Auch 2025: Warum das Agenturmodell bröckelt

Erst Jaguar und Ford, dann Stellantis und Volkswagen: Nach der großen Agentur-Euphorie ab 2020 begannen 2024 die Pläne wieder wie Dominosteine zu kippen. Das jüngste Ausrufezeichen setzte VW. Ende November kündigte Volkswagen an, die Abschaffung bis Ende März 2025 zu prüfen.

Doch schon zwei Wochen später beerdigte VW Deutschland-Vertriebschef Achim Schaible das Agenturmodell für E-Autos in einem Schreiben an die Händler. Die offizielle Kündigung der Verträge kam noch vor dem Jahreswechsel. Damit ist der Weg frei, Anfang 2026 ins Händlermodell zurückzukehren.

Ähnlich sieht es bei Stellantis aus. Zwar hat sich der Hersteller noch nicht endgültig vom Agenturmodell losgesagt, faktisch liegen die Pläne unbestimmt auf Eis. Frühestens 2027 sei ein Umstieg realistisch, hieß es zuletzt. Auf einen konkreten Termin will sich niemand mehr festlegen. Hinzu kommt, dass der Handel ein Mitspracherecht hat: Erst wenn die Händlerverbände zustimmen, geht es los.

Im Handel nimmt man die Wende mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis. "Die mehrheitliche Abkehr der Hersteller und Importeure von Agentursystemen auch bei E-Fahrzeugen ist ein Bekenntnis zum Vertragshandelssystem und zur hohen Kompetenz und Leistungsfähigkeit des Handels", sagt ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn.

Und das Agentur-Beben könnte noch weitergehen, meint Prof. Stefan Reindl, Chef des Instituts für Automobilwirtschaft. Die Agenturpläne seien zu einer Zeit vor Corona entworfen worden, als die Neu- und Gebrauchtwagenmärkte noch intakt und betriebswirtschaftlich interessant waren.

"Diese Situation ist aktuell nicht mehr gegeben, weshalb ich damit rechne, dass andere Automobilhersteller und -Importeure nochmals genauer hinschauen, ob die erwarteten Effekte der Agentur tatsächlich verwirklicht werden konnten", so Reindl.

Insgesamt macht der Experte vier Gründe für das Zurückrudern aus:

1. Im Agenturmodell stehen die Fahrzeuge in der Bilanz der Hersteller. Die finanzwirtschaftlichen Herausforderungen und Risiken, die mit der Finanzierung und Kapitalbindung in den Fahrzeugbestand verbunden sind, wurden unterschätzt
2. Börsennotierte Unternehmen mit dieser stärkeren Vorwärtsintegration im Automobilvertrieb sind bei der Bewertung durch Anleger tendenziell im Nachteil.
3. Die bisherigen Software-Lösungen waren auf den Vertragshandel ausgelegt und sind häufig nicht in der Lage, Agenturgeschäfte abzuwickeln.
4. Der Widerstand von Händlern, die das Agenturmodell als Einschränkung ihrer unternehmerischen Freiheit betrachten und die Agentur-Provisionen gleichzeitig als zu niedrig empfinden. Zudem sei angesichts eines schleppenden Neuwagenabsatzes nicht zu unterschätzen, dass Händler im Vertragshandel unternehmerisch stärker in der Pflicht stehen, den Absatz und damit ihr eigenes Betriebsergebnis positiv zu beeinflussen.

Dass das Thema Agenturvertrieb endgültig zu den Akten gelegt wird, ist aber auch nicht zu erwarten. Nun werden die Lehren aus den gescheiterten Versuchen gezogen. Und so mancher Agentur-Versuch köchelt auf niedriger Flamme weiter vor sich hin: Volkswagen etwa lässt in Deutschland nach aktuellem Stand das Agenturmodell bei Cupra weiterlaufen und Stellantis hält an der Agentur in den Pilotmärkten Österreich, Belgien und den Niederlanden fest.

"Es könnte sein, dass stärker durchdachte Agentursysteme wieder belebt werden", meint auch Reindl. Diese Vertriebsmodelle könnten richtig ausgestaltet durchaus vorteilhaft für beide Seiten sein, so der Experte.

Das sieht man auch beim ZDK so. Man sei nicht grundsätzlich gegen die Neuausrichtung von Vertriebssystemen. Nötig seien aber "klare Verhältnisse" und "eine Ausgestaltung, die für beide Vertragsparteien auskömmlich und profitabel ist und klaren rechtlichen Regelungen unterliegt", meint ZDK-Präsident Arne Joswig.