Er ist der große Andersmacher der Automobilindustrie. Wo etablierte Hersteller ihre Konzepte nur langsam über die Jahre anpassen, startete Tesla 2003 von vorn: Der Fahrzeugbau wurde für das E-Auto ganz neu gedacht. Die Serienfertigung des Tesla Model S begann dann im Jahr 2012. Das Konzept basiert im Wesentlichen auf vier Erfolgssäulen:
Die vier Erfolgsfaktoren von Tesla
Tesla ist seit 20 Jahren anders. Der Elektroauto-Pionier konnte ganz von vorn anfangen. Mit neuen Ansätzen wurde er zum innovativsten Autobauer der Welt. Die Konkurrenz muss nachziehen.
Was die Branche heute als „Software-defined Vehicle“ zum neuen Standard in der Fahrzeugentwicklung erkoren hat, war für Tesla von Beginn an Kern der Konzepte. Vor dem Karosseriedesign und dem Antriebsstrang sollte die passende Software stehen.
Dazu entwickelte Tesla eine zentrale Steuereinheit für seine Architektur, die alle Funktionen des Fahrzeugs bündelt und verwaltet. Das konventionelle Konzept der Hersteller sieht dagegen vor, die jeweiligen Steuergeräte für Systeme an verschiedenen Stellen dezentral im Fahrzeug zu verbauen.
Eine Studie der Unternehmensberatung Siemens Advanta bezifferte Teslas technologischen Vorsprung durch diese Softwarearchitektur auf einige Jahre. Speziell bei der Möglichkeit, Over-the-Air-Updates im Fahrzeug auszuführen, setzte Tesla früh Maßstäbe, während Kunden anderer Hersteller für ein Software-Update in die Werkstatt fahren mussten. Die Konkurrenz rüstet inzwischen nach und folgt dem Tesla-Vorbild.
Mit dem Hochlauf der Elektromobilität stießen die konventionellen Architekturen der europäischen OEMs an Grenzen. Mit eigenen Elektro-Architekturen wie der MEB- oder PPE-Plattform versucht Volkswagen zum Beispiel, die Anzahl der dezentralen Steuergeräte zu reduzieren und Funktionen zu bündeln.
In den Fahrzeugen des Elektroautopioniers Tesla stecken teilweise auch individuell auf die Bedürfnisse der Architektur abgestimmte Chips. Das erschwert in einer Versorgungskrise zwar die Aufrechterhaltung von Lieferketten, sichert aber gleichzeitig höheren Funktionsaufwand und höhere Leistungen als bei Standardchips, mit denen sich konventionelle Hersteller versorgen. Inmitten der globalen Chipkrise 2022 schrieben Teslas Entwickler einfach Softwarebestandteile um, damit die Fahrzeuge in der Produktion weniger entsprechende Halbleiter benötigten, die zu diesem Zeitpunkt nicht lieferbar waren. Firmenchef Elon Musk fasste das so zusammen: „Wenn die Industrie unsere Probleme nicht lösen kann, machen wir das eben selbst.“
Bei seinen Fabriken folgt Tesla einem klaren Konzept: Effizienz. Die hohe Fertigungskompetenz des Elektroautoherstellers ergibt sich aus klar definierten Montagelinien und Lieferketten. Ganze Rahmenteile fertigt Tesla mit den „Gigapressen“ des italienischen Herstellers Idra selbst, statt dafür mehrere Produktionsschritte zu benötigen. Möglichst wenige Fertigungsanlagen bis zum fertigen Auto, heißt das Motto. Oder im Tesla-Sprech: „The Machine that builds the Machine.“
Dazu sind Teslas Fabriken bis auf das Stammwerk in Fremont auf nur eine Modellreihe spezialisiert, statt verschiedene Linien innerhalb eines Werks zu fahren. Das ermöglicht auf wenig Fläche einen sehr hohen Produktions-Output.
