Herr Dunning, die Transformation ist eine der größten Aufgabe seit langer Zeit, denen sich der Autohandel stellen muss. Dann kam Corona – und nun auch noch die Chipkrise. Wie geht es der Schultz-Gruppe?
Es geht uns grundsätzlich gut. Natürlich haben wir nicht damit gerechnet, dass die Krise so lange dauert. Wir waren vielleicht zu optimistisch, als wir dachten, dass es 2021 vorbei sein sollte. Es gab ja nur zwei Alternativen im Lockdown: Entweder schließen wir so viel wie möglich oder wir halten das Geschäft so gut es geht (digital) am Laufen. Wir haben die Krise genutzt, um unsere Prozesse in den Betrieben unter die Lupe zu nehmen und zu verbessern. Die Digitalisierung hat einen deutlichen Schub bekommen, auch in der Kommunikation mit unseren Kunden.Welche Veränderungen aufgrund der Pandemie bleiben dauerhaft erhalten?Das Homeoffice wird uns in bestimmten Bereichen erhalten bleiben. Vieles wird zum neuen Standard. Regeltermine lassen sich gut über Zoom oder Teams durchführen. Insgesamt werden wir sicher weniger reisen. Eine Ausnahme sehe ich da, wo man Menschen neu kennenlernt. Da ist sicher ein physisches Treffen sinnvoll. Und: Corona hat den Individualverkehr gestärkt. Das ist kein vorübergehendes Phänomen. Die Leute fahren lieber im eigenen Auto als in einer überfüllten U-Bahn. In ihrer "bubble" fühlen sie sich am sichersten.Wo steht Ihr Unternehmen im Transformationsprozess auf einer Skala von eins bis zehn?Ich vergleiche das gerne mit dem Lernen einer Fremdsprache: Je weiter man im Lernprozess ist, um so mehr realisiert man, wie viel man noch lernen muss. Wir sind auf diesem Weg und wir sind auf der Skala etwa bei sechs. Welche Auswirkungen hat die aktuelle Chipkrise auf Ihr Handelsgeschäft?Die Situation ist momentan so schwierig, weil Ereignisse wie Covid, die brennende Chipfabrik, blockierte Containerschiffe etc. zusammengekommen sind. Wir sehen, dass die eng getakteten globalen Lieferketten sehr vulnerabel sind. Und es gibt keinen Hersteller, der nicht davon betroffen ist. Die Lieferzeiten für Fahrzeuge und Teile werden länger. Das eigentliche Problem ist aber nicht, dass sich Lieferungen verzögern, sondern dass niemand weiß, wie lange die Verzögerung dauert. Uns fehlt die Planungssicherheit. Geht es nach der EU, sollen 2035 die letzten Verbrenner vom Band rollen. Was wird der E-Mobilität am nachhaltigsten zum Durchbruch verhelfen?Die Hauptgründe zur Anschaffung eines Elektroautos sind derzeit vor allem finanzieller Natur: die Umweltprämie und Steuervorteile. Wenn diese Incentives wegfallen, dann brauchen wir statt monetärer sachliche Gründe, um die Kunden zum Kauf zu bewegen. Welche?Die richtige Preisstellung und eine ausreichende Ladeinfrastruktur. Momentan sind die Preise der Fahrzeuge noch sehr hoch. Wenn die Subventionierung entfällt, wird das ein großes Thema.Wie bereiten Sie sich auf das sinkende Werkstattaufkommen vor?Wie sich die BEV- und PHEV-Anteile entwickeln, ist noch offen. Oft bringen Hybridfahrzeuge mehr Arbeit in die Werkstatt als reine Verbrenner. Grundsätzlich wollen wir unsere Kunden über Servicepakete länger an uns binden. Außerdem gehen wir verstärkt in die älteren Fahrzeugsegmente, die bisher nicht zur typischen Klientel der Markenwerkstatt gehören.Apropos ältere Fahrzeuge: Wo sehen Sie