Stellantis: Fünf mögliche Nachfolger von Carlos Tavares

Man soll die Party bekanntlich verlassen, wenn sie am lautesten ist. Denkt auch Carlos Tavares so? In französischen Medien wird über ein mögliches Ausscheiden des Stellantis-CEOs spekuliert, dessen Mandat im März 2026 ausläuft. Angeblich hat der 66-Jährige dem Aufsichtsrat eine Liste mit fünf Namen vorgelegt, die er für fähig hält, das Steuer zu übernehmen.

Eines ist gewiss: Ein Carlos Tavares macht seinen Job zu Ende, und er bestimmt, wann der erledigt ist. Gefragt, wann er das Zepter abgeben will, antwortet er: "Wenn die Zeit reif ist." Das könnte bald sein. Denn was hat er nicht schon alles erreicht?

Zunächst sanierte er PSA, dann noch vor dem Ende der Sanierung übernahm 2017 PSA Opel – weil sich die Gelegenheit dazu bot. 2019 dann der große Schlag, die Fusion mit FCA, das lange fehlende Standbein Nordamerika wurde geschaffen. Und schließlich die Gründung von Stellantis im Januar 2021.

2023 fuhr der neu geschaffene 14-Marken-Konzern einen Rekord-Betriebsgewinn von 24,3 Milliarden Euro ein. Und was noch mehr zählt: Stellantis hat sich unter Tavares zum profitabelsten Autobauer der Welt hochgearbeitet. Die operative Marge stieg im Jahr drei der Existenz des neuen Konzerns auf 12,8 Prozent.

Wäre jetzt nicht ein guter Zeitpunkt, Adieu zu sagen? Tavares ließ zuletzt bei Gesprächen mit Journalisten Bemerkungen fallen, die zu den Spekulationen über seine Nachfolge führten. Er sagte Sätze wie "in der Zeit, die ich noch Verantwortung trage, möchte ich…"

Der stets offen kommunizierende Konzernchef verhehlt auch nicht, dass er sich eigentlich nach einem anderen Leben sehnt. Was seine persönlichen Zukunftsprojekte seien, wurde er schon mehrfach gefragt. Der gebürtige Portugiese, der verheiratet ist und drei Kinder hat, gibt darauf stets eine ähnliche Antwort wie diese: "Auf jeden Fall möchte ich mich mehr um meine vier Enkel kümmern, denn ich bin ein glücklicher Großvater."

Außerdem wolle er mehr Zeit haben für seine kleine Firma, die Oldtimer restauriert. Und ganz sicher wolle er mehr Zeit in seiner Heimat Portugal verbringen. "Das ist ein friedliches Land, das Leben ist dort ruhig und einfach."

Allerdings: Der Restrukturierungsplan "Dare Forward", mit dem Tavares den Höhenflug des Autobauers einleitete, läuft noch bis 2030. Tavares denkt nicht in Quartalen, sondern längerfristig. Und er betonte schon vielfach, dass er bei der anstehenden Konsolidierung der globalen Automobilindustrie ein weiteres Wörtchen mitzureden gedenkt.

Ein großes Engagement in China oder auch eine nicht auszuschließende Verbindung mit Renault könnten die Karriere von Tavares tatsächlich noch krönen. Beides würde aber auf eine weitere Amtszeit hinauslaufen.

Körperlich fit ist der Asket in jedem Fall. Er absolviert ein Reisepensum rund um die Welt, bei dem so mancher 40-Jährige einknicken würde. Angeblich steht er jeden Tag um 5 Uhr auf, um ein Fitness-Programm durchzuziehen, bevor er um 8 Uhr im Büro eintrifft.

Seine persönliche Agenda ist ihm heilig. "Ich bin ein Anhänger von absolutem Zeit-Management", sagt er. Effizienz und Leistung bestimmen auch sein persönliches Leben bis ins Detail, nicht zuletzt bei den zahlreichen privaten Autorennen, die der "Opa" noch fährt, darunter regelmäßig die Le Mans Classic.

