschiedenen Verfahren parallel angewendet. Ulrich Dilthey, Lehrstuhlinhaber am Institut für Schweiß- und Fügetechnik der RWTH Aachen: „Ein Automobil wird von sehr vielen Schweiß- und Fügetechniken zusammengehalten. Ein Wagen hat circa 3000 bis 5000 Schweißpunkte, 20 bis 50 Meter Laserschweißnaht, 1000 Stanznieten und viele Meter Klebetechnik.“ Die Materialeigenschaften der Einzelteile werden durch das Kleben auf das gesamte Endteil übertragen, erklärt Wilko Flügge von der Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH die Vorteile der Kombination von Kleben und mechanischem Fügen. Ein entscheidender Fortschritt ist, so Flügge, dass sich die verbesserte Performance der Stahlwerkstoffe meist auf das Gesamtbauteil übertragen lasse.
Das gilt beispielsweise für die Stauchfähigkeit der höherfesten Stähle. Im Vergleich zu Profilen mit lasergeschweißten, punktförmigen oder linearen Verbindungen schneiden geklebte Profile besser ab, da sie weniger einstauchen. Die Eigenschaften des Stahls kommen also noch besser zum Tragen. Das Kleben ist häufig auch wirtschaftlicher und reduziert zudem das Fahrzeuggewicht. Untersuchungen von Degussa zeigen, dass sich jeder zweite Schweißpunkt durch Kleben ersetzen lässt. Darüber hinaus reduziert der Einsatz von einem Kilogramm Klebstoff das Fahrzeuggewicht um 25 Kilogramm, weil geklebte Bleche dünner ausfallen können. Ein weiterer Trend ist der Einsatz struktureller Klebstoffe für Metall, da sie die Karosserie steifer machen und das Crashverhalten verbessern. Eine der größten Herausforderungen zurzeit sind wieder lösbare Klebeverbindungen. Denn während geschweißte Stahlkarosserien einfach eingeschmolzen werden, sind Fahrzeuge aus unterschiedlichen verklebten Materialien beim Recycling ein Problem. Gefragt wären Kleber, die sozusagen auf Kommando ihre Klebekraft verlieren. Ebenso widmen sich die Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller neuen Verfahren zur Reparatur geklebter Verbindungen, etwa nach einem Unfall.
Audi forciert die Arbeit an neuen Fügeverfahren, weil die Ingolstädter auf die Kombination von Aluminium und Stahl setzen. Hilfe findet Audi bei einem Spezialisten für mechanische Fügeverfahren, dem Zulieferer Wilhelm Böllhoff. So kommen auf einer Böllhoff-Fertigungsstraße beim Audi TT Stanznieten zum Einsatz, die bis zu 80 Prozent aus Aluminium bestehen und speziell im vorderen Bereich des Fahrzeugs und im Bereich der Plattform verwendet werden. Beim Stanznieten handelt es sich um ein umformtechnisches Fügeverfahren. Dabei wird in einem vorlochfreien, selbststanzenden Prozess ein Nietelement in zwei oder mehr Blechlagen eingebracht. Für die spätere Festigkeit sorgen das Stanzen und der Umformschritt des Verprägens in der unteren Blechlage. Gerson Meschut, Geschäftsführer Technik, Forschung und Entwicklung bei Böllhoff, betont die Vielseitigkeit der Stanzniet-Technologie: „Es lassen sich unterschiedliche Werkstoffe, unterschiedliche Stähle und insbesondere die Mischbauweise sehr schön realisieren.“ Insgesamt werden im Audi TT 1606 Stanznieten verarbeitet. Die Stanzniet-Technik ist inzwischen auch in der Großserie zuverlässig. So liegt laut Meschut die Störhäufigkeit der Nietzuführung bei Audi unter 0,25 Prozent. Erstmals eingesetzt wurde die Stanzniet-Technik beim ersten Audi A8. „Eine Stanzniet- Verbindung ist dabei ähnlich komplex wie eine Schweißverbindung. Wir haben es nur mit anderen Parametern zu tun, die auf die Verbindungsqualität Einfluss nehmen.“
Böllhoff aus Bielefeld arbeitet aber auch an anderen mechanischen Fügeverfahren, etwa dem Bolzensetzen. Dabei wird ein nagelähnliches Fügeteil auf eine hohe Geschwindigkeit beschleunigt, sodass der Werkstoff beim Eindringen lokal stark erhitzt wird. Für das Bolzensetzen ist kein Vorlochen und nur eine einseitige Zugänglichkeit erforderlich. Meschut rechnet künftig mit einem Wettbewerb der Verbindungstechniken. „Dabei wird mechanisches Fügen bevorzugt zum Einsatz kommen, wenn die thermischen Verfahren an ihre Grenzen stoßen.“ Hans Hornig, Leiter Fügetechnik beim Automobilhersteller BMW, spricht sich für eine andere Technik aus: „Laserstrahlhartlöten bietet Vorteile beim Fügen vollverzinkter Karosseriestrukturen und bietet aus fertigungstechnischer Sicht höhere Designfreiheit.“ Beim Schweißen von verzinkten Stahlblechen kämpfen die Verfahrenstechniker mit einer niedrigschmelzenden, rasch in die Dampfphase übergehenden Zinkschicht. Sie stört den Schweißprozess durch explosionsartige Auswürfe des geschmolzenen Grundmaterials. Durch die niedrigere Temperatur gegenüber dem Schweißen wird dagegen beim Laserstrahlhartlöten die Abnutzung der Werkzeuge deutlich reduziert.