Herr Intra, nach langer Corona-Pause gibt es wieder eine Präsenzmesse. Welche Bedeutung hat das für VWN?
Wir freuen uns alle riesig drauf, unsere Kunden endlich wieder sehen zu können. Wenn man sich persönlich trifft, hat das noch einmal eine ganz andere Qualität als nur virtuell oder am Telefon. Ich glaube, die Menschen wollen auch wieder etwas zum Anfassen. Das wird jetzt bei der IAA Transportation unser erster großer Auftritt nach so langer Zeit.
Und auch anders als vor Corona?
Auf jeden Fall. Wir haben jetzt eine ganze Reihe neuer Produkte, die wir erstmals auf einer Messe zeigen können. Wir stecken mitten im Umbruch, können unsere Transformation hin zur Elektromobilität zeigen und was wir beim Autonomen Fahren vorhaben. Wir verändern gerade unser gesamtes Portfolio, und das können wir jetzt präsentieren.
Hauptattraktion wird dabei sicher der ID Buzz...
...und der neue Amarok! Der wird sicher auch für Aufsehen sorgen. Gerade weil er so ganz anders ist als der ID Buzz. Und beide stehen auf der Messe wirklich direkt nebeneinander. Auf der einen Seite der Technologie- und Sympathieträger ID Buzz, auf der anderen der Amarok, der eher wilde Kerl. Das wird auch polarisieren.
Was macht den ID Buzz denn so besonders?
Er hat einfach alles, was man sich wünscht: Er ist vollelektrisch, bilanziell CO2-neutral, er wirkt freundlich, wird überall begeistert aufgenommen, greift das Bulli-Erbe auf und ist zugleich top-modern. Das ist wirklich ein ganz großer Wurf.
Bestellen kann man den ID Buzz seit Mai. Wie viele Vorbestellungen haben Sie inzwischen?
Wir sind jetzt bei 12.500. Und das, ohne dass einer der Kunden das Fahrzeug beim Handel überhaupt gesehen oder angefasst hat oder gar damit fahren konnte. Das ist schon erstaunlich. Und rund die Hälfte der Vorbestellungen, mehr als 6000, entfällt auf den ID Buzz Cargo.
Hatten Sie mit einem so großen Zuspruch gerade für den Cargo gerechnet?
Erhofft hatten wir es uns eigentlich schon. Deshalb haben wir den Cargo ja auch gemacht. Wir hoffen, dass sich die Nachfrage jetzt auf diesem hohen Niveau einpendelt.
Die erste Jahresproduktion ist da schon fast ausverkauft. Im ersten Jahr wollen Sie ja nur 15.000 Stück bauen.
Unsere Jahresproduktion ist quasi schon vergriffen, richtig. Aber ausverkauft sind wir natürlich nicht (lacht). Von den rund 15.000 Fahrzeugen, die wir 2022 bauen werden, können ja nicht alle sofort an die Kunden ausgeliefert werden. Wir müssen zunächst die Händler bestücken. Die ersten 6000 Fahrzeuge gehen also in die Showrooms, danach kommen die Kundenfahrzeuge.
Das klingt nach langen Lieferzeiten. Wie lang müssen Kunden inzwischen warten?
Wir sind jetzt beim Liefertermin schon bei Ende des ersten Quartals 2023.
Und ab wann wird ausgeliefert?
Direkt nach der IAA Transportation fangen wir erst einmal an, die Händler zu bestücken. Und ab November werden dann auch die ersten Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert.
Kommen Sie da mit der Produktion überhaupt noch hinterher?
Wir befinden uns noch im Hochlauf. Wir sind aktuell bei rund 100 produzierten Autos pro Tag, Ende des Jahres werden es gut 200 sein. Und im nächsten Jahr werden wir das dann richtig hochfahren. Die volle Kapazität von 130.000, die es am Ende pro Jahr sein sollen, werden wir 2023 sicher noch nicht schaffen. Aber in Richtung 100.000 sollte es schon gehen.
Wird das reichen? Denken Sie schon über einen Ausbau der Kapazität nach?
