Europäischer Rechnungshof zweifelt an EU-Typzulassung

Bei der Typzulassung von neuen Pkw bestehen nach einer Untersuchung des Europäischen Rechnungshofs in mehreren EU-Ländern erhebliche Missstände. In Italien und in den Niederlanden wurden die Herstellerangaben zu den CO2-Emissionen ihrer neuen Fahrzeuge nicht überprüft, sondern anstandslos übernommen. Auch in Deutschland habe das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) weniger eigene Überprüfungen durchgeführt als gesetzlich vorgeschrieben. Die Hersteller sind bei der Wahl der Zulassungsbehörde für die Typgenehmigung nicht an ihr Heimatland gebunden.

Der Rechnungshof bemängelt insbesondere den gewaltigen Unterschied zwischen den von den Herstellern auf dem Prüfstand ermittelten Emissionsangaben und den im realen Straßenverkehr gemessenen Daten. Während die Laborwerte zwischen 2009 und 2019 um 16 Prozent zurückgingen, seien die realen Emissionen in dieser Zeit um weniger als sieben Prozent geschrumpft. Verantwortlich dafür seien immer größere und schwerere Fahrzeuge. "Die Hersteller konzentrieren sich nach wie vor in erster Linie darauf, die Laborwerte zu senken und nicht den tatsächlichen Verbrauch ihrer Autos", sagte Rechnungshofmitglied Pietro Russo.

Mit Blick auf die Niederlande und Italien äußerte die Behörde schwere Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit der in den Übereinstimmungsbescheinigungen angegebenen CO2-Werte. Zudem gebe es eine beträchtliche Fehlerquote bei der Übermittlung der Zahl neu zugelassener Pkw an die EU. In Deutschland seien im Jahr 2020 ein Prozent der neuen Pkw nicht gemeldet worden, in Italien 14 Prozent und in den Niederlanden sogar 27 Prozent.

Der Rechnungshof untersuchte nicht alle 27 EU-Zulassungsbehörden, sondern nur stichprobenartig die Ämter in Deutschland, in Italien (MIT) und in den Niederlanden (RDW). Eine Empfehlung, wie die Typzulassung künftig geregelt werden soll, gab es nicht. Die nationalen Typgenehmigungsbehörden müssten in die Lage versetzt werden, die erforderlichen Überprüfungen auch tatsächlich umsetzen zu können, hieß es.

Das Kraftfahrt-Bundesamt wies in einer Stellungnahme für die Automobilwoche die Vorwürfe zurück. Insbesondere habe man 79 der 81 in Europa durchgeführten CO2-Überprüfungen vorgenommen und damit die gesetzlich vorgeschriebene Mindestzahl erfüllt. Anlass für nachträgliche Konformitätsprüfungen sehe das KBA daher nicht. Es habe allerdings bei den Prüfungen der Emissionen im Betrieb (Real Driving Emissions) "Herausforderungen" durch die damals herrschende Corona-Pandemie gegeben. Für die Zukunft gebe es ausreichende Prüfkapazitäten.

Am 22. Februar findet in München die Automobilwoche Konferenz mit vielen interessanten Referenten statt. Mehr erfahren

Aus dem Datencenter:

CO2-Ausstoß der Pkw-Neuzulassungen bis Januar 2024

CO2-Emissionen im Fahrbetrieb - 2010 bis 2022