An diesen drei Problemen scheiterte Cariad-Chef Hilgenberg

Mit zwei Sätzen endet das Kapitel von CEO Dirk Hilgenberg als Anführer der Software-Schmiede Cariad: "Wir danken dem Team um Dirk Hilgenberg für seinen leidenschaftlichen Einsatz und den geleisteten Fortschritt. Wir sind bereits mit ihnen über mögliche neue Aufgaben innerhalb des Volkswagen-Konzerns im Gespräch", wird VW-Chef Oliver Blume in der offiziellen Mitteilung zum Umbau der Cariad zitiert. Hilgenberg führte die Volkswagen-Tochter seit August 2020. Er scheiterte am Ende an drei zentralen Problemen.

1. Cariad brauchte einen echten Neuanfang

Spricht man mit Managern aus dem VW-Konzern, wird deutlich: Dirk Hilgenberg persönlich wirft kaum jemand etwas vor. Der einst nach 18 Jahren bei BMW von Herbert Diess zur Cariad geholte Manager gab sich die größte Mühe, den von Konzernchef Oliver Blume klar definierten Umbau des Unternehmens umzusetzen. Doch innerhalb des straffen Zehn-Punkte-Plans von Diess-Nachfolger Blume ist für Hilgenberg selbst jetzt kein Platz mehr. "Das Ding war zuletzt einfach vor die Wand gefahren," sagt einer, der sich bei VW auskennt.

Einen Aufbruch mit geschärftem Profil und neuen Partnerschaften (siehe Punkt 3) konnte Hilgenberg im Alter von 58 Jahren daher nicht mehr glaubhaft verkörpern. Dazu kommt: Auch CTO Lynn Longo, die VW beim Satellitenradio-Anbieter SiriusXM entdeckte und die zuvor viele Jahre bei GM gearbeitet hatte, kam nie wirklich bei der Cariad an. Ihr Wirken blieb blass und unscheinbar. Und der nun ebenfalls geschasste CFO Thomas Sedran war zuvor schon als VWN-Chef abgesetzt worden und galt bei Cariad vielen von Anfang an nur als Notlösung.

Bentley-Mann Bosch hingegen geht unbelastet an die vielfältigen Aufgaben und kommt mit der Empfehlung, die britische Edelmarke auf Kurs gebracht zu haben. Und: Als ehemaliger Produktions-Weggefährte von Oliver Blume ist er ein Vertrauensmann des obersten VW-Lenkers.

Nicht nur Aufbruch ist jetzt bei der Cariad gefragt: Sondern auch harte Sacharbeit. Audi und Porsche warten auf die Software-Version 1.2, die in den Modellen Q6 e-tron und Porsche Macan gebraucht wird. Beide Fahrzeuge sollen noch 2023 vorgestellt werden, Anfang 2024 stehen die ersten Auslieferungen an Kunden an. Aus Audi-Konzernkreisen hieß es am Montag, man sei weiterhin auf Kurs. Neue, kurzfristige Probleme seien nicht aufgetreten. Ähnliches verlautete auch von Porsche.

Dennoch: Die beiden Premium-Marken sind nicht zufrieden mit dem Zustand der Cariad. Audi-Entwicklungschef Oliver Hoffmann, der auch im Cariad-Aufsichtsrat sitzt und Konzernchef Markus Duesmann ließen schon Anfang 2022 ein Gutachten von der Unternehmensberatung McKinsey erstellen, das die potentiellen Mehrkosten bei den aktuellen Software-Problemen im Milliardenbereich bezifferte. Das war später mitverantwortlich für den Abgang von Herbert Diess.

Ob die Software rechtzeitig für einen strukturierten Serienanlauf von Q6 e-tron und Macan fertig wird, ist aktuell Spekulation. Fakt ist: Es wird die Kernaufgabe von Hilgenbergs Nachfolger Peter Bosch sein, den beiden ehrgeizigen Margenbringern Audi und Porsche eine passende Software-Lösung zu liefern. Die sogenannte "E3 1.2." steht im Mittelpunkt der momentanen Anforderungen an die Cariad. Und damit auch im Mittelpunkt für Bosch.

Lange galt bei Volkswagen die Maßgabe, mit der Cariad möglichst alle Software-Lösungen inhouse zu entwickeln. Der ehemalige Konzernchef Herbert Diess hatte diese Parole ausgegeben. Hilgenberg folgte dieser Linie, doch inzwischen hat sich der Wind in der Branche gedreht. Neue Tech-Partnerschaften zwischen OEMs und Digitalunternehmen sind eher die Regel als die Ausnahme. Auch Oliver Blume nannte in seinem 10-Punkte-Plan den "Ausbau strategischer Partnerschaften" als wichtigen Aspekt.

Die soll jetzt Peter Bosch eintüten. "Peter Bosch ist der richtige CEO zur richtigen Zeit", sagt Oliver Blume. "Er ist Stratege, Umsetzer und Teamplayer. Das hat er bei Bentley erfolgreich bewiesen. Er kennt den Volkswagen-Konzern gut und hat zudem umfassende Change- und Beratungserfahrung". Vorgänger Hilgenberg und Technik-Chefin Longo hingegen traute man die neue Software-Realität in der Automobilindustrie nicht zu. Eine vertiefte Zusammenarbeit mit Mobileye ist bereits angestoßen - weitere werden folgen. 

Immerhin: Dirk Hilgenberg, Lynn Longo und auch Finanzvorstand Thomas Sedran sollen den Volkswagen-Konzern wie von Blume klar angesprochen, nicht komplett verlassen. Für alle drei suche man neue Positionen innerhalb des Unternehmens. Bei der Cariad hingegen übernehmen jetzt andere das Ruder.

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