So gut wie nichts bringt Tavares aus der Ruhe. Selbst die immer wieder hochkochenden Vorwürfe, er erhalte eine zu hohe Vergütung, pariert er kühl: "Das ist der Preis dafür, gute Ergebnisse zu erhalten." Für 2023 kassierte Tavares insgesamt 36,5 Millionen Euro, immerhin 56 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Unvergessen ist, wie er 2013 seinen eigenen Rauswurf bei Renault mit einem Satz gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg provozierte. "Meine Erfahrung wäre gut, für jeden beliebigen Autobauer. Warum nicht GM? Ich würde mich geehrt fühlen, eine Firma wie GM zu führen." Der damals göttergleiche Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn musste den Ehrgeizling daraufhin feuern. Tavares landete dann zwar nicht bei GM, aber bei PSA.

Wenn es um seine Ziele geht, fackelt Tavares nicht lange, dafür opfert er auch langjährige Verbindungen. Von so manchem ehemaligen Weggefährten trennte er sich nach eigenen Angaben ohne  Bauchschmerzen. „Ich habe viele Freunde verlassen. Und ich habe viele neue Freunde gefunden. So ist das Leben“, sagte er einmal in einem Rundfunk-Interview.

Wie lauten nun aber die fünf Namen, die Tavares mutmaßlich bereits für den Aufsichtsrat von Stellantis aufgeschrieben hat? Immer wieder genannt wird der Name von Maxime Picat, der seit drei Jahren Einkaufschef für die gesamte Stellantis-Gruppe ist. Zuvor hatte er als erster Chief Operating Officer von Stellantis das Europa-Geschäft geleitet, war somit die rechte Hand von Tavares in nahezu allen Europa-Belangen. Picat hat China-Erfahrung, spricht mehrere Sprachen und ist ebenso strikt Performance-orientiert wie Tavares.

Ein durchaus denkbarer Nachfolger wäre auch Michael Manley, der seit Ende 2021 die US-Autohandelsgruppe AutoNation führt. Der frühere CEO von Jeep und anschließende Vorstandschef von FCA war zunächst als Chef aller Stellantis-Operationen in Nordamerika vorgesehen. Doch bald war klar, dass er nicht gleichberechtigt neben Carlos Tavares agieren konnte. Dennoch verfügt der Brite über die breiten Erfahrungen, die der Chef eines globalen Autokonzerns vorweisen muss.

Ein Name, der ebenfalls auf der Liste von Carlos Tavares stehen könnte, ist Roy Jakobs, der Chef des niederländischen Philips-Konzerns. Die Agnelli-Familie, die immerhin 14,3 Prozent an Stellantis hält, hatte 2023 15 Prozent von Philips übernommen und hält viel von Jakobs. Das könnte auch zum Top-Job in der immer verzahnteren Autobranche führen.

Ein weiterer Kandidat für den Spitzenjob könnte Antonio Filosa sein. Er übernahm erst im vergangenen November den CEO-Job bei Jeep, davor hatte er sich knapp drei Jahre lang als Stellantis-Regionalchef in Südamerika bewährt. Für Carlos Tavares steht fest, dass sein Nachfolger Nord- und Südamerika perfekt kennen muss – beide Märkte sind für Stellantis deutlich wichtiger als etwa China.

Da erscheint es nur logisch, dass im Umfeld der Konzernspitze auch Carlos Zarlenga als potenzieller Tavares-Nachgenannt wird. Zarlenga wurde im Februar zum COO von Stellantis in Nordamerika befördert, zuvor hatte der frühere GM-Manager als Präsident das Sagen über diesen für Stellantis ertragsstärksten Markt.

Deutlich wird bei allen fünf denkbaren Kandidaten, dass sie vor allem eines bieten müssen: einen möglichst bruchlosen Übergang und die Fortsetzung der auf Austerität und Profitabilität setzenden Politik von Tavares.