Chinas Automarkt: Entfesselter Hightech-Kampf drückt deutsche Marken an den Rand

"Quo Vadis China" haben die Experten der renommierten Unternehmensberatung Berylls by AlixPartners ihre im Februar veröffentlichte Analyse überschrieben. Und wohin der weltgrößte Automarkt 2025 steuert, ist in der Tat die große Frage. Exemplarisch dafür steht die Entwicklung bei den New Energy Vehicles (NEVs).

Damit sind nicht nur reine E-Autos gemeint, sondern auch Hybridfahrzeuge und Modelle mit Brennstoffzelle. Im Februar wurden in China 686.000 NEV’s verkauft, ein Plus von knapp 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit rückt der Neuzulassungs-Anteil der NEVs mit 49,5 Prozent stramm auf die 50-Prozent-Marke zu.

Als Stimmungsaufheller taugen die vordergründig strammen Wachstumszahlen dennoch nicht. Denn gerade bei den NEVs tobt unter den chinesischen Herstellern ein entfesselter Preiskampf in Kombination mit einer High-Tech-Hochrüstung. Angeführt von Marken wie BYD, XPeng und Geely sind die chinesischen Autohersteller dabei, die Grenzen von Technologie und Erschwinglichkeit zu verschieben.

Mit dieser Strategie und einem radikalen Zuschnitt der Fahrzeuge auf die Bedürfnisse der chinesischen Kundschaft ist es den heimischen Akteuren gelungen, im wichtigen NEV-Bereich die etablierten westlichen Hersteller binnen weniger Jahre an die Wand zu drücken. So haben die chinesischen Marken zwischen 2020 und 2024 laut CPCA ihren Marktanteil von 35,7 Prozent auf 60,5 Prozent gesteigert, bei den NEVs dürfte der Marktanteil laut Berylls bis Ende 2025 auf 95 Prozent steigen.

Ungeachtet der massiven Überkapazitäten halten die NEV-Marken das Wachstumstempo hoch und die Preise niedrig. Laut Marktdaten waren im Februar/März Fahrzeuge der Marken Zeekr, Denza oder IM, die in China als neues BEV-Premium gehandelt werden, mit Preisen zwischen 30.000 und 35.000 Euro so billig wie nie.

Die Preisschlacht wird vielfach auf dem Rücken von Handel und Lieferanten ausgetragen. Immer breiteren Raum nehmen in chinesischen Online-Plattformen Berichte über Schieflagen von Händlergruppen ein.

Vor einigen Wochen vermeldete Online-Plattform Weibo Lieferschwierigkeiten, Filial-Schließungen und ausstehenden Löhnen bei der Wintorp-Gruppe, die zu den Top-100 von Chinas Händlergruppen zählt. Fast schön berüchtigt in der Branche sind Marken wie BYD und Nio dafür, dass sie mehrere Monate bis zur Begleichung von Lieferantenrechnungen verstreichen lassen.

Auch das Glamourkind der E-Autoszene, Xiaomi, sorgt derzeit für Schlagzeilen. Und das nicht nur, weil regelmäßig die Absatzziele für den SU7 nach oben geschraubt werden. Laut Medienberichten aus China fährt Xiaomi mit dem sogenannten Porsche-Jäger mehr als 6.200 Euro Verlust ein – pro Auto.

Trotz der angespannten Lage schieben die Elektroautobauer immer neue Modelle in den Markt, vollgestopft mit technischen und intelligenten Funktionen. Das, so Berylls, seien die wichtigsten Hebel, um die internationalen Marken und hier insbesondere die deutschen Hersteller zu übertreffen.

Ein Ende ist nicht in Sicht: "Die Todesspirale aus mehr Tech für weniger Geld dreht sich weiter. Es gibt null Anzeichen, weshalb sich das in (naher) Zukunft ändern sollte", stellt Willi Wang fest, China-Experte bei Berylls und einer der Autoren von "Quo Vadis China". Die NEV-Erfolgsformel der chinesischen Marken lautet: Technologie und - in scharfer Abgrenzung zu den westlichen Marken, bei denen der Fahrer im Fokus ist - eine radikale Ausrichtung nach den Bedürfnissen der Passagiere.

Während die deutschen Autobauer noch ihren Weg in diesem knallhart auf Verdrängung ausgerichteten NEV-Markt suchen, machen sich die chinesischen Hersteller mit Hochdruck daran, weitere Felder zu erobern. Im Mittelpunkt stehen nach Einschätzung von Berylls zwei Faktoren.

• Zum einen werden sich die chinesischen OEMs stärker auf die Fahreigenschaften der Fahrzeuge konzentrieren und damit eine Domäne von Audi, BMW und Porsche ins Visier nehmen.
 
• Zum anderen werden die China-Marken bei NEVs das Innendesign und die smarten Cockpits noch stärker in den Vordergrund rücken. Zielsetzung: Trotz eines verbesserten Fahrverhaltens werden sie das Auto noch konsequenter zu einem vielseitig für Arbeit, Unterhaltung und Outdoor-Aktivitäten nutzbaren Ort umbauen.

"Schon heute", sagt Willi Wang, sei es einer der fundamentalen und marktentscheidenden Unterschiede, dass "die internationalen Hersteller das Cockpit immer noch stark am Fahrer ausrichten, die Chinesen hingegen an den Bedürfnissen der Passagiere."

Und noch eine Bastion der Deutschen sieht der Experte gefährdet: das Oberklasse-/Luxussegment. Bislang ist es chinesischen NEV-Anbietern nicht in nennenswertem Umfang gelungen, in diese Segmente vorzudringen. Neuen Marken und Modellen wie der BYD-Marke YangWang, Maextro (Huawei/JAC) und dem ET9 von Nio trauen die Experten von Berylls in Zukunft zu, in den Markt für Premiumfahrzeuge von über 100.000 Euro einzudringen, und dort erhebliche Umsätze zu erzielen.

Wie nah diese Zukunft ist, wird sich vermutlich schon auf der Auto Shanghai zeigten. Experte Wang erwartet jedenfalls ein Feuerwerk an technologischen Innovationen.