Sie haben Luft- und Raumfahrt-Technik studiert. Da wären Sie doch eigentlich für Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX prädestiniert?
(Lacht) Nein, ich war nach dem Studium tatsächlich in den USA in der Raumfahrtindustrie tätig, aber dann war klar: Ich will zum Stern. Das klingt jetzt vielleicht pathetisch, aber mich haben von klein auf Autos begeistert. Schon in meiner Schulzeit habe ich mir angeschaut, was man studieren kann. Da war klar: mit Luft- und Raumfahrt hat man das breiteste Wissen, um auf jeden Fall in die Autoindustrie zu kommen. Systemdenke, Thermodynamik, Aerodynamik. So kam ich zum Stern und da bin ich nun seit über 20 Jahren. Es war einfach schon immer mein Traum, Autos zu entwickeln.
Ist es aktuell noch traumhaft, wo man bei der E-Mobilität merkt, dass es nicht so leicht ist, wie Sie es sich vorgestellt hatten?
Wir haben viele neue Technologien. Das ist herausfordernd, aber genau das macht mir Spaß.
Was ist für Sie in den nächsten 12 Monaten die größte Herausforderung?
Entwickler denken immer in drei Phasen: Den Serienhochlauf unserer aktuellen Modelle, dann gibt es Projekte, bei denen wir noch mitten in der Entwicklung stehen und vor allem die Sommer- und Wintererprobungen im Fokus stehen, und zu guter Letzt gibt es unsere Vorentwicklungsaktivitäten, also auch Forschung, mit der wir uns für die Zeit nach den aktuellen Modellen, auf die Zukunft vorbereiten. In allen drei Feldern liegen ganz unterschiedliche Herausforderungen.
Gibt es kein konkretes Projekt, das Sie umtreibt?
Nein, bis 2022 wollen wir neben dem EQC und unseren Smarts noch ein paar mehr Elektromodelle in den Markt bringen. Da können Sie sich vorstellen, dass mich gerade einiges umtreibt...
Ich hätte eher an die Probleme in Kamenz gedacht. Einige Kunden müssen auf ihre EQC warten, weil Sie mit der Produktion von Batterien nicht hinterherkommen.
Die Nachfrage nach E-Mobilität steigt. Das freut uns. Die Menschen sind bereit dafür. Der EQC kommt an. Der Schwabe ist in seiner Euphorie immer eher etwas zurückhaltend, daher haben wir uns bei der Planung vor drei Jahren für einen langsamen Hochlauf entschieden. Jetzt merken wir aufgrund der hohen Nachfrage, wir könnten noch schneller hochfahren. Das ist für uns aber business us usual. Qualität geht dabei immer vor Quantität.
Im Klartext: Sie hatten mit weniger Nachfrage gerechnet.
Die Nachfrage ist noch größer als wir dachten, ja. Aber ich muss das nochmal einordnen: Wir haben in das zweite Werk in Kamenz eine halbe Milliarde investiert. Das Werk ist Blaupause für sieben weitere Batterie-Fabriken von Daimler weltweit, die gerade noch im Bau sind und einen Invest von einer Milliarde Euro bedeuten. Und dort entstehen ja nicht nur Batterien für den EQC, dort laufen Batterien im Bereich 48 Volt über unsere Plug-In Hybride bis zum rein batterieelektrischen Fahrzeug von Mercedes-Benz Cars vom Band.
Das ist ein sehr breites Portfolio. In Kamenz entsteht eine der größten Batteriefabriken Europas.... Hier sind wir im Vergleich zum Wettbewerb schon sehr weit…
Sie meinen im Vergleich zu Teslas Gigafacotry.
Ich will keinen Namen nennen. Aber das ist eine riesengroße Aufgabe, die wir bewältigen müssen. Wir arbeiten hart und werden jeden Tag besser.
Brauchen Sie mehr Leute?
Nein, wir haben genug Leute. Wir haben Spezialisten, die gezielt den Hochlauf in neuen Werken unterstützen und natürlich sehr gut geschultes Personal für die Produktion. Wenn Daimler etwas kann, dann wachsen.
