Die Elektrifizierung und Digitalisierung des Automobils hat auch Schattenseiten: Der Halbleiterbedarf schießt in die Höhe, aber es gibt nicht genug Chips. Automobilwerke werden gestoppt, es können nicht genug Autos gebaut werden. Und der strukturelle Mangel kann noch Jahre andauern, sagen Experten voraus.
Schlechte Nachrichten für die Automobilindustrie: Der Halbleitermangel wird andauern – und die neuen Fabriken, die allerorten gebaut oder geplant werden, werden das Problem nicht beseitigen. Denn sie werden nicht in erster Linie die Chips herstellen, welche die Automobilindustrie benötigt. Ganz abgesehen davon, dass die aktuelle wirtschaftliche Lage auch die Chiphersteller nicht unbeeinträchtigt lässt. So hat etwa gerade der weltweit größte Chipauftragsfertiger TSMC aus Taiwan seine Investitionen für dieses Jahr um rund zehn Prozent gekürzt.
Das Kernproblem, so haben Analysten von Roland Berger und McKinsey herausgefunden, ist dass die Automobilindustrie zum großen Teil genau jene Chips haben möchte, die in der Halbleiterindustrie schon als etwas angestaubt gelten und in deren Produktion weniger investiert wird. Das sind, vereinfacht gesagt, jene Chips deren Leiterbahnen recht noch dick sind, weil man sie vor Jahren nicht kleiner herstellen konnte. „Der größte Mangel herrscht bei den Chips der älteren Generationen, die in der Autobranche hauptsächlich eingesetzt werden. Zusätzliche Fertigungskapazitäten werden jedoch vorrangig in neueren Generationen aufgebaut und bringen somit kaum Entlastung“, heißt es bei Roland Berger.
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Konkret beziffern die Experten von McKinsey die Perspektiven so: Konstant etwa zwei Drittel des Chipbedarfs der Automobilindustrie entfällt auf Chips mit Strukturgrößen von 90 Nanometer und mehr. Das wird laut einer aktuellen Studie von McKinsey 2025 genauso gelten wie 2030. Umgerechnet auf 300-Millimeter-Wafer liege der Bedarf 2025 bei 13 Millionen Wafern und 2030 bis bei 21 Millionen. Das entspricht einem jährlichen Zuwachs von rund elf Prozent. Aber zumindest bis 2026 werden laut McKinsey die Produktionskapazitäten für diese Chips nur um fünf Prozent pro Jahr ausgebaut. Denn der Anreiz in Werke für die neueste Chiptechnologie zu investieren ist natürlich viel größer, als Werke zu bauen, die mit 20 Jahre alter Produktionstechnologie arbeiten. Zum Vergleich: Der von Apple bereits eingesetzte Appel-A14-Bionic-Chip besitzt Strukturgrößen von fünf Nanometer. 2021 stellte IBM den Prototypen eines Zwei-Nanometer-Chips vor.
Während im Durchschnitt aller Branchen laut McKinsey nur 52 Prozent aller eingesetzten Halbleiter Strukturgrößen von 90 Nanometer und mehr aufweisen, sind es in der Automobilindustrie 72 Prozent (2021). Der Grund dafür: In vielen Steuergeräten im Automobil, in elektrischen Antriebssträngen mit hohen Spannungen und Leistungen, Invertern und Aktuatoren sind dies Chips der alten Generation völlig ausreichend – und bewährt. Würde man sie durch modernere, leistungsfähigere ersetzen, entstehen Zusatzkosten durch Entwicklung und Qualifizierung der Chips.
Auf modernere Chips zu wechseln – was mit dem Wechsel zu moderneren Elektronikarchitekturen ohnehin nach und nach geschieht – könnte den Mangel allerdings auch nur entschärfen, nicht aber beseitigen. Denn um die moderneren und Highend-Chips gibt es einen Kampf der Branchen, weil alle Bereiche des Lebens zunehmend digitalisiert werden. Was könnte helfen? Engere Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern, Tier-1-Zulieferern und Chipherstellern, empfehlen die Berater.
Aus dem Datencenter: Lieferanten für Leistungshalbleiter