"Wir können das Kundenerlebnis so viel besser machen", sagte Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius über das Agenturmodell beim Automobilwoche Kongress im November. Der Direktvertrieb und die Digitalisierung böten eine enorme Verringerung von Reibungsverlusten und eine Verbesserung der Produktivität in einem Vertriebssystem, und das wolle man nutzen. So weit die Theorie. Die Praxis findet seit gut sechs Monaten in Österreich statt. Die Alpenrepublik ist für Mercedes-Benz nach Schweden der zweite Testmarkt in Europa. Glaubt man dem Hersteller, läuft dieses Mal bei der neuen Arbeitsteilung zwischen Mercedes-Benz und den Ex-Unternehmern alles gut. Spricht man allerdings mit den neuen Agenten, unterscheiden sich deren erste Reaktionen nur wenig von denen ihrer skandinavischen Kollegen. Vielleicht ist der Widerstand etwas geringer, der Frust jedoch ist zunächst ähnlich groß. Gewettert wird über viel zu enge Zeitpläne genauso wie über den hohen administrativen Aufwand und die nicht korrespondierenden Einzelsysteme.
Unterm Strich gilt also das Gleiche wie bei den meisten Systemumstellungen: Die Reibung geht erst mal rauf und die Produktivität runter. Wobei sich Letztere erst dann valide beurteilen lassen wird, wenn sich die Verfügbarkeit von Neuwagen normalisiert hat. Zumindest wird den Verantwortlichen bei Mercedes-Benz eine hohe Lernbereitschaft bestätigt. Was von großer Bedeutung ist, denn die nächste Systemumstellung findet 2023 in keinem Testmarkt statt: In Deutschland reden wir nicht mehr über zwei Handvoll Agenten, die 12.500 Autos an die Kunden bringen. Und eines weiß man in Stuttgart genau: Wenn sich der Markt bis dahin entspannt hat, es aber bei einer Umstellung immer noch so rumpelt wie jetzt, besteht die Gefahr, dass die Customer Journey eines Kunden zwar bei Mercedes-Benz beginnt, aber vielleicht zwei Autohäuser weiter bei einer anderen "Luxus"-Marke endet. Allemal, wenn es dort einen Unternehmer gibt, der am Point of Sale noch den nötigen Handlungsspielraum bei der Preisgestaltung hat.
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