Herr Hochgeschurtz, bei der Fußball-EM haben viele Besucher aus dem Ausland mit Erstaunen festgestellt, auf welches Niveau die Infrastruktur in Deutschland gesunken ist. Ist das auch für einen Autokonzern Grund zur Sorge?
Es gibt grundsätzlich nur zwei Themen, die für einen Autobauer relevant sind: Qualität und Wettbewerbsfähigkeit. Im Industrieland Deutschland haben wir mit die höchsten Energiepreise Europas, wir haben die kürzesten Arbeitszeiten und die längsten Urlaubszeiten, wir haben die unzuverlässigste Bahn in ganz Europa. Brücken können nicht mehr genutzt werden, der Dauerstau kostet die Unternehmen Milliarden. Ein Teil der Infrastruktur ist einfach nicht mehr angemessen für ein Industrieland.
Was sollte geschehen, damit der Standort wieder attraktiver wird - auch für Stellantis und Opel?
Es wurde schlichtweg zu viel gespart. Wir benötigen ordentliche Bahnstrecken, Straßen, Brücken und Wasserwege und eine gute und günstige Energieversorgung. Wenn da nichts grundlegend passiert, werden sich viele Unternehmen - nicht nur aus der Automobilindustrie - fragen, ob Deutschland der richtige Standort für neue Investitionen ist. Diese Themen müssen angepackt werden: Energiepreise, Energienetz, Arbeitszeiten, Transport und Infrastruktur.
Drohen Sie mit einem Abzug aus Deutschland, wenn sich nichts ändert, ähnlich wie Stellantis-UK-Chefin Maria Grazia Davino das jüngst mit Blick auf Großbritannien gemacht hat?
Das ist keine Drohung, es ist eine realistische Lagebeschreibung. Wir bauen gerne Autos in Deutschland und in Westeuropa, aber natürlich stehen dieses Land und diese Region in einem globalen Wettbewerb mit anderen Produktionsstandorten, etwa in Osteuropa oder in Fernost. In Großbritannien verlangen wir schlichtweg nur, dass Hersteller, die dort lokal produzieren, nicht schlechter gestellt werden als reine Importeure. Mit der neuen Regierung wird es dazu Gespräche geben und dann sehen wir weiter.