Tage des Donners bei Volkswagen

Herbert Diess beweist Nerven. Während im Aufsichtsrat um seine Zukunft als VW-Chef gerungen wird, kehrt er zum Feierabendbier in der legendären Wolfsburger Tunnel-Schänke ein. Dort stoßen traditionell die Band-Mitarbeiter nach Schichtende an. Im Freizeitdress stellte er sich am Mittwoch dann sogar selbst basisnah an den Zapfhahn. Und das, ganz ohne Bilder der Charmeoffensive auf Twitter oder LinkedIn zu posten – im Intranet von VW war aber ein Lob des Wirts auf Diess zu lesen.

Grund zu feiern hat der VW-Chef eigentlich nicht. Erst am Tag vor dem Kneipenbesuch hatte das Aufsichtsratspräsidium mehr als vier Stunden lang darum gerungen, wie es mit ihm an der Spitze weitergehen soll. Ohne Ergebnis. In den kommenden Tagen könnte es zum Showdown kommen. Die Zeit drängt: Bis zur Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember muss eine Lösung gefunden werden. Sonst, so heißt es in Wolfsburg, drohe das Thema Diess weiter alle Beschlüsse zu blockieren.

Selbst eine Kampfabstimmung über die Absetzung des Konzernchefs wird in Wolfsburg nicht mehr ausgeschlossen. Betriebsrat, IG Metall und auch das Land Niedersachsen sind die regelmäßigen Alleingänge des Konzernchefs leid. Zwar beteuern Betriebsräte, dass man nicht an einer Absetzung arbeite. So weitergehen wie bisher könne es aber auch nicht.

Die Familien Porsche und Piëch stehen dagegen weiter hinter Diess und wollen von einer Ablösung nichts wissen. Alles schaut jetzt gebannt nach Hannover. Das Land Niedersachsen könnte mit seinen zwei Stimmen im Aufsichtsrat zum entscheidenden Faktor werden. Sollte es Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf eine Kampfabstimmung ankommen lassen, könnten Land und Arbeitsnehmervertreter die nötigen Stimmen für Diess' Absetzung zusammenbekommen.

Das wäre in Wolfsburg ein Tabubruch: Bisher hatte das Land stets gemeinsam mit den Familien gestimmt. Noch hofft man dort, dass Weil diesen Schritt vermeidet.

Ein Gewinner des Machtkampfs steht bereits fest: VW-Markenchef Ralf Brandstätter. Vor anderthalb Jahren musste Diess bereits die Leitung der Marke an ihn abgeben. Jetzt dürfte Brandstätter auch in den Konzernvorstand einziehen und die Verantwortung für die gesamte Volumengruppe übernehmen, inklusive Seat und Skoda.

Inhaltlich macht Brandstätter den Job schon seit Sommer und ist seitdem auch Dauergast im Vorstand. Bisher allerdings ohne Stimmrecht. Die Oberhoheit über die Markengruppe liegt bei Diess. Das Zurechtstutzen seiner Kompetenzen könnte nun Teil eines Kompromisspakets werden, das Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch festzurren will.

Zu tun gäbe es für Diess auch so genug, etwa in China. Wegen des dort schwächelnden Geschäfts wird Landeschef Stephan Wöllenstein abgelöst. Laut Automobilwoche-Informationen soll er am 1. Februar seinen Stuhl räumen. Viele sehen ihn als Bauernopfer. Die Verantwortung für China im Vorstand liegt bei Diess.

Bei allen anderen Streitpunkten zeichnen sich dagegen Kompromisse ab. Auch bei der Forderung von Betriebsratschefin Daniela Cavallo nach einem zusätzlichen E-Modell für Wolfsburg. Der ID.3 könnte künftig auch im Stammwerk montiert werden. Zunächst gehe es dabei aber nur um eine Endmontage, heißt es in Konzernkreisen. Die vormontierten Karosserien kämen weiter aus Zwickau.

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