Das Du geht VW-Betriebsratschefin Cavallo inzwischen leicht über die Lippen. Sowohl bei ihrem neuen Konzernchef Oliver Blume, den sie auf der Betriebsversammlung mit einem freundschlichen "Du, Olli" begrüßte. Und auch beim Bundeskanzler Olaf Scholz, den sie als Gastredner eingeladen hatte. In Ihrer Rede verkündet sie dann auch eine echte Neuheit: Das neue E-SUV im Tiguan-Stil geht 2026 in Wolfsburg in Serie. Die Automobilwoche veröffentlicht den Text ihres Redemanuskripts im Wortlaut.
Cavallo bestätigt ID-Tiguan aus Wolfsburg
VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo begrüßt Kanzler Olaf Scholz in Wolfsburg zur Betriebsversammlung. Und kann ihm stolz eine Neuigkeit präsentieren: Der ID-Tiguan geht 2026 in Serie. Ihre Rede im Wortlaut.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist mir eine besondere Ehre, heute unseren besonderen Gast zu begrüßen:
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, schön dass Du bei uns bist!
Im Namen der ganzen Belegschaft möchte ich Dir sagen: Herzlich willkommen in unserem Stammwerk.
Herzlich willkommen bei Volkswagen.
Hier in Wolfsburg schlägt das Herz unseres Unternehmens.
Wir freuen uns sehr, dass Du Zeit für uns gefunden hast!
Das hier ist unsere Belegschaft in Halle 11 und das ist ihr Applaus für Dich!
Danke, Kolleginnen und Kollegen.
Eingeladen hatte ich Dich, Olaf, im vergangenen Sommer in Berlin. Das war bei einem gemeinsamen Termin im Kanzleramt. Und Du hast schnell zugesagt. Das hat uns sehr gefreut. Aber es war auch mit viel Arbeit verbunden, wie wir die vergangenen Tage festgestellt haben.
Kolleginnen und Kollegen: Klar, wir haben öfter mal Gäste auf den Betriebsversammlungen. Aber wenn sich der Bundeskanzler ankündigt - das ist dann eben doch eine Liga für sich.
Deswegen möchte ich hier gleich zu Anfang einen besonderen Dank aussprechen: Danke an alle, die geholfen haben bei der Planung, bei der Vorbereitung und bei der Organisation, bei der umfangreichen Abstimmung - und auch jetzt beim Ablauf heute.
Lieber Olaf, ich möchte der Bundesregierung und Dir zu Beginn meiner Rede Danke sagen für die umsichtige Krisenpolitik. Ich freue mich sehr, dass Du in diesen turbulenten Zeiten hier bist.
Wir haben zumindest nichts unversucht gelassen, damit Du Dich wohlfühlst und uns in guter Erinnerung behältst.
Als Sozialdemokrat steht Olaf Scholz der Gewerkschaftsbewegung bekanntermaßen sehr nahe. Wir als IG-Metallerinnen und -Metaller haben hier also gewissermaßen einen Freund zu Gast. Aber: Wie spricht man einen solchen Spitzenpolitiker eigentlich am besten an?
Olaf, die Tageszeitung "taz" wollte das vor kurzem genau wissen und hat Dich gefragt, was Dir denn nun lieber ist: "Herr Bundeskanzler" oder "Herr Scholz"? Und Du hast geantwortet, ich zitiere: "Ob Olaf, Herr Scholz oder Herr Bundeskanzler - das ist mir ziemlich schnurz."
Ich halte also mal fest: Die Ansprache ist gar nicht so entscheidend. Der Kanzler ist da flexibel.
Ansprechen werden wir Dich heute nämlich noch öfter, lieber Olaf - denn Du hast Dich bereit erklärt für ein ganz besonderes Format.
Kolleginnen und Kollegen, Ihr habt nachher die Möglichkeit, dem Bundeskanzler Eure Fragen zu stellen.
