Exklusiv: BMW verschiebt Start des Agenturmodells

Nur noch wenige Autohersteller halten am Agenturvertrieb fest. BMW ist einer von ihnen. Doch nun kippt der Zeitplan: BMW hat bei seiner Kernmarke die Starttermine in sämtlichen europäischen Märkten aufgehoben. Am vergangenen Freitag wurden die Vertriebspartner der Münchner darüber in Kenntnis gesetzt.

Man prüfe "geringfügige Anpassungen im Zeitplan für den Hochlauf der BMW-Markteinführungen in den einzelnen Märkten", bestätigte ein BMW-Sprecher auf eine Frage der Automobilwoche zu den Agenturplänen. So stelle man "eine optimale Umsetzung der Prozesse bei gleichzeitig höchstmöglicher Qualität sicher".

Eigentlich sollten die ersten europäischen BMW-Märkte Anfang 2026 in das neue Vertriebssystem wechseln, darunter auch der deutsche Heimatmarkt. Einen neuen Starttermin gibt es nicht.

Dies soll aber nicht der Anfang vom Ende der Agentur sein. Man sei zu hundert Prozent entschlossen, die Agentur einzuführen, berichten Konzerninsider. Es müsse aber sichergestellt sein, dass das Agenturmodell vom ersten Tag an perfekt laufe. Erst dann geht es los. "Das echte Agenturmodell ist das zukunftsfähige Vertriebsmodell für Europa", so ein BMW-Sprecher.

Hintergrund des Schritts sind die Erfahrungen bei Mini. Anfang 2024 hatte BMW in Italien, Polen und Schweden und später, im Oktober, unter anderem auch in Deutschland den Mini-Vertrieb umgestellt. Dort gab es in der Folge spürbare Anlaufschwierigkeiten, weil Prozesse und IT-Systeme nicht wie vorgesehen funktionieren und den Vertrieb hemmen. Das will man bei der Kernmarke nicht riskieren.

Denn hier geht es um viel: Während Mini beispielsweise in Deutschland 2024 auf rund 33.000 Neuzulassungen kam, sind es bei BMW 233.000. Probleme in den Prozessen und Systemen bei Mini sind ärgerlich, aber angesichts der geringeren Fahrzeugvolumina verschmerzbar. Bei der ungleich größeren Marke BMW können sie sich dagegen schnell zu veritablen Krisen auswachsen.

Probleme bestätigt auch BMW selbst. "Der Wechsel in das echte Agenturmodell ist das größte Vertriebsprojekt mit der größten Anzahl an neuen / veränderten Systemen, die es je in der BMW Group gab. Kleinere Reibungen sind bei einem Projekt dieses Ausmaßes völlig normal", sagt ein BMW-Sprecher.

Die Partner im Handel werden konkreter. "Die Agentur bei Mini läuft medium gut", berichtete ein Händler, der anonym bleiben will, schon im Dezember. Der Konzern stelle sich etwa mit komplizierten Prozessen, die Verkäufer und Kunden abschrecken, oft selbst ein Bein. "Vieles hat man sich vorher leichter vorgestellt, als es in der Praxis ist", bestätigt ein anderer BMW-Partner. In den Systemen seien zudem anfangs nicht alle Kauf-Szenarien und Eventualitäten abgedeckt gewesen, der Hersteller muss seitdem im laufenden Betrieb nacharbeiten.

Einer dieser Sonderfälle war etwa der Kauf eines Autos durch gewerbliche Selbstständige. Händler mussten diese Kunden mitunter vertrösten und heimschicken, bis mit Mini eine manuelle Lösung gefunden war. Auch Aufträge gewerblicher Großkunden konnten in einigen Fällen nicht abgebildet werden. Gerade bei BMW mit einem hohen Firmenkundenanteil wäre das fatal.

Die mauen Neuzulassungszahlen und gesunkenen Auftragseingänge ab Oktober in Deutschland seien neben dem fehlenden Umweltbonus und dem komplett überarbeiteten Produktportfolio zu einem Teil auch auf die Probleme mit der Agentur zurückzuführen, heißt es aus Konzernkreisen. Auch der Einbruch der Mini-Neuzulassungen in Italien um 34 Prozent dürfte zum Teil an den Problemen mit der dort bereits zu Jahresbeginn gestarteten Agentur liegen.