aktuell die größte Aufgabe im Gebrauchtwagengeschäft?Die Beschaffung der Gebrauchten ist momentan das größte Thema. Wenn die Neuwagen nicht kommen, fehlen uns die Leasingrückläufer und die Inzahlungnahmen. Außerdem beschäftigen uns die Restwerte von Elektrofahrzeugen. Die Erfahrungskurven sind aufgrund der geringen Volumen noch zu klein. Zudem ist schwer einzuschätzen, wie sich die Batteriealterung und die technische Obsoleszenz auf die Restwerte auswirken. Für künftige Generationen ist der Besitz eines Autos nicht mehr so wichtig. Kommt jetzt der Durchbruch für Auto-Abos?Diese Modelle erscheinen und verschwinden vielfach auch wieder. Ähnlich wie beim Carsharing sind Angebote oft nur für einen Teil der Kunden relevant – und manche Mobilitätsformen sind im Übrigen durch Corona ausgebremst worden. Die große Frage ist die nach der Preisgestaltung, also ob ein Auto-Abo ohne Subventionierung tatsächlich mit Leasing oder Finanzierung konkurrieren kann. Ich denke, Auto-Abos wird es auch weiterhin geben, aber in begrenztem Maß.2020 hat die Schultz-Gruppe mehr als 70.000 Fahrzeuge verkauft und über zwei Milliarden Euro umgesetzt. Ihre Prognose für 2021?Wir haben 2020 etwa fünf Prozent weniger Autos verkauft als 2019. Die Lieferfähigkeit vorausgesetzt, rechnen wir 2021 mit einem Verkauf auf dem Niveau von 2020. Der Gesamtmarkt liegt ja momentan über dem Vorjahr, aber immer noch deutlich unter dem Niveau von 2019.Immer mehr Marken bekennen sich zum Agenturmodell. Profitieren kleinere Händler eher davon als große Gruppen? Da steckt der Teufel im Detail. Geht es um das unechte Agenturmodell, wie es Mercedes-Benz bisher praktiziert, sehe ich wenig Einschränkungen für den Handel. Das jetzt diskutierte strenge Agenturmodell bringt mehr Einschränkungen für den Handel. Zwischen großen und kleinen Betrieben sehe ich keinen Unterschied. Klar ist: Je enger die Grenzen vom Hersteller gesetzt werden, um so geringer ist der Spielraum für den Handel.Die Schultz-Gruppe vertreibt die VW-Konzernmarken. Denken Sie auch über konzernfremde Neuzugänge im Portfolio nach?Wir sind sehr gut aufgestellt und decken fast alle Segmente ab. Nichtsdestotrotz werden wir auch von Konzernfremden angesprochen und wir prüfen dies gelegentlich. Grundsätzlich gilt: Wir haben keine Lücken im Portfolio. Wenn wir eine neue Marke aufnehmen würden, dann nur komplementär zu den vorhandenen, um das Portfolio abzurunden. Aktuell gehören 28 Standorte zur Schultz-Gruppe. Planen Sie Zukäufe? Die Zahl potenzieller Kandidaten ist ja durch die Pandemie eher gewachsen. Besonders während einer Krise kümmern wir uns zuerst um das eigene Geschäft. In den vergangenen Jahren haben wir wenig zugekauft. Wenn wir alle Möglichkeiten in unseren eigenen Häusern ausgeschöpft haben, dann sind auch Zukäufe möglich. Wir schöpfen zunächst das Potenzial an unseren Standorten aus und sehen Standortzukäufe ähnlich wie neue Marken: Ein Standort muss komplementär sein und langfristiges Potenzial haben.Manche Ihrer Mitbewerber sind international aktiv oder agieren als Generalimporteur für bestimmte Marken. Käme das für die Schultz-Gruppe auch in Frage?Nein. Unser Fokus ist auf Deutschland und den Einzelhandel gerichtet.Das Interview führte Bettina John.
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