Für Porsche-Chef Oliver Blume und Entwicklungschef Michael Steiner war es eine schmerzhafte Erfahrung. Noch nie in ihrer nun fast zehnjährigen Amtszeit bei Porsche ist ein Fahrzeugprojekt derart aus dem Ruder gelaufen wie das des elektrischen Macan. Über zwei Jahre betrug die Verspätung, als das Modell Anfang des Jahres endlich Premiere feierte. Die ersten Exemplare sollen 2024 an Kunden ausgeliefert werden. Aber: "Das muss jetzt auch klappen", unkte Finanzchef Lutz Meschke bei der Bilanzpressekonferenz in Leipzig vor wenigen Wochen. Schätzungen von McKinsey zufolge könnten die Verzögerungen das Unternehmen bis zu drei Milliarden Euro gekostet haben.
Ohne Cariad: Porsche geht eigenen Software-Weg
Mit verschiedenen Partnern will der Sportwagenbauer Porsche unabhängiger vom VW-Konzern werden. Das geplante Modell K1 könnte auf einer eigenen Software-Plattform stehen.
Schuld daran ist die Software, die von der VW-Konzerntochter Cariad entwickelt werden sollte, aber nicht rechtzeitig fertig wurde. Porsche entschied sich daher für Googles Android Automotive als Basis für die Software-Plattform E3 1.2, die nun im Macan zum Einsatz kommt. Auch jetzt noch feilen die Entwickler fieberhaft daran, die Stabilität zu erhöhen und ein ähnliches Desaster wie bei der Einführung des VW ID.3 zu verhindern, als Ausfälle des Infotainments an der Tagesordnung waren.
Zwar hat Blume in seiner Funktion als Konzernchef Cariad inzwischen neu aufgesetzt und mit dem ehemaligen Bentley-Produktionschef Peter Bosch im Juni 2023 einen neuen CEO berufen. Doch zuvor reiste er im Januar mit einer kleinen Delegation ins Silicon Valley, um sich nach Partnern umzuschauen, mit denen Porsche Alternativen zum Konzernbaukasten für Software realisieren kann.
Vor diesem Hintergrund ist auch die jüngste Kooperation mit Applied Intuition zu sehen, einem Softwarespezialisten mit Sitz in San José. Damit erhalte Porsche Zugang zu umfassendem Wissen über die Entwicklung, Implementierung und Update-Fähigkeit von Fahrzeugsoftware, heißt es in der offiziellen Mitteilung. "Tests können dann bereits in einer früheren Entwicklungsphase softwarebasiert durchgeführt und schneller absolviert werden", sagt Entwicklungschef Steiner. Um gleichzeitig zu betonen, dass dies ergänzend und unterstützend zu den Aktivitäten des Volkswagen-Konzerns geschehe.
Der jüngste Deal, der auch mit einer finanziellen Beteiligung an der kalifornischen Softwarefirma einhergeht, reiht sich ein in eine ganze Riege von Partnerschaften.
Dazu zählt auch eine Ausweitung der Zusammenarbeit mit Google. Von 2025 an sollen Google Maps, Google Assistant und eine Vielzahl von Apps, die über den Google Play Store erhältlich sind, in die Fahrzeuge Einzug halten. Kunden sehen trotzdem die gewohnte Benutzeroberfläche des Porsche Communication Management.
Porsche-Chef Blume spricht dabei von einem "Blended Ecosystem", das ein nahtloses digitales Erlebnis ermöglichen soll - so, wie es die Kunden von ihrem Smartphone und anderen Endgeräten gewohnt sind. Immer wichtiger wird dabei die Anpassung auf die regionalen Märkte wie China oder die USA. Daher sind die Schnittstellen im Fahrzeug offen gehalten, um länderspezifische Lösungen zu ermöglichen. Alle Steuergeräte sollen jederzeit miteinander kommunizieren können. Mit Mobileye will Porsche zudem Assistenzfunktionen für das automatisierte Fahren auf Level 2+ entwickeln, bei denen die Hände dauerhaft vom Lenkrad genommen werden können.
Cariad
Cariad wurde 2020 als "Car. Software Organisation" etabliert. Heute arbeiten bei Cariad rund 6500 Entwickler an einer einheitlichen Software- und Technologieplattform für alle Marken des Volkswagen-Konzerns. Sie verteilen sich auf die Standorte Wolfsburg, Ingolstadt, München und Berlin.
Umsetzen soll all dies Sajjad Khan, der als Vorstand für Car-IT im vergangenen November neu ins Unternehmen gekommen ist und zuvor bei Mercedes die Software verantwortete. Zwar dürfte die aktuelle Plattform E3 1.2 für die nächsten anstehenden Modelle elektrischer Boxster und Cayman (2025) sowie elektrischer Cayenne (2026) gesetzt sein. Doch spätestens mit dem für das Jahr 2027 geplanten Luxus-SUV mit dem Projektnamen K1 könnte Porsche endgültig die Abnabelung von Cariad gelingen. Auf schmerzhafte Erfahrungen wie beim elektrischen Macan will Konzernchef Blume in Zukunft jedenfalls verzichten.