VinFast denkt an Pasewalk

Der vietnamesische Hersteller VinFast hat in Europa nach wie vor kein Auto ausgeliefert, aber verfolgt weiter extrem ehrgeizige Pläne. Jetzt hat der Elektrohersteller einen weiteren großen Schritt angekündigt. Es geht um das geplante Retail-Konzept und ein Werk in Deutschland.

So will VinFast nach eigenen Angaben mehr als 50 Showrooms auf den drei Kernmärkten in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden eröffnen. In einer ersten Phase bestätigte das Unternehmen per Pressemitteilung in der Nacht zu Dienstag entsprechende deutsche Standorte in Frankfurt, Berlin, Köln, Oberhausen und Hamburg. In den Niederlanden entschied man sich für Amsterdam, dazu in Frankreich für Paris, Marseille, Nantes, Rennes, Nizza, Montpellier, Aix en Provence und Metz.

VinFast will den europäischen Markt mit seinen SUV-Modellen VF8 und VF9 erobern, die von italienischen Designern bei Pininfarina entworfen wurden. Für die Fertigung der Fahrzeuge in einer riesigen Fabrik auf Cat Hai Island in Vietnam sicherten sich die Vietnamesen Unterstützung von den deutschen Zulieferern Bosch, ZF Friedrichshafen, Continental, Dürr, Siemens und ThyssenKrupp. 

Le Thi Thu Thuy, Chefin von VinFast und Nachfolgerin von Michael Lohscheller, der nach drei Monaten als CEO im Dezember 2021 hinwarf, sagt: "Die Ankündigung der neuen VinFast Stores in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden zeigt unser ernsthaftes Bekenntnis zu Europa. Wir sind nicht nur gekommen, um Autos zu verkaufen, wir sind hier um den Umstieg auf die Elektromobilität zu beschleunigen und zum Wandel anzuregen." 

Gewohnt große Worte, ohne die es bei VinFast seit jeher nicht geht. Ob sich die Autos aber auch verkaufen, bleibt weiter fraglich. Das geplante Preismodell der Vietnamesen sieht vor, zuzüglich zu Leasingrate oder Kaufpreis auch Batteriemieten zu erheben. Dieses liegt bei über 500 Kilometern pro Monat bei rund 120 Euro, darunter bei rund 35 Euro. Genaue Zahlen für den geplanten deutschen Markt gibt es noch nicht.

Aber: Sobald die Batterie unter 70 Prozent des Ursprungswertes gefallen ist, will VinFast sie kostenlos austauschen. Noch offen ist, welche Werkstätten dies übernehmen sollen und wie dicht das Servicenetz wird. Denn: Dazu will der neue Player auf dem Elektromarkt satte zehn Jahre Garantie für bis zu 200.000 Kilometer Laufleistung übernehmen.

Der kleinere VF8 ist seit Jahresbeginn ab 43.900 Euro bestellbar, der bis zu sieben Sitze bietende VF9 ab 58.650 Euro. Weltweit seien bis 30. Mai rund 73.000 Fahrzeuge reserviert worden, teilt VinFast mit. Produziert werden die Fahrzeuge aktuell noch alle in Vietnam und dann per Frachter und Zug nach Europa gebracht. Das soll sich jedoch spätestens 2025 ändern.

Noch in diesem Jahr will sich VinFast festlegen, wo das erste Werk in Europa errichtet werden soll. Deutschland gilt dabei als Favorit, wie die Marke immer wieder durchblicken ließ. Neben dem Opel-Werk in Eisenach gibt es jetzt einen neuen Favoriten für einen Standort.

Demnach spricht VinFast aktuell mit dem Unternehmerverband Mecklenburg-Vorpommern über den Bau eines Werks in Pasewalk im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Zuerst hatte die Ostsee-Zeitung darüber berichtet. Der Meldung nach sei der Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Vorpommern, Stefan Rudolph, eigens nach Vietnam gereist, um für eine Ansiedlung in der Region zu werben.

Als konkreter Standort gilt der sogenannte "Industriepark Berlin - Szczecin", der auf seiner Website mit optimaler Infrastruktur und exzellenter Anbindung wirbt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Berlin ist etwa 120 Kilometer entfernt, bis ins polnische Stettin sind es rund 40 Kilometer. 

Was dennoch für das abgelegene Pasewalk spricht: Für den Industriepark wirbt die Region mit Förderhöchstsätzen von 40 Prozent, günstigen Gewerbesteuern und schnellen Genehmigungsverfahren. Und: Bereits seit vergangenem September gibt es eine Initiative in Mecklenburg-Vorpommern, vietnamesische Fachkräfte gezielt anzuwerben und über Weiterbildungsprogramme für Jobs in der Region zu qualifizieren.

Der Austausch zwischen Vietnam und Mecklenburg-Vorpommern ist also bereits relativ rege. Gibt das den Ausschlag für den Standort nahe der polnischen Grenze und gegen Eisenach? Mit einer Entscheidung ist bis Ende dieses Jahres zu rechnen. Ab 2025 sollen die vollelektrischen VF8 und VF9 dann in Deutschland vom Band laufen.

Aus dem Datencenter:

Anteile der Konzerne bei reinen Batteriefahrzeugen in Westeuropa von 2018 bis 2021