Deshalb droht in China ein großes Händlersterben

Schwache Nachfrage, niedrige Renditen und wenig Aussicht auf Besserung: Der Autohandel hierzulande steckt in der Krise. Doch im Vergleich zu ihren Kollegen aus China geht es deutschen Händlern noch gut. Verdeckt von den Hiobsbotschaften der Autohersteller vollzieht sich auf dem chinesischen Automarkt eine brutale Marktkonsolidierung, bei der die Entwicklung in Europa im Vergleich harmlos wirkt.

Laut einem Bericht der China Automobile Dealers Association (CADA), aus dem die South China Morning Post zitiert, verfehlte 2024 mehr als die Hälfte der rund 30.000 chinesischen Händler ihre Vertriebsziele. 27 Prozent hätten nicht einmal 70 Prozent der geplanten Verkäufe erreicht. "Ich schätze, dass rund zwei Drittel aller Autohändler in China derzeit Verluste schreiben", sagt Jochen Siebert, Gründer der auf den chinesischen Automarkt spezialisierten Beratungsagentur JSC Automotive.

Schon jetzt häufen sich die Pleiten. Der Zeitung China Daily zufolge schieden allein in der ersten Jahreshälfte 2024 fast 2.000 Autohändler aus dem Markt aus – beinahe so viel wie im gesamten Jahr 2023. Und es trifft längst nicht nur die Kleinen: Im Juli wurde der zweitgrößte Autohändler Chinas – China Grand Automotive Services – von der Börse genommen, nachdem dessen Aktien 20 Tage in Folge unter dem Nennwert gehandelt wurden.

Und das Schlimmste könnte noch bevorstehen. "Wir stehen in China kurz vor einer extrem großen Marktbereinigung. Das gilt sowohl für die Autohersteller als auch die Händler", sagt Siebert.

Die Entwicklung hat mehrere Gründe. Zum einen sind die Händlernetze viel zu groß dimensioniert. Analog zu den Überkapazitäten in der Produktion mit einer durchschnittlichen Werksauslastung von gerade einmal 50 Prozent gebe es "vermutlich doppelt so viele Autohändler in China wie nötig", meint Siebert. Die gesamte Branche sei lange Zeit fest davon ausgegangen, dass der chinesische Automarkt irgendwann auf 30 Millionen Autos pro Jahr wächst. Tatsächlich stagniert er bei aktuell 22 Millionen.

Gleichzeitig verschieben sich mit dem Vormarsch von E-Autos und Plug-in-Hybriden in China die Marktanteile. 2019 hatten internationale Hersteller noch einen Marktanteil von zwei Dritteln. Aktuell sind es noch 40 Prozent. Eine ohnehin zu große Zahl an Händlern muss sich also um schrumpfende Kuchen balgen.

Viele ausländische Hersteller verkleinern daher ihre Netze und setzen Händler vor die Tür. Porsches neuer China-Chef Alexander Pollich etwa gab im Dezember bekannt, dass das Vertriebsnetz in China um mehr als ein Viertel schrumpfen soll, auf rund 100 Standorte.

So mancher Händler sucht auch von sich aus das Weite, berichtet Siebert. Gute Händler hätten meist kein Problem, bei Marken wie BYD, Li Auto oder der Huawei-Tochter Aito unterzukommen. Doch die aufstrebenden chinesischen Marken können nicht unbegrenzt neue Händler aufnehmen.

BYD etwa stehe zunehmend unter Beobachtung und könne es sich nicht erlauben, den Marktanteil noch groß auszubauen, meint Siebert. Denn das Wachstum des Herstellers gehe zunehmend auch auf Kosten der Staatskonzerne.

Mit den Überkapazitäten bei Herstellern und Händlern einher geht zudem ein beispielloser Preiskampf. "Die Autopreise in China sind binnen drei Jahren um 30 Prozent gesunken. Das ist ein Kampf aufs Messer. Niemand verdient hier noch Geld", sagt Siebert.

Wie intensiv der Wettbewerb ist, zeigt auch eine aktuelle Analyse von Jato Dynamics von Januar 2025. Dieser zufolge kostete ein MG 4 des SAIC Konzerns in Europa 30.690 Euro. Dasselbe Auto, hergestellt in derselben Fabrik, kostet in China umgerechnet 18.245 Euro.

Die chinesischen Händler stecken mitten in diesem Preiskampf. Dieser resultierte laut CADA zwischen Januar und November 2024 in Verlusten von umgerechnet rund 24,3 Milliarden US-Dollar. Einerseits müssen die Händler sinkende Provisionen hinnehmen, weil die Hersteller laufend die Listenpreise senken. Andererseits müssen sie zusätzlich Händlerrabatte geben, um ihre Absatzziele zu erreichen, erklärt Siebert das Dilemma. "Chinesische Autohändler stehen ständig am Rande des Wahnsinns."

Auch in Europa tobt mittlerweile ein Preiskampf bei E-Autos. "Etliche Händler haben ihr Pulver schon jetzt komplett verschossen. Viele arbeiten mit Null-Deckungsbeiträgen, um ihre Elektro-Ziele zu erreichen", sagte Thomas Peckruhn, ZDK-Vize und Chef der Autohausgruppe Liebe unlängst der Automobilwoche.

Dennoch ist die Situation hier grundlegend anders: Die gleichzeitige Netzbereinigung, die in China derzeit in kurzer Zeit und in voller Härte abläuft, hat Europa schon zu einem großen Teil hinter sich. Die Händlernetze hier schrumpfen seit Jahren langsam, aber konstant. Siebrechts Fazit: China komme "nach Jahren des rasanten Wachstums in der Normalität an".