Im nächsten Jahr werden wir sicher noch einen Bedarf haben, der höher ist als das, was wir bauen können. Aber wenn wir dann die 130.000 erreichen, wird das für Europa sicherlich reichen.
Und für die USA, wo Sie den ID Buzz ab 2024 ja auch anbieten wollen?
Da wird es dann natürlich noch einmal einen Nachfrageschub geben. Dann müssen wir schauen, wie hoch die Nachfrage dort ist und ob wir die Kapazität dann noch einmal erhöhen.
Mit einem Werk in den USA selbst? Der bisherige Volkswagen-of-America-Chef Scott Keogh hat ja stark dafür geworben.
Aktuell sehen wir diese Kapazitäten ganz klar hier in Hannover. Das ist der Fertigungsstandort des ID Buzz. Darauf haben wir die Produktion hier ausgerichtet. Unser Werk in Poznan könnte vielleicht noch eine Rolle übernehmen, aber andere Optionen prüfen wir derzeit nicht.
Könnten weitere Märkte folgen?
Das schauen wird uns gerade intensiv an. Wir haben vom Konzern die Freigabe bekommen, dass wir mit dem ID Buzz im Prinzip in jeden Markt gehen können, in dem schon die ID-Familie vertreten ist. Und da sind schon einige spannende Länder dabei. Japan etwa, Thailand oder Malaysia. Und auch China schauen wir uns gerade an.
Wird es weitere E-Modelle geben?
Auf jeden Fall. Wir wollen ja bis 2030 über 55 Prozent Elektrofahrzeuge in unserer Flotte haben. Als nächstes kommt der Transporter, also der Nachfolger des T6.1. Den werden wir 2024 als Verbrenner und dann auch als Elektrofahrzeug bringen. Und auch beim neuen Amarok denken wir über eine Elektrifizierung nach.
Auf der IAA steht der neue Amarok aber erst einmal als Verbrenner. Und der kommt nicht von Ihnen, sondern von Ford, wurde dort entwickelt und wird dort auch gebaut. Werden ihre Kunden ihn trotzdem als echten Volkswagen akzeptieren?
Da mache ich mir wenig Sorgen. Wir haben da schon richtig viel Arbeit und Geld für die Differenzierung in die Hand genommen. Nicht nur bei der Optik, sondern auch bei den Fahreigenschaften. Das ist ein richtig starkes Auto geworden. Wenn sie den neben einen Ford Ranger stellen, käme niemand auf die Idee, dass es dasselbe Auto ist. Der Amarok sagt ganz klar: Ich bin ein Volkswagen!
Und der Nachfolger des T6.1, der ja 2024 auch von Ford kommt?
Da gilt exakt das gleiche. Die Differenzierung ist wirklich groß. Der Ein-Tonnen-Transporter wird das dritte Fahrzeug der Kooperation mit Ford sein. Schon heute haben wir einiges voneinander gelernt in der Zusammenarbeit und das bauen wir weiter aus bis 2024. Da haben beide Seite richtig viel Technik-Power eingebracht. Wir bekommen also quasi das Beste aus zwei Welten.
Wird er eher wie ein ID Buzz oder wie ein T7 Multivan aussehen? Oder doch wie ein Ford Transit Custom?
Letzteres kann ich definitiv ausschließen (lacht). Er wird schon deutliche Anleihen nehmen an den ID Buzz. Die Front wird deutlich kürzer ausfallen als beim Multivan, aber nicht ganz so kurz wie beim ID Buzz. Und er ist natürlich ein echter Transporter und wird das auch ausstrahlen.
Mit dem ID. Buzz wollen Sie auch ins Autonome Fahren starten und ab 2025 in Hamburg fahrerlose Shuttle anbieten. Bleibt es bei dem Zeitplan?
Wir fahren ja mit dem ID Buzz AD schon in München und in Hamburg, in beiden Städten noch im Testbetrieb. Das erste Angebot für Kunden als autonome Transportlösung starten wir 2025 mit Moia in Hamburg. Dabei bleibt es.
Sollen weitere Städte folgen?
Hamburg ist der Anfang. Danach wollen wir das Angebot in weitere Städte ausrollen.