Ärgert es sie, dass Tesla als innovativster Hersteller bei E-Mobilität gilt?
Für die Akzeptanz der E-Mobilität hat Elon Musk seinen Anteil fraglos geleistet. Ich glaube aber, dass die Automobilindustrie gerade sehr deutlich zeigt, wo sie ihre Stärken hat. Ein Auto besteht aus mehr als dem Antrieb. Es ist die Qualität und Intelligenz des Gesamtfahrzeugs, die einfach passen muss: Bei uns rattert, knistert und quietscht nichts. Und unsere Fahrzeuge übernehmen vorausschauende Aufgaben hinsichtlich Sicherheit und Effizienz, holen z.B. selbst während der Fahrt Energie – via Rekuperation - zurück. Gute Autos zu bauen, ist ein Zehnkampf. Als Sportler sag ich: Ich nehme jedeHerausforderung an. Das spornt mich erst recht an.
Die Zellen kaufen Sie zu. Beziehen Sie auch Zellen von CATL aus Erfurt?
Wir setzen auch bei der Batteriezelle auf ein Set an Lieferanten – dabei u.a. auch CATL und Farasis. Mit Farasis haben wir eine Nachhaltigkeitspartnerschaft etabliert. Bereits für die nächste EQ Fahrzeuggeneration soll ein Teil der Batteriezellen zu 100 % mit Strom aus erneuerbaren Energien produziert werden..Gerade kürzlich wurde bekannt gegeben, dass auch ein Farasis-Standort in Deutschland geplant ist, der von Beginn an CO2-neutral arbeiten soll.
VW öffnet seinen Modularen Elektro-Baukasten für Dritte. Wäre das auch etwas für Daimler?
Das steht aktuell nicht zur Diskussion. Es gibt jedoch durchaus Bereiche, in denen Partnerschaften über Zulieferer hinaus Sinn machen. Um diese herausfordernde Transformation unseres gesamten Portfolios in Richtung Elektromobilität möglichst effizient und ressourcenorientiert zu gestalten, überprüfen wir regelmäßig weitere interne und externe Potentiale auch hinsichtlich Kooperationen für Komponenten, die gemeinsam eingekauft und oder entwickelt werden könnten.
Beim autonomen Fahren bemüht man sich der Kosten wegen zunehmend um industrieweite Standards beziehungsweise nutzt offene Plattformen. Ist die E/E-Architektur für das E-Auto dagegen ein Differenzierungsmerkmal?
Ich denke ja. Es geht ja nicht um den reinen Antrieb, sondern wie Sie das System auslegen. Wie sieht der Motor aus im Zusammenspiel mit Batterie, wie die Software darüber, wie funktioniert die Integration in den Motor. Wie wird die Zelle belastet? Was muss die können? Da haben wir schon unsere eigenen Mischungsverhältnisse und Prozessparameter. Das ist differenzierend. Wovon wir kostenseitig profitieren, ist die Bündelung beim Lieferanten. Unsere Zellen könnten grundsätzlich vom selben Band laufen wie Zellen für einen Smartphoneakku.
Ist Zelltechnik damit eher Raketentechnik oder doch Commodity?
Zellen sind eine wichtige Komponente der Batterie und das Beherrschen ihrer Chemie damit ein Fokusthema unserer Forschung- und Entwicklung. Wir decken dabei von der Grundlagenforschung bis hin zur Serienentwicklung alle Schritte ab. Auch im Bereich der Produktionstechnologien konnten wir über viele Jahre wertvolle Erfahrung sammeln. Aktuell fokussieren wir uns auf die die Batteriesystemproduktion. Für Zellen haben wir ein wettbewerbsfähiges Lieferantenset aufgebaut und sind mit eigenen Fertigungskapazitäten an mehreren Standorten für Gesamtbatteriesysteme künftig gut aufgestellt. Fest steht aber: Man muss die Technologie bis in kleinste Detail verstehen, um sie richtig einsetzen zu können.
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