Es war der wohl ungewöhnlichste Arbeitsplatz, den Wolfsburg je zu bieten hatte: Nur einen Tag nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hatte VW im Fußballstadion des VfL Wolfsburg, ganz oben in der VIP-Lounge, eine Task-Force zusammengerufen, um den Engpass bei Kabelbäumen aus der Ukraine in den Griff zu bekommen. Und griff dabei zu unkonventionellen Maßnahmen: Vergaberegeln wurden gelockert, Entscheidungswege verkürzt, Zulieferer wie Leoni dafür ins Boot geholt. Jeder bekam eine Loge im Stadion.
Die Ukraine-Task-Force dient Volkswagen mittlerweile als Blaupause, um sich auch für andere Krisen zu wappnen. „Die hat wirklich super gearbeitet“, sagte VWs Beschaffungsvorstand Murat Aksel. Innerhalb weniger Monate wurden Reservestandorte in anderen Ländern aufgebaut, die bei Ausfällen notfalls einspringen können – und das, ohne die Standorte in der Ukraine fallen zu lassen. „So ähnlich müssen wir uns jetzt auch auf andere Probleme in der Lieferkette vorbereiten.“
Denn seit zweieinhalb Jahren kommt die Teileversorgung nicht zur Ruhe und rutscht von einer Krise in die nächste: erst Corona, dann Halbleiter, Kabelbäume aus der Ukraine. Hinzu kamen die Lockdowns in China, die die Lieferketten reißen ließen. Im Hafen von Schanghai stapelten sich die Container mit Nachschub für Europa. Inzwischen sorgen selbst Teile, die bisher als unkritisch galten, für Verwerfungen: MAN gingen im Sommer die Lkw-Reifen aus, Porsche in Leipzig die Scheinwerfer, BMW nebenan die Kühler. Jüngster Engpass: Salzsäure, die für Autobatterien und in der Lackiererei benötigt wird.