Herr Lohscheller, auf der IAA Transportation haben Sie Ihren ersten Wasserstoff-Truck Tre FCEV präsentiert. Wann werden wir ihn auf der Straße sehen?
In den USA kommt er in der zweiten Hälfte 2023. Und kurz danach bringen wir ihn auch nach Europa. Serienstart in unserem Werk in Ulm wird im zweiten Halbjahr 2023 sein, Anfang 2024 starten wir dann mit den Auslieferungen in Europa. Und das deutlich früher als alle anderen. Das ist schon beachtlich, finde ich.
Kann das nicht auch zum Problem werden? Es ist ja schön, first mover zu sein. Aber Sie brauchen ja auch eine Wasserstoff-Infrastruktur, und nur für Nikola wird die niemand aufbauen.
Genau das kann aber auch eine Chance für uns sein. Wir müssen die Energie halt gleich mitbringen. So, wie es Tesla beim Elektro-Pkw vorgemacht hat. Genau dafür haben wir den Bereich Nikola Energy, der dann auch Wasserstofftankstellen aufbauen wird. Damit es am Ende nicht heißt: Der Lkw ist super, aber leider hat niemand ein Wasserstoff-Tankstellennetz hingestellt.
Schaffen Sie das denn allein?
Das wird natürlich kein flächendeckendes Netz. Aber Lkw pendeln oft nur zwischen zwei Hubs, immer auf derselben Strecke. Da können wir dann an Knotenpunkten Wasserstofftankstellen errichten. Dafür brauchen wir natürlich Partner wie E.on, mit denen wir gerade ein Joint Venture angekündigt haben.
Gibt es denn schon Interessenten für den Wasserstoff-Lkw?
Ja, wir haben weltweit Absichtserklärungen für 1400 Fahrzeuge, und da sind auch Brennstoffzellen dabei. Aber das ist erst der Anfang. Die Kunden bestellen ja in der Regel nicht zwei Jahre vorher. Die Weltpremiere auf der IAA Transportation war jetzt unheimlich wichtig für uns. So eine Begeisterung hab ich selten erlebt, am Stand war richtig was los. Jetzt nehmen wir Aufträge an. Das geht jetzt richtig los.
In der Anschaffung wird die Brennstoffzellen aber sicher deutlich teurer als ein Diesel.
Ja, der Anschaffungspreis wird vergleichbar sein mit dem E-Truck, und da liegen wir etwa beim Dreifachen eines vergleichbaren Diesel. Dafür sparen Sie nachher im Unterhalt. Am Anfang ist das teuer, aber über die Laufzeit wird das immer günstiger. Das hängt natürlich davon ab, wie teuer der grüne Wasserstoff ist und wie teuer der Strom. Das ist im Moment noch eine Rechnung mit vielen Unbekannten.
Andere Hersteller sind beim Thema Wasserstoff noch zurückhaltender. Daimler Trucks spricht von der zweiten Hälfte des Jahrzehnts, MAN uns Scania haben sich ganz davon verabschiedet. Würden Sie sich da mehr Tempo wünschen?
Auf jeden Fall. Man muss ja klar sehen: Was in diesem Jahr nicht auf der IAA zu sehen war, wird in zwei Jahren nicht auf dem Markt sein. 2024 werden daher nur ganze wenige den Markt bedienen. Wir gehören natürlich dazu. Aber das reicht nicht. Wir müssen da insgesamt mehr Tempo machen, sonst wird das nichts mit den Klimazielen. In den USA ist das ganz anders. Da gehen Milliarden in das Thema Wasserstoff, und zwar sofort. Davon können wir in Europa noch einiges lernen.
Was würden sie sich denn von der Politik wünschen, um Schwung in die Brennstoffzelle zu bringen? Den Dieselpreis verdoppeln? Kaufprämien für Wasserstofftrucks?
Das würde sicher beides nicht schaden. (lacht) Ich würde mir aber vor allem ein früheres Ende des Diesels wünschen mit einem festen Enddatum. Und dann würde ich mir weitere Anreize wünschen, einfach Dinge, die nicht einmal etwas kosten. Zum Bespiel, dass man Wasserstoff- und Elektro-Trucks vom Sonntagsfahrverbot ausnimmt. Oder spezielle Spuren für Zero-Emission-Trucks, an denen sie am Stau vorbeifahren können. Das wären so kleine, aber unheimlich effektive Anreize.
Und Kaufprämien?
Die helfen immer, können aber nur ein Anschub sein. Irgendwann muss es auch ohne gehen.
Lohscheller war bis 2021 Opel Chef. Nach einem kurzen Intermezzo bei VinFast in Vietnam wechselte er im Februar zu Nikola. 2023 soll er dort zum CEO aufsteigen.