Wie genau das ablaufen wird, hat Euch Gerardo vorhin schon erklärt. Wer jetzt noch Fragen hat, dem wird am Stand der VKL (Vertrauenskörperleitung, Anm. d. Red.) geholfen.
Olaf, heute Morgen waren wir bereits in Halle 54 und haben die Kolleginnen und Kollegen in der Golf-Fertigung besucht. Das haben wir auch deswegen gemacht, weil Du mir vorher gesagt hast, dass Du das "wahre Leben" in den Betrieben sehen willst. Und nicht nur Konferenzräume und Präsentationen.
In Halle 54 hast Du gesehen: Volkswagen steckt mitten in der Transformation.
Unsere Halle 11 hier ist ein weiteres Beispiel: Hier war einmal die Heimat der Stahlrad-Produktion.
Unsere Kolleginnen und Kollegen haben hier jahrzehntelang Felgen hergestellt. Für den Käfer, für den Golf und für andere Fahrzeuge aus dem Konzern. Aus Halle 11 gingen die Stahlräder in die ganze Welt.
Aber über die Jahrzehnte ist es immer schwieriger geworden, eine Eigenfertigung von gewöhnlichen Stahlrädern rentabel zu betreiben.
Mit unserem Zukunftspakt haben wir daher beschlossen, an dieser Stelle in die Offensive zu gehen: Die Halle 11 beherbergt inzwischen die größte Tripoden-Fertigung Europas. Das läuft hier auf der Etage über unseren Köpfen.
Tripoden-Gelenkstücke sind ein Teil der Antriebsgelenkwelle. Also des Antriebsstrangs.
Unser Stammwerk hat damit seine Kompetenz in Sachen Antriebskomponenten ausgebaut. Wir zählen zu den größten Produktionsbetrieben für Antriebsgelenkwellen weltweit.
Man kann also sagen: Auch die Halle 11 ist erfolgreiche Transformation.
Und mit diesem Mut zur Veränderung müssen wir weitermachen.
Elektromobilität und Digitalisierung verändern die Automobilindustrie so stark wie noch nie in ihrer Geschichte.
Wir sind da bereits mittendrin. Und, lieber Olaf, wir wollen das weiterhin so erfolgreich machen wie bisher.
Und dafür brauchen wir die Politik. Dafür brauchen wir die Unterstützung der gesamten Bundesregierung.
Ich will das offen sagen: Volkswagen hat in der Vergangenheit schwer enttäuscht. Auch die Politik. 2015 war das, vor fast acht Jahren.
Aber mal davon abgesehen, dass nicht die Belegschaft die Fehler von damals zu verantworten hat: Wir haben aus den Fehlern die richtigen Konsequenzen gezogen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.
Und dabei haben wir als Betriebsrat dafür gesorgt, dass es nicht die Beschäftigten sind, die die Fehler einseitig ausbaden mussten.
Heute geht unser Konzern voran bei der Antriebswende. Wir unterstützen die Dekarbonisierung unserer Industrie und auch die Klimaziele.
Wir sind inzwischen ein wichtiger Teil der Lösung.
Olaf, Du hast erst vor wenigen Monaten einen Meilenstein dabei begleitet: Im vergangenen Sommer hast Du mit uns den Grundstein zu unserer ersten eigenen Batteriezellfabrik gelegt.
Da sind wir vielen anderen Automobilherstellern weit voraus. Das gilt für unseren Fokus auf Elektromobilität insgesamt.
Unsere fahrzeugbauenden Werke bei Volkswagen in Zwickau, Emden und Hannover sind schon umgestellt auf die Produktion batterieelektrischer Modelle.
Hier in Wolfsburg sind wir auf dem Weg dorthin: Der ID.3 wird ein Wolfsburger. Neben Zwickau rollt er auch hier im Stammwerk bald durch die Montagen. Erst in Teilfertigung. Und dann ab nächstem Jahr auch komplett in Vollfertigung.
