Carlos Tavares: Am Ende hatte der Stellantis-Chef nur noch wenige Freunde

Michael Knauer

Carlos Tavares hatte nicht vor, seinen Vertrag vorzeitig zu beenden. Doch in den Führungsgremien des Konzerns verlor er Verbündete – und vorher schon das Vertrauen von Zulieferern, Herstellern und Mitarbeitern.

Montag, 9. Dezember 2024, 05.00 Uhr

Foto: Stellantis

Carlos Tavares: Er wollte immer Treiber der Entwicklung sein und nicht Getriebener. Mit seiner exzessiven Kostenfixierung allerdings verscherzte er sich zuletzt sogar den Rückhalt im Aufsichtsrat.

Carlos Tavares hat zum Schluss noch einmal auf seine Autorität gesetzt, auf seinen beeindruckenden „Track record“ und seine messerscharfe Analytik. Doch der Machtverlust war schon zu groß. Dem Aufsichtsrat waren es zu viele Zumutungen und zu wenig Rücksichtnahme.

Tavares machte aus seinem mitleidlosen Verständnis der Ökonomie nie einen Hehl: „Wir leben in darwinistischen Zeiten“, erklärte er immer wieder. Nur die Fittesten werden überleben. Und mit dieser Einstellung hatte er lange bei Stellantis Erfolg.

Doch der Drill polarisiert. Solange man damit reüssiert, akzeptieren das die Eigentümer. Doch zuletzt brachen die Verkäufe und die Erträge massiv ein.

Konflikt im Aufsichtsrat

„Man kann sich nicht jeden zum Feind machen“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters nach dem Rauswurf des Portugiesen eine Führungskraft.

Eigentlich hätte der 66-Jährige noch bis zum Ende seines Vertrags im Frühjahr 2026 die Geschicke des 14-Marken-Konzerns leiten sollen, doch bei einer Zusammenkunft mit dem Aufsichtsrat platzte Verwaltungsratspräsident John Elkann der Kragen.

Tavares’ Reaktion auf kritische Fragen zum schlechten Verhältnis des Unternehmens zu vielen Handelspartnern, Gewerkschaften, Regierungen und nicht zuletzt den eigenen Mitarbeitern habe gelautet: „Ihr mischt Euch nicht in meine Arbeit ein – das ist nicht Eure Angelegenheit.“

"Wir haben Vertrauen verloren"

Finanzchef Doug Ostermann räumte ein, dass der Aufsichtsrat über die belasteten Innen- und Außenbeziehungen des Konzerns gesprochen habe. „Wir müssen ganz eindeutig Vertrauen zurückgewinnen.“

Ein zentraler Streitpunkt war offenbar die Frage, wie Stellantis im kommenden Jahr die deutlich anspruchsvolleren CO2-Grenzwerte in der EU erreichen will. Um keine hohen Strafgelder zahlen zu müssen, müsste der Hersteller den Anteil der rein elektrischen Modelle am Gesamtverkauf von zuletzt zwölf auf mindestens 21 Prozent steigern.

Da das kaum realistisch ist, müsste der Konzern massiv seine Verbrenner-Verkäufe in Europa zurückfahren – selbst zum Preis einer noch stärkeren Unterauslastung der Werke und womöglich sogar Werkschließungen. Der Aufsichtsrat drängte Tavares dagegen, sich wie andere Hersteller auch für eine Abschwächung der CO2-Ziele für 2025 einzusetzen. Das aber lehnte Tavares bislang stets kategorisch ab.

Zulieferer unter Kostendruck gesetzt

Ebenfalls zunehmend kritisch bewertete der Aufsichtsrat die von Kostendruck getriebene Politik von Tavares gegenüber wichtigen Zulieferern. „Man kann langjährigen Zulieferern nicht einfach sagen, „Ihr seid raus“, sagt dazu ein Insider. „Das gefährdet die eigene Fähigkeit, Autos zu produzieren.“

Keine Freunde machte sich der CEO auch mit seiner Personalpolitik. Häufige Neubesetzungen beförderten die verbreitete Furcht vieler Führungskräfte, das nächste Opfer zu werden.

Tavares wird aber nicht nur als Kostenkiller in die Geschichte der Autoindustrie eingehen, sondern auch als Treiber der Transformation – und nicht wie so viele andere als Getriebener.