Europachef Imparato: Stellantis beharrt auf Agentursystem

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als neuer Europachef von Stellantis und Chef der Nutzfahrzeugsparte hat Jean-Philippe Imparato deutlich gemacht, dass er wie der scheidende Konzernchef Carlos Tavares in strategischen Kategorien denkt.

Der neue "Chief Operating Officer Enlarged Europe" Imparato will im Vertrieb das Agentursystem weiterhin durchsetzen, dabei allerdings den Handel überzeugen, statt ihn vor den Kopf stoßen. Strafzölle gegen chinesische Marken führen seiner Überzeugung nach nur zu mehr Kapazitäten in Europa und dämmen den Zustrom chinesischer Hersteller und Modelle nicht ein.

Die Marke Lancia will Imparato, der selber Italiener ist, noch lange nicht abschreiben. Es gebe einen Markt für diese traditionsreiche italienische Marke, sagte Imparato vor Journalisten beim Pariser Autosalon.

"Sollte Europa tatsächlich die geplanten Strafzölle gegen chinesische Hersteller verhängen, wird das nicht die erhofften Effekte haben und absolut keine Konsequenzen für Stellantis haben", sagte Imparato in Paris.

Kurzfristig könnten womöglich einige chinesische Hersteller ihre Strategie überdenken, doch mittel- und langfristig würden sie dann um so stärker ihre Präsenz in Europa ausbauen wollen, etwa durch eigene Produktionskapazitäten. Letztlich würden damit die Überkapazitäten in Europa noch weiter ausgeweitet, ließ er durchblicken.

"Der Effekt auf die Preise von E-Autos in Europa wird Null sein", sagte der Nachfolger von COO Uwe Hochgeschurtz. "Aber am Ende werden die Hersteller aus China um so effizienter in Europa auftreten, um die gestiegenen Kosten aufzufangen. Für den Gesamtmarkt werden sich die Kostenstrukturen nicht verändern."

Imparato verglich die Lage mit früheren Jahrzehnten, als ebenfalls neue Akteure nach Europa drängten: "Auch als die Japaner kamen und die Koreaner, wurden eine Zeitlang hohe Zölle gegen sie verhängt. Das hat sie aber überhaupt nicht gestoppt."

Im Vertrieb will Imparato trotz der massiven Widerstände in weiten Teilen des europäischen Handels am langfristigen Ziel des Agentursystems festhalten. Dabei dürfe es aber keine pauschale und gleichzeitige Durchsetzung dieser Transformation in allen Ländern geben, sondern je nach Lage eine "angepasste Strategie." Damit nimmt Imparato in dieser wichtigen Frage eine konziliantere Haltung ein als sein Vorgänger Hochgeschurtz.

Es gebe Länder wie Belgien oder die Niederlande, in denen der Anteil von Online-Neuwagenbestellungen am gesamten Ordereingang schon bei 30 Prozent liege, so Imparato. Er erinnerte an einen der wesentlichen Vorteile des Agentursystems: "Es gibt keinen Preiswettbewerb mehr innerhalb der eigenen Markenhändler." Das würde eine große Rendite-Bremse im Handel beenden.

Ebenfalls sehr kostensparend sei die Einführung "vollständig digitaler Prozesse" in der Handelsorganisation. "Es wird Schluss sein mit dem ganzen Mist, mit dem sich die Partner bis heute noch vielfach herumschlagen müssen", so Imparato wörtlich.

Ebenfalls Schluss sei dann mit dem typischen Rabatt-Effekten zum Monats- oder Quartalsende, wenn im klassischen Vertrieb jeweils noch bonusrelevante Ziele erreicht werden müssen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil sei auch der Wegfall der Zinslast durch die bislang notwendige Vorfinanzierung von Verkaufs- und Vorführfahrzeugen. "In der früheren Null-Prozent-Zinsphase war das kein Problem. Aber wenn Sie mit acht Prozent finanzieren müssen, dann wird das zu einem Problem."

Doch Druck auf den Handel auszuüben, sei bei alledem der falsche Weg. "Man kann nicht die Händler dazu zwingen. Man muss sie davon überzeugen, dass sie mittel- und langfristig deutliche Vorteile mit einem Agentursystem haben." Stellantis werde deshalb "je nach Ausmaß der Reife eines Marktes" die Agentur einführen. Zu einzelnen Märkten äußerte er sich nicht.

Die zuletzt immer lauter werdende Kritik an zu vielen unprofitablen Marken im 15-Marken-Konzern Stellantis wies Imparato zurück. Er räumte ein, dass jede Marke ihre Profitabilität unter Beweis stellen müsse, dafür müsse man ihr aber eine angemessene Zeit geben.

So hielten sich etwa die Kosten für die Wiederbelebung der Marke Lancia im vertretbaren Rahmen. "Wir sprechen da nicht von einem Milliardenbetrag", sagte er. "Wir denken, dass Lancia eine gute Chance hat, sich zu entwickeln. Wichtig ist dabei aber die Konsistenz im Markenauftritt."

Das größte Problem der europäischen Hersteller sei eine schwankende europäische Politik bei der Emissionsregulierung, betonte Imparato. Die Förderung von Neuwagenkäufen sei der falsche Weg. "Jetzt kommen die Kunden in die Showrooms und sagen: Sehr schön, ich komme im Januar wieder, dann sind die Autos ja sicher günstiger."

Stellantis fordere deshalb auch nicht wie die Mehrheit der europäischen Hersteller eine Abschwächung der Regulierungsziele für 2026 oder gar 2025. "Jeder muss sich über die Konsequenzen im Klaren sein, die eine Verschiebung der Emmissionsziele mit sich bringen würde." Dies würde milliardenschwere Investitionen der Autohersteller infrage stellen.

Richtig sei es dagegen, die europäische und nationale Politik zu mehr Engagement beim Ausbau der Ladeinfrastruktur aufzufordern. "Was wir brauchen, sind mehr Steckdosen, nicht mehr Kaufanreize." Im Französischen laute diese Forderung knapp formuliert "Des prises (Steckdosen), pas de primes (Fördermittel)."