Und ich freue mich sehr, dass wir den Besuch des Bundeskanzlers heute nutzen können, um einen weiteren Meilenstein für unser größtes Werk bekanntzugeben:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Olaf: Im Rahmen unserer laufenden Planungsrunde haben wir eine wichtige Entscheidung festgezurrt: Ab 2026 wird unsere Kernmarke ein neues Elektro-Modell haben. Dieses rein batterieelektrische Fahrzeug ist eine Premiere, denn es markiert den Ersteinsatz für unsere künftige Elektro-Plattform MEB+.
Dieses neue Modell tritt im boomenden Segment der Kompakt-SUVs an. Also dort, wo heute bei den Verbrennern unser beliebter Tiguan unterwegs ist.
Und wir hier in Wolfsburg werden dieses neue Fahrzeug entwickeln und auch bauen!
Das ist eine wichtige Nachricht für uns im Stammwerk und für unseren weiteren Weg im Wandel der Branche.
Denn wie bereits bekannt, verschiebt sich der für Wolfsburg vorgesehene Trinity. Und die Lücke, die damit 2026 entsteht, die haben wir nun geschlossen. Und zwar mit einem neuen Modell in einem echt starken Segment! Da soll es um ordentlich Stückzahlen gehen. Wolfsburg startet damit noch früher und noch konsequenter in die Elektromobilität. Trotzdem bleibt uns der Trinity erhalten - er startet halt nur ein wenig später.
Mit diesen Plänen wird Wolfsburg zum flexibelsten Produktionsstandort im gesamten Konzern. Und, Ihr wisst das Kolleginnen und Kollegen: Unser Stammwerk soll sich mittelfristig auch beim Produktionsvolumen wieder sehen lassen können.
Das neue Elektromodell für Wolfsburg - das ist eine sehr wichtige Nachricht für uns hier.
Lieber Olaf, es wird gerne von "der Transformation" gesprochen. Was genau das eigentlich ist, ist manchmal gar nicht so klar.
Antriebswende. Energiewende. Mobilitätswende. Digitalisierung. Der Entfall bisheriger Aufgaben. Die Notwendigkeit für neue Aufgaben. Zusätzlicher Qualifizierungsbedarf. Lebenslanges Lernen. Eine andere Haltung unserer Kundinnen und Kunden, gerade bei der jüngeren Generation ... all das und noch viel mehr – das ist Transformation.
Für uns als Belegschaft ist es aber selten so abstrakt. Für uns heißt Wandel immer auch konkret: Die täglichen Arbeitsinhalte verändern sich. Ebenso ganze Ausbildungsgänge und Berufsfelder.
Die alten Gewissheiten sind hinfällig.
Vieles ist nicht mehr so klar, wie es Jahre oder jahrzehntelang war. Das erfordert viel Einsatz bei uns allen.
Vor allem aber erfordert es Mut. Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen mutig sein in der Transformation. Wir müssen offen sein für den Wandel. Nur so kann das erfolgreich werden.
Und dieser Mut braucht Sicherheit im Rücken. Sonst geht das nicht.
Und da kommt auch der Betriebsrat ins Spiel, Olaf.
Der Betriebsrat und die Mitbestimmung. Und auch die Politik.
Wir als Betriebsrat gestalten die Transformation entscheidend mit.
Wir helfen bei den Rahmenbedingungen für den nötigen Mut - und für die nötige Sicherheit dabei.
Nur ein Beispiel: Wir haben bei Volkswagen Beschäftigungssicherung bis 2029. Und ich habe schon zu meinem Amtsantritt gesagt: Wir müssen in der Transformation alle Kolleginnen und Kollegen mitnehmen. Hier ist nicht ein Mensch zu viel an Bord!
Lieber Olaf. Volkswagen geht diesen Wandel mutig an. Management und Mitbestimmung sind sich hier nicht immer grün. Aber wir ringen gemeinsam um die besten, um die tragfähigsten Lösungen.
