"Versorgungssicherheit hat oberste Priorität"

Wie sich seine Rolle als VW-Einkäufer verändert, bekam VW-Beschaffungsvorstand Murat Aksel hautnah zu spüren. Als vor zwei Jahren die Chipkrise ausbrach, reiste er zum Waferhersteller TSMC nach Taiwan und bekam dort nach langem Bitten auch einen Termin beim Chef, berichtete Aksel auf dem Automobilwoche Kongress in Berlin. "Ich brauche eine Million Chips", habe er dort dann gesagt. Der TSMC-Chef habe dann nur gefragt: "Pro Tag oder pro Woche?" Und habe dann nur entgeistert geschaut, als Aksel "pro Jahr" antwortete.

Schon das habe deutlich gemacht: In der neuen Welt der Halleiter sei die Autoindustrie nur ein kleiner Player. Und auch TSMC habe von einem direkten Liefervertrag mit VW lange nichts wissen wollen. Erst jetzt, im Juli 2022, habe er es geschafft, einen Direktvertrag mit dem weltgrößten Chiphersteller abzuschließen. Denn, so Aksel: Die Zeiten, in denen man sich blind auf die großen Tier-1-Zulieferer verlassen konnte, seien vorbei.

Gelöst sei der Chipmangel damit aber noch lange nicht. Derzeit sehe er aber zwei positive Trends auf dem Halbleitermarkt: Zum einen, dass die Nachfrage etwas zurückgehe, zwar nicht in der Automobilindustrie, dafür aber bei der Consumer Eletronic. Zudem kämen neue Kapazitäten hinzu. "Deshalb glaube ich, dass es schrittweise besser wird", so Aksel. Wirklich abhaken könne man das Thema damit aber noch lange nicht. "2023 wird es schrittweise besser. Ist das Problem dann gelöst? Nein."

Die Versorgungssicherheit ist daher einer der fünf zentralen Punkte, die Aksel in den Mittelpunkt seiner neuen Beschaffungsstrategie stellt, die er nun nach zwei Jahren Vorbereitung ausrollen will. Die anderen vier: Qualität, Kosten, Innovation, Nachhaltigkeit. Wirklich neu sei das zwar im Grunde nicht. Neu sei aber, "dass diese fünf Faktoren gleich gewichtet werden". Und, so fügte Aksel hinzu: "Das war früher nicht immer so. Oft ging es zu 80 Prozent um Kostenoptimierung."

Kosten seien zwar weiter ein wichtiges Thema. Aber nicht mehr das einzige. "Mir bringt es nichts, wenn ich einen Super-Deal mit einem Lieferanten habe, wenn ich das Teil am Ende nicht bekomme. Versorgungssicherheit hat oberste Priorität." Und dabei komme es immer mehr darauf an, wie bei den Halbleitern tiefer in die Lieferkette einzusteigen. "Die Musik spielt in der n-Tier-Kette", so Aksel. Deshalb müsse man auch direkte Kontakte zu den Zulieferern der Zulieferer aufbauen. Das gelte nicht nur für Halbleiter, sondern auch etwa für Batterierohstoffe. "Da sind oft Tier 4 oder 5. Aber Sie müssen das heute machen."