"Ein Bild gegen Reichweitenangst": Brauchen Elektroautos eine andere Werbung?

Der Markt für Elektroautos kommt in Deutschland nicht in Schwung. Gründe, sich gegen ein reines E-Auto zu entscheiden, finden Verbraucher viele. Einer dominiert seit Jahren diverse Umfragen: die mangelnde Reichweite.

Beim DAT-Report 2019 nannten 60 Prozent der Verbraucher die zu geringe Reichweite als entscheidenden Faktor gegen den Kauf eines Elektroautos. Fünf Jahre später hielt laut DAT-Report dies noch jeden Zweiten (50 Prozent) vom E-Auto-Kauf ab.

Dabei hat die Batterieentwicklung große Sprünge gemacht. Laut ADAC-Ecotest schafft der BMW iX mehr als 600 Kilometer, Mercedes EQS und Porsche Taycan sind knapp darunter. Auch Volumenmodelle halten mit: Ein Hyundai Ioniq 6 kommt auf mehr als 550 Kilometer, Skoda Enyaq und VW ID.3 auf etwa 100 Kilometer weniger.

Trotz großer Fortschritte bei der Batterietechnik sinkt die Skepsis nur langsam. "Die Wahrnehmung ist Realität, selbst wenn es objektiv nicht mehr gegeben ist", sagt Professor Martin Fassnacht, Direktor des Lehrstuhls für Strategie und Marketing an der Otto Beisheim School of Management (WHU).

Allerdings: Im Vergleich zu Verbrennern schneiden viele E-Modelle mit Blick auf die Reichweite immer noch schlechter ab. Auch das Laden ist häufig unbequemer und langwieriger

Zudem "waren die Hersteller mit ihren Reichweitenangaben oft zu optimistisch", so Fassnacht: "Das hat sich bei den Verbrauchern eingebrannt. Das zu ändern ist schwierig." Zumal die Reichweite eine Basisleistung sei, die jeder erwarte.

Doch wollen die Hersteller ihre CO2-Ziele im nächsten Jahr erreichen, müssen sie auch daran arbeiten, dass die Skepsis der Verbraucher zu senken. Eine Herausforderung für die gesamte Branche. Und eine Chance für eine gemeinsame Aktion?

Es wäre nicht das erste Mal: Vor mehr als einem Jahrzehnt schlossen sich die fünf deutschen Hersteller plus Bosch mit dem Verband der Automobilindustrie zusammen und starteten in den Vereinigten Staaten zusammen die Kampagne "Clean Diesel. Clearly Better".

Gemeinsam wollten sie dem Diesel ein neues Image verpassen. Dann kam der Diesel-Skandal und damit das Ende der Kampagne.

"Auch wenn Reichweitenangst ein Thema ist, das die gesamte Branche betrifft, muss es aus Kommunikationssicht von einem Hersteller aufgegriffen werden", meint Fassnacht. "Hebt sich ein Hersteller mit einer besseren Reichweite ab, ist dies ein klarer Wettbewerbsvorteil. Das bringt ihm einen Pionierstatus ein."

Doch eine verfestigte Einstellung wieder aufzubrechen, braucht langen Atem. "Das darf keine Werbekampagne über ein oder zwei Wochen sein", sagt der Marketing-Professor. Reichweite müsse den Verbrauchern dauerhaft kommuniziert werden.

Dies ist ein Ansatz von Roman-Geoffrey Lukowski und seinen Kollegen bei der Werbeagentur Thjnk. "In den meisten Kampagnen versuchen wir, Verbraucher mit drei Kernbotschaften zu erreichen, auf die sie bei elektrischen Fahrzeugen am häufigsten achten: Reichweite, Ladegeschwindigkeit und Beschleunigung des Fahrzeugs."

Seit 2006 arbeitet die Agentur für Audi. Zunächst unter dem Namen KemperTrautmann, mitgegründet vom Ex-Audi-Marketingchef Michael.

Gerade für Audi, das in den nächsten Monaten vor einer großen Modelloffensive steht, ist es wichtig, dass die Elektroautos ankommen. "Wenn die Vielfalt größer wird, merken Verbraucher, dass für jeden etwas dabei ist. Aber das braucht Zeit", so Lukowski, der den Thjnk-Audi-Etat als Kreativchef betreut. "Für die Hersteller ist das natürlich herausfordernd, weil sie diese Zeit überbrücken müssen."

Zudem ist das Thema nicht ganz einfach zu kommunizieren. "Vergleiche ich zwei Autos, sind harte Zahlen das entscheidende. Mit Blick auf die Marke gelten emotionale Komponenten", sagt Lukowski. Er versucht technische Aspekte mit menschlichen Geschichten zu vermitteln. Lukowski: "Werbung braucht einen Mehrwert, der kommunikativ unterhaltsam verpackt ist."

Das ist Audi-Kreativen schon öfter gelungen: Durch den Wackel-Elvis lernten die Verbraucher die Vorteile des Multitronic-Getriebes kennen; Mitte der 1980er Jahre schickte der Hersteller dann sein Vorzeigemodell Audi 100 Quattro eine Ski-Schanze hoch.

"Ich nutze in meinen Vorlesungen den Werbeclip immer noch als positives Beispiel", sagt Fassnacht mit Blick auf den Ski-Schanzen-Spot. "Das ist 'Vorsprung durch Technik'".

Damit sich das Thema in den Köpfen verankert, ist aus seiner Sicht eines entscheidend: "Bilder, Bilder, Bilder – die Hersteller müssen in ihrer Kommunikation ein Bild gegen Reichweitenangst entwickeln." Dieses müsse selbst erklärbar sein.

Die Kreativen sind also gefragt: "Eine so ikonische Werbung wie der Ski-Schanzen-Spot von Audi bei der Einführung der Quattro-Technologie ist beim Thema Reichweite noch keinem gelungen", sagt Lukowski. "Aber wir bleiben dran."