Derartiges will BMW bei seiner Kernmarke um jeden Preis vermeiden. Auf Basis der Erfahrungen mit Mini will sich der Hersteller jetzt detailliert auf jede denkbare Anforderung vorbereiten und in Prozessen und IT hinterlegen.

Der Rollout des Agenturmodells bei Mini läuft dabei wie ursprünglich geplant weiter, bestätigt BMW. Im März soll neben Spanien, Portugal, Irland und den Niederlanden auch der wichtigste Volumenmarkt von Mini, Großbritannien, mit dem Agenturvertrieb starten.

Im Handel hatten viele mit Anlaufschwierigkeiten gerechnet und vorab Lager aufgebaut, um diese abzufedern. "Im ersten Monat haben wir noch zu zwei Dritteln Wholesale-Ware und ein Drittel-Agentur-Fahrzeuge verkauft", berichtet der BMW-Partner. Im Januar dann habe sich das Verhältnis gedreht.

Die Verkaufszahlen seien dadurch in Summe stabil geblieben, der Hochlauf habe insofern gut geklappt. Seit Januar gebe es einen deutlich positiven Trend bei den Auftragseingängen, heißt es auch aus dem Konzern.

Trotz der Probleme zeigen sich die meisten Mini-Partner von der Agentur überzeugt. "Es gibt kaum Händler, die das Agenturmodell bei Mini nicht mögen", sagt der BMW-Partner. Er habe deutlich weniger Kosten, etwa in der Einkaufsfinanzierung, und gleichzeitig Zugriff auf viel mehr Ware. "Ich hoffe sehr, dass BMW bei der Agentur keinen Rückzieher macht."

Die gab es in der Branche zuletzt häufiger. Erst zum Jahresende gab der VW-Konzern bekannt, wieder ins Händlermodell zurückzukehren. Zuvor hatte Stellantis seine Agenturpläne auf Eis gelegt.

An den Börsen betrachtet man den Agenturvertrieb derzeit abwartend. Mancher Hersteller stelle derzeit fest, dass sich die erhofften Erträge der Agentur nicht eingestellt hätten, meint etwa LBBW-Analyst Frank Biller. Jedoch: "Ein pauschales Urteil über das Agenturmodell ist derzeit nicht möglich."

Es gebe noch von keiner Marke Langzeitdaten. Zudem hänge die Bewertung maßgeblich von der aktuellen wirtschaftlichen Gesamtlage ab. Auch bei BMW sei es zu früh für eine "finale Einschätzung der Vorteilhaftigkeit".

Aktuell jedoch sind die Händler im Vorteil. "Habe ich attraktive Produkte, zahlungskräftige Verbraucher und niedrige Zinsen, ist die Agentur für Hersteller sehr gut. Momentan ist leider eher das Gegenteil der Fall", so Biller. Die gestiegenen Zinsen lassen die Kosten für die Finanzierung der derzeit tendenziell wachsenden Fahrzeugbestände anschwellen. "Der Agenturvertrieb bindet ungeheure Mengen an Kapital. Hier muss man genau kalkulieren", sagt Biller.

Doch gerade bei Premiumherstellern wie BMW oder Mercedes könnte die Rechnung aufgehen: Diese sind weit weniger von hohen Verkaufsvolumina abhängig als Marken wie VW oder Fiat und können daher auf den ein oder anderen Verkauf zugunsten stabiler Preise verzichten.

Hinzu kommen eine gute Bonität und daher im Vergleich zu anderen Herstellern günstige Zinsen. "Bei Herstellern mit Investment-Grade-Bonität wie Volkswagen, BMW oder Mercedes rechnet sich die Agentur viel eher als bei High-Yield-Herstellern (Anmerkung: gemeint sind Hersteller mit schlechterer Bonität, die für ihre Anleihen mehr Zinsen zahlen müssen, die Red.) wie Stellantis", sagt Biller.