In München etwa, wo Sie als Testflotte ja schon unterwegs sind?
München ließe sich leicht umsetzen, da wir dort bereits testen. Aber ich denke da eher an Städte außerhalb von Deutschland. Die USA etwa. Oder London. Wenn wir Hamburg haben, dann eine weitere europäische Metropole und dann der Schritt in die USA. Das wäre eine spannende Aufstellung.
Probleme gab es zuletzt aber bei den Artemis-Modellen, die Sie bauen sollen. Porsche zog sich zurück, als Ausgleich erhielten Sie neue ID-Buzz-Derivate wie den ID California. Wird das reichen?
Es bleibt ja beim Volumenträger von Audi, und es bleibt auch beim Bentley. Und was Porsche angeht: Wenn Sie mich heute fragen, bin ich da gar nicht mehr so unglücklich drüber. Wenn der ID Buzz so hochläuft, wie wir es planen, und wir vielleicht wirklich noch mal die Kapazität erhöhen müssen, dann werden wir froh sein, dass wir hier dafür die Flächen haben.
Und wann kommt der ID California?
Nach dem California auf Basis des neuen Multivan.
Also der T7 Calfornia. Und wann kommt der?
Das werde ich heute noch nicht sagen. Aber wir wollen schon Anschluss halten an den T6.1 California, der ja 2024 ausläuft. Den neuen California wollen wir dann möglichst zügig bringen, da darf nicht viel Zeit vergehen. Eine kurze Unterbrechung wird es wahrscheinlich geben, aber dann sind wir wieder da.
Sie sind jetzt seit fast genau zwei Jahren Chef von VWN. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?
Wir stecken gerade mitten in der Transformation. Da sind wir ein gutes Stück vorangekommen, da liegt aber auch noch eine ganze Menge Arbeit vor uns. Es ist uns schon gelungen, das Team extrem gut zusammenzubringen und aus den vielen Einzelprojekten eine Gesamtstrategie zu machen. Die GRIP 2030 Strategie steht, diese setzen wir jetzt im Gesamtrahmen um. Dass wir alle gemeinsam sagen, wir verstehen die Transformation hin zur Elektrifizierung, zur Digitalisierung und hin zum Autonomen Fahren, wo wir im Konzern Vorreiter sind und die Verantwortung tragen, als unser gemeinsames Projekt.
Wenn wir in die Zukunft schauen: Wo sehen Sie VWN in fünf oder zehn Jahren?
Wo wir in fünf Jahren stehen wollen, das wissen wir ja recht genau. Das ist eigentlich keine Vision mehr. Wir haben unsere Strategie GRIP 2030, die wir jetzt abarbeiten. 55 Prozent unserer Fahrzeuge in Europa sollen 2030 rein elektrisch fahren, und das autonome Fahren zumindest auf den Weg gebracht werden. Und das werden wir auch erreichen.
Und danach?
Danach müssen wir viel mehr in das gesamte Ökosystem reingehen. Große Lkw werden wohl irgendwann nicht mehr in die Städte einfahren dürfen. Leichte Nutzfahrzeuge mit E-Antrieb, ich sage mal in der Größe "ID Buzz plus", werden dann die letzte Meile schließen. Und sie werden immer öfter fahrerlos unterwegs sein. Das autonome Fahren wird dann richtig Fahrt aufnehmen. Das wird für uns ein völlig anderes Geschäftsfeld werden.
Inwiefern?
Wir werden Mobilität viel stärker als Dienstleitung anbieten und pro Kilometer abrechnen statt wie heute lediglich Fahrzeuge für den Verkauf zu bauen. Dafür brauchen wir ganz neue Buchungsplattformen. Das ist etwas, mit dem wir uns schon heute intensiv beschäftigen, Mobilität nicht nur als Auto zu verstehen, sondern Mobilität als Plattform. Und wenn der Mensch irgendwann nicht mehr selbst fahren muss, können wir uns überlegen, was er in der Zeit stattdessen machen kann, was wir ihm dann anbieten können. Ich bin überzeugt, dass wir da noch viele gute Ideen umsetzen werden.
Aus dem Datencenter: