"Als Lokomotive fällt China aus"

Autowerke machen dicht, Schanghai ist abgeriegelt, der Pekinger Automesse abgesagt. Zwei Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie in Wuhan steckt China mitten in der heftigsten Corona-Welle seit Anfang 2020. Die Behörden reagieren mit harten Lockdowns in den betroffenen Städten, Ausgangssperren und Massentestungen. Mit dramatischen Folgen auch für die Autoindustrie.

Am härtesten betroffen ist derzeit die 26-Millionen-Metropole Schanghai mit ihren wichtigen Autowerken. Vergangene Woche verhängten die Behörden einen harten Lockdown - zunächst für die Osthälfte der Stadt, anschließend sollte der Westen folgen. Die Brücken zwischen beiden Stadthälften wurden gesperrt, der öffentliche Personennahverkehr eingestellt. Bewohner dürfen ihre Wohnung nicht verlassen und werden flächendeckend auf Corona getestet. Ursprünglich sollte der Lockdown nur wenige Tage dauern. Doch jetzt wurde er auf unbestimmte Zeit verlängert.

Tesla musste die Produktion in seinem Schanghaier Werk bereits einstellen. General Motors griff dagegen zu einer drastischen Maßnahme, um die Fertigung in seinem Werk aufrechtzuerhalten. Berichten zufolge schloss man die Mitarbeiter quasi im Werk ein und ließ sie dort auch übernachten. Sollte der Lockdown länger gehen, lässt sich das aber kaum durchhalten.

Das VW-Werk im westlichen Vorort Anting stellte wenige Tage nach Tesla den Betrieb ein. Zunächst hatte man auch hier geplant, nach dem GM-Vorbild weiterzuarbeiten. Doch dann wurde die Produktion doch gestoppt. Nur eine kleine Rumpfbelegschaft blieb im Werk und übernachtete auch dort, musste wenige Tage später aber die Arbeit einstellen. Seither sitzen die Mitarbeiter im Werk fest. Weil sie wegen des andauernden Lockdowns nicht nach Hause dürfen, hält VW sie nun mit Filmabenden und Fitnessübungen bei Laune. 

Der Standort, an dem schon seit 1984 für VW gearbeitet wird, ist nicht zum ersten Mal betroffen. Die Fabrik hatte bereits Mitte März zeitweise stillgestanden. Ebenso die VW-Werke in Changchun im Nordosten des Landes, wo es vor drei Wochen zum Lockdown gekommen war. BMW hielt in seinen beiden Werken Tiexi und Dadong die Bänder an.

Sollte sich die Situation weiter zuspitzen, drohen erhebliche Auswirkungen für die gesamte Branche. Davor warnt China-Kenner Jochen Siebert von der Unternehmensberatung JSC Automotive. "Als Lokomotive fällt China dann bis mindestens 2024 aus."

Bisher gehen die Behörden aber davon aus, die Situation mit harten, aber lokal begrenzten Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Wenn das gelinge, lasse sich der Produktionsausfall wohl bis Jahresende wieder aufholen, glaubt Siebert. Wenn es aber länger als zwei Monate dauere, werde es zu erheblichen Einbußen kommen, "weil sich die Produktion in Closed Loops, bei denen die Arbeiter in der Fabrik übernachten, nicht ewig durchhalten lässt, bevor die Mitarbeiter den Aufstand proben", warnt Siebert. 

Auf dem chinesischen Automarkt müsse man dann im Gesamtjahr mit einem Minus von zehn Prozent oder mehr rechnen. Denn schon ohne die neuen Corona-Lockdowns sei mit einem Minus von fünf Prozent zu rechnen gewesen. Schon bisher habe das Land mit einer Bau- und Immobilienkrise und einer sich abschwächenden Konjunktur zu kämpfen. Jetzt komme Corona noch hinzu. Das, so Siebert, drücke zusätzlich auf die Kauflaune der Chinesen. 

Konsequenzen hat das auch für die Automesse in Peking, die eigentlich am 21. April beginnen sollte. Zwar ist die Hauptstadt bisher nicht vom Lockdown betroffen. Doch die Automesse wurde nun abgesagt. Einen konkreten Nachholtermin gibt es bisher nicht. Die Automobilwoche hatte bereits zuvor über die drohende Absage berichtet. Frühestens im Juni solle die Autoschau nachgeholt werden, hieß es damals.

Bereits die vorige Ausgabe der Messe, die alle zwei Jahre im Wechsel mit Schanghai stattfindet, war wegen Corona verschoben worden. Statt im April fand sie 2020 im September statt. In diesem Jahr wollten die Veranstalter zum angestammten April-Termin zurückkehren.

Mehrere Weltpremieren waren geplant. BMW wollte den neuen Siebener, der kurz zuvor virtuell enthüllt wird, erstmals vor Publikum zeigen. VW wollte den geplanten Elektro-Passat Aero B präsentieren, Mercedes-Benz das neue EQS SUV und Audi die Studie Urban Sphere Concept. Spekuliert wurde zudem über ein neues Audi-SUV für den chinesischen Markt. Was daraus nach einer Verschiebung der Messe wird, ist noch offen. Man müsse jetzt erst einmal neu planen, hieß es bei einem der betroffenen Hersteller.

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