Und entsprechend belastbar für alle Seiten sind dann die Ergebnisse.
Aber wir brauchen dabei auch die Unterstützung der Politik. Gerade in den nächsten Jahren wird das wichtig sein.
Beim Hochlauf der Elektromobilität. Beim Aufbau von Ladesäulen und mehr erneuerbaren Energien. Aber auch bei den nächsten europäischen Vorschriften für unsere Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.
Denn die Antriebswende kommt nicht über Nacht. Unsere Fahrzeuge mit einem Benziner oder Diesel werden noch rund zehn Jahre gebaut, verkauft und zugelassen. Sie verdienen das Geld, das wir brauchen, um die Transformation zu bezahlen und auch zukünftig sichere Arbeitsplätze zu haben.
Das alles muss die Politik weiter im Fokus behalten. Gerade auch mit Blick auf die Krisen in dieser Welt.
Übrigens: Etwas, was die VW-Belegschaft auszeichnet, ist ihre Stärke, gemeinsam anderen zu helfen, wenn es drauf ankommt: Bereits über 2 Millionen Euro haben unsere Beschäftigten für Kriegs- Geflüchtete aus der Ukraine gespendet! Zusammen mit den Spenden des Konzerns und seiner Marken sind es mehr als 15 Millionen Euro, mit denen wir den Menschen aus den Kriegsgebieten helfen.
Beim Erdbeben in Syrien und der Türkei haben wir ähnlich schnell ähnlich Beeindruckendes gestartet. Aktuell, nach nur wenigen Tagen, steht unsere Spendensumme für die Erdbeben-Opfer schon bei 232.812 Euro. Hinzu kommen auch hier Millionen-Spenden von der Unternehmensseite im Konzern.
Lieber Olaf, diese Hilfsbereitschaft ist etwas, das fest zu Volkswagen dazugehört. So, wie in vielen anderen Teilen unserer Industrie. Wir müssen aufpassen, uns das zu erhalten. Gerade in Zeiten der Krise.
Auch das ist nämlich ein Teil von nachhaltigem Handeln.
Wir wollen gemeinsam mit der Politik schauen, welche Wege am besten sind, um der nächsten Generation - unseren Kindern - eine Welt zu hinterlassen, die ein Stück besser ist.
Und in der sie und unsere Enkelkinder es ein Stück besser haben können als wir.
Olaf, Dein Partei-Freund Stephan Weil, unser Ministerpräsident, ist für uns da ein verlässlicher Partner. Er ist offen für unsere Positionen und Argumente - und berücksichtigt sie bei seinen Entscheidungen.
Stephan, auch ein herzliches Willkommen an Dich, Du wirst gleich noch zu uns sprechen.
Die wichtigen strategischen Entscheidungen für die Transformation treffen wir zusammen im Aufsichtsrat. Und daher freue ich mich sehr, dass heute weitere wichtige Vertreter aus dem Aufsichtsrat bei uns sind: Herzlich willkommen auch an Sie, Dr. Wolfgang Porsche, und Sie, Dr. Oliver Porsche, bei dieser wichtigen Betriebsversammlung heute.
Das ist ein sehr wichtiges Zeichen von Ihnen als Vertreter unseres größten Anteilseigners.
Lieber Olaf, wir wünschen uns, dass wir auch mit Dir und mit der Bundesregierung weiterhin so gut zusammenarbeiten wie bisher.
Du triffst Dich regelmäßig mit den Spitzen von Gewerkschaften und Betriebsräten. Es ist gut, dass die aktuelle Bundesregierung viel Wert auf die Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer legt.
Und wir hier in Halle 11, wir freuen uns sehr, dass Du auch den direkten Dialog mit uns suchst und Zeit für den Austausch hast.
In diesem Sinne:
Herzlich willkommen noch einmal.
Ich darf jetzt unseren Konzernvorstand Oliver Blume ans Mikrophon bitten.
Bitte, Olli, Du hast das Wort.