Darum will VW den Fernsehturm in Hannover abreißen

Wer mit dem Zug zwischen Berlin und Köln reist, sieht ihn. Wer das Glück hat, in Hannover auszusteigen, sowieso. Der alte Fernsehturm der Landeshauptstadt ragt seit 1959 in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs 141 Meter in die Höhe. Seit 1992 ist er außer Funktion, seit 2000 gehört das Bauwerk Volkswagen Nutzfahrzeuge, die den im Volksmund "Telemoritz" genannten Turm als effektive Werbeplattform nutzen. Bis jetzt. Vergangene Woche wurden Pläne öffentlich, den alten Fernsehturm mitsamt seiner großen VW-Logos an der Spitze abzureißen. Trotz sofortiger Kritik von Stadt und Hannoveranern hält VWN bisher an seinem Ziel fest. Produktionsvorstand Josef Baumert sprach jetzt erstmals über die Gründe.

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch im VWN-Werk in Hannover-Stöcken sagte Baumert: "Wir haben ein Gutachten durchgeführt. Die Standsicherheit ist grenzwertig. Reine Instandhaltungsmaßnahmen reichen nicht mehr aus, um das Bauwerk zu erhalten." Unter einer Million Euro jährlich investiere VWN für den Erhalt des Turms, sagte Baumert. Dies reiche nach 25 Jahren aber nicht mehr aus, um den maroden Turm zu retten.

Der VWN-Produktionsvorstand weiter: "Selbst mit der Investition eines ordentlichen, zweistelligen Millionenbetrages ist nicht garantiert, dass eine dauerhafte Standfestigkeit gegeben ist. Vor diesem Hintergrund musste ich eine Entscheidung treffen, weil ich die Sicherheit nicht gewährleisten kann." Der Beton des über 60 Jahre alten Fernsehturms sei marode, bereits 2020 stürzten Betonbrocken aus der Fassade. Zudem sei der "Telemoritz" laut Baumert zunehmend Starkwetterereignissen und Wind ausgesetzt, die weiter an der angekratzten Substanz des Bauwerks nagen.

Auch die Sparmaßnahmen bei Volkswagen hätten den Erhalt des Turmes deutlich erschwert, sagte Baumert. Auf Nachfrage der Automobilwoche erläuterte der VWN-Produktionsvorstand: "Natürlich hat unsere Entscheidung auch etwas mit dem Kostendruck im Konzern zu tun. Der Betrieb des Turms ist nicht unser Kerngeschäft, wir haben nur wenige Experten, die sich mit so etwas auskennen. Es war im Konzern schon immer schwierig, das Geld für die Instandhaltung freizubekommen. Ein solch hoher Betrag für die Sanierung würde von uns jetzt aber nicht verantwortungsvoll eingesetzt, zumal das Gebäude keine Funktion mehr hat."

Baumert weiter: "Eine so hohe Investition abseits unseres Kerngeschäfts wird VWN nicht vertreten. Zumal sich das Unternehmen in einer tiefgreifenden Transformation befindet. Wir müssen sehr gut überlegen, was wir mit unserem Geld machen." Unter anderem die Umstellung auf die neue EU-Cybersecurity-Richtlinie UNECE, durch die der in Hannover gebaute Bulli T6 ausläuft, fordere das Unternehmen, so Baumert.

Immerhin: Der Nutzfahrzeughersteller ließ für private Investoren und die Stadt eine Hintertür zur Rettung des beliebten Bauwerks offen. Zwar reichte Volkswagen am vergangenen Mittwoch eine Abbruchanzeige bei der Stadt ein, bis zum Start des Rückbaus werde es aber in jedem Fall noch dauern. Die Ausschreibung für den Auftrag laufe noch. Fest stehe bisher nur: Noch in diesem Jahr sollen die drei VW-Logos und der Schriftzug "Nutzfahrzeuge" an der Spitze des Turms mit einem Kran heruntergeholt werden. 

Baumert hofft allerdings weiterhin auf eine Rettung des Bauwerks, auch wenn die Logos des Konzerns ganz oben in jedem Fall abgebaut würden: "Bis zur Demontage unserer Werbung nehmen wir jedes seriöse Angebot zusammen mit der Stadt in die Prüfung. Ein tragfähiges Konzept zur Rettung des Turms würden wir finanziell unterstützen." Mit welcher Summe, sagte Baumert zunächst nicht.

Bereits seit den Neunziger Jahren werden in Hannover immer wieder Nutzungskonzepte für den alten Fernsehturm diskutiert. Der mangelhafte Brandschutz und die nicht ausreichenden Sanitäreinrichtungen oben im Turm schreckten potentielle Investoren allerdings ab. Unter anderem müsste ein zweiter Fahrstuhl eingebaut werden. Baumert: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man den da reinkriegt."

Nicht ohne Wehmut sagte der VWN-Produktionsvorstand: "Die Art der Werbung und das Mediennutzungsverhalten haben sich komplett geändert. Die Zeit dieses Turms ist endlich, so wie alles auf dieser Welt." Das letzte Wort haben hier allerdings die Stadt Hannover und der Denkmalschutz. Seit Bekanntwerden der Pläne am vergangenen Mittwoch gibt es Bestrebungen, den "Telemoritz" noch unter Denkmalschutz zu stellen, um den Abriss zu verhindern. Lokalpolitiker in der Landeshauptstadt hatten sich zuvor fraktionsübergreifend gegen einen Rückbau des Wahrzeichens gestellt. Die Diskussion um die Zukunft des Turms wird also vorerst weitergehen.