Großes Risiko des Tesla-Wegs ist aber: Bei einem Problem steht die gesamte Produktion an einem Standort still, während OEMs mit einem weitverzweigten Produktionsnetzwerk leichter ausweichen und umplanen können. „Wenn bei denen alles läuft, sind sie schwer zu stoppen. Aber bis alles läuft, ist es dafür umso schwerer“, sagte ein ranghoher VW-Manager über Teslas Produktionskapazitäten.
Eigenes Ladenetz
Spricht man über die Gründe für Teslas Erfolg, darf auch der Hinweis auf das eigene Supercharger-Netzwerk nicht fehlen. Auch wenn das kostenfreie Laden für Kunden seit Jahren schon nicht mehr zum Angebot gehört, gilt das selbst entwickelte, perfekt kombinierte Ökosystem zwischen Fahrzeug und passender Ladeinfrastruktur bis heute als Vorbild für die Branche.
Anfang Mai verkündete Tesla den Meilenstein, weltweit über 5000 Supercharger-Standorte mit im Schnitt zehn Ladesäulen zu betreiben. Inzwischen sind die Supercharger flächendeckend auch für Fahrzeuge anderer Marken geöffnet. lw
Tesla ist Pionier des digitalen Direktvertriebs auf dem europäischen Markt. Es gibt keine Autohäuser, nur kleine Showrooms mit wenigen Fahrzeugen. Dafür eine aufgeräumte Website mit klarem Kaufprozess, verständlicher Konfiguration und wenig Extras.
Wer keine Vielzahl von Händlern beschäftigt, muss sich zudem keine Gedanken über Provisionen machen. Das Agenturmodell, zentraler Streitpunkt in den Geschäftsbeziehungen aller europäischen Hersteller mit ihren Handelspartnern, spielt bei Tesla keine Rolle. Sämtliche Vertriebserlöse wandern abzüglich der Kosten ohnehin in die Kassen des Unternehmens. Einfache Strukturen, die im Vertrieb massiv Kosten sparen.
Das ermöglicht auch eine bei Bedarf konkurrenzlos aggressive Preispolitik. In diesem Jahr senkte Tesla gleich mehrfach in allen Weltregionen die Preise, um die Nachfrage anzukurbeln. Für das Model 3 verlangte das Unternehmen in Deutschland im Mai in der Variante mit Hinterradantrieb einen Basispreis von 41.990 Euro und liegt damit weit unter den Wettbewerbern bei elektrischen Limousinen. Profitabel bleibt Tesla damit problemlos. Die Wirtschaftsagentur Reuters errechnete für Tesla 2022 eine Marge von im Schnitt 9574 Dollar pro Fahrzeug – bei der Marke Volkswagen beträgt sie in einer vergleichbaren Fahrzeugkategorie nur 973 Dollar.
Ohne Werbe- und Marketingausgaben, ohne Engagements als Sponsor von Events oder im Motorsport schaffte es Tesla, allein mit den Produkten und den kontroversen Auftritten seines Firmenchefs ein Image aufzubauen. Hinter Musk hat sich weltweit eine treu ergebene Fangemeinde versammelt. Die Loyalität zur Marke ist in nur 20 Jahren Firmengeschichte für viele Kunden längst grenzenlos.
Eklatante Fertigungsmängel oder großspurige Versprechen bei Fahrzeugfunktionen wie dem Autopiloten kratzen zumindest bisher kaum an Teslas Ruf als progressivste Elektromarke der Welt. Die emotionale Bindung zur Marke ist ganz ohne Werbeclips und Marketing-Tricks längst weitaus größer als bei vielen anderen Wettbewerbern. Teslas Erzählung einer so gänzlich anderen Marke beeindruckt nicht nur die Industrie, sondern auch die Kunden. Im Innovationsranking nach Nutzerreaktionen der Unternehmensberatung Unicepta für das erste Quartal 2023 belegte Tesla mit Abstand den ersten Platz. Deutlich vor Volkswagen, BMW und Mercedes.
Dieser Artikel stammt aus der Sonderbeilage „20 Jahre Tesla“. Hier erfahren Sie mehr
Aus dem Datencenter:
20 Jahre Tesla im Zeitdiagramm von 2003 bis 2023