Gebrauchtwagen fehlen: Woran das liegt und was der Handel tun will

Erst fehlten die Neuwagen, jetzt sind es die Gebrauchten. Die längst überwundene Lieferkrise in der Automobilindustrie wirft einen langen Schatten. Und dieser erreicht nun den Gebrauchtwagenmarkt. Dort droht in einigen Bereichen Mangel. 

"In der Corona-Zeit sind die Pkw-Neuzulassungen erheblich gesunken. Das wird nun, wo der Gebrauchtwagenmarkt wieder in Schwung kommt, zu einer Lücke in der Versorgung mit zwei- bis dreijährigen Gebrauchtwagen führen", sagt Philipp Kranich, Senior Manager bei der Retail-Unternehmensberatung rpc.

Wurden von 2015 bis 2019 in Deutschland insgesamt rund 17,04 Millionen Autos neu zugelassen, waren es von 2020 bis 2024 nur noch 13,89 Millionen – 3,16 Millionen Autos weniger. 

"Die Lieferengpässe der letzten Jahre machen sich jetzt definitiv in einer Verknappung des Angebots an zwei- bis dreijährigen Gebrauchtwagen bemerkbar", sagt Sven Schmidt, Deutschland-Geschäftsführer des Auto-Auktionsanbieters BCA.

"Obwohl junge Gebrauchtwagen derzeit sehr attraktive Preise erzielen, beobachten wir einen Rückgang der in Zahlung genommenen Fahrzeuge."

Die aktuelle Wirtschaftskrise könnte den Mangel noch verschärfen, befürchtet Kranich. Durch den allgemeinen Abschwung verlängerten viele Firmen Leasingverträge, anstatt neue Autos in die Flotten zu nehmen. 

Die Fahrzeuge kämen dadurch später und in einem anderen Alterssegment als geplant auf den Markt. "Das lässt den ohnehin geschrumpften Nachschub an jungen Gebrauchtwagen weiter sinken." Zugleich normalisiert sich die Gebrauchtwagennachfrage wieder auf Vorkrisenniveau. Seit dem Tiefpunkt im Jahr 2022 mit 5,64 Millionen Besitzumschreibungen stieg die Zahl der Halterwechsel in Deutschland auf zuletzt 6,48 Millionen.

Ein genereller Gebrauchtwagenmangel ist aber nicht zu befürchten. "Hatten wir 2023 durchschnittlich 3000 Fahrzeuge täglich online, so kommen wir aktuell nicht selten an die 4000 ran", sagt Peter Lindner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Auktionsanbieters Auktion & Markt. 

Doch gerade Markenhändler könnten dennoch vor Problemen stehen. Diese sind durch den Erstzugriff auf Leasingrückläufer ihrer Marken vor allem bei jungen Gebrauchten stark. Das Durchschnittsalter von Gebrauchtwagen im Markenhandel lag 2024 nach Zahlen der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) bei 3,9 Jahren. Im freien Handel liegt der Altersschnitt bei 8,3 Jahren.

"Markenhändler müssen die Fahrzeugsegmente ab vier Jahren erobern. Der Vertragshandel hat hier die letzten 50 Jahre kaum mitgespielt. Doch der Markt ändert sich. Die Händler müssen jetzt reagieren" fordert Christian Wittmann, Principal bei der Unternehmensberatung rpc. Das Gebrauchtwagengeschäft der Markenhändler sei "unter Feuer"

Ohne Risiko ist der Schwenk auf ältere Gebrauchte nicht. Die Autos haben meist mehrere Vorbesitzer, viele Kilometer und Unsicherheiten in Bezug auf Wartungs- und Reparaturhistorie. Hinzu kommt das Risiko manipulierter Tachos. "Wer keine Erfahrung hat, kann hier viel falsch machen", sagt Wittmann.

Für Auktionsanbieter hingegen birgt die Situation die Chance, den Käuferkreis zu erweitern und mit stabilen Preisen neue Einlieferer zu gewinnen. Laut Auktion & Markt nutzen derzeit erst rund 40 Prozent der Händler regelmäßig Auktionsplattformen für den Zukauf. 

"Der einzelne Händler muss sich schon genau umschauen, wo er die zu ihm passende Handelsware zu einem akzeptablen Preis zukaufen kann", so Lindner. Hierfür seien B2B-Auktionsplattformen das Mittel der Wahl. "Trotz möglicher allgemeiner Knappheit in bestimmten Fahrzeugsegmenten oder Altersklassen schaffen es diese Plattformen meist, eine besonders große Auswahl an Fahrzeugen anzubieten", so Lindner.

Maßgeblich dafür ist ein möglichst großer Kreis an Einlieferern in ganz Europa. Um die begehrte Ware auf die Plattformen zu bekommen, arbeiten die Auktionsanbieter fieberhaft daran, neue Märkte zu erschließen. "Wir expandieren derzeit kontinuierlich in neue Märkte und diversifizieren uns", sagt Schmidt. Damit eröffne man Händlern neue Bezugsquellen und erweitere zugleich die Käuferbasis für Einlieferer. 

Kranich rechnet mit mehr Wettbewerb. "Es wird unter den Auktionsanbietern ein Kampf um Leasinganbieter und große Firmenflotten entbrennen, um sich Zugriff auf deren begehrte Ware zu sichern."

Begehrt sind indes vor allem Verbrenner. Gebrauchte E-Autos erweisen sich vielerorts als Ladenhüter. Laut DAT kosten gebrauchte BEVs nach drei Jahren noch rund die Hälfte des Neupreises – mehr als zehn Prozent weniger als vergleichbare Benziner. 

Ein Mangel an jungen Verbrennern könnte Gebraucht-BEVs daher für Kunden attraktiver machen und die Nachfrage nach ihnen befeuern. Kranich: "Händler haben die Chance, das schleppende Geschäft mit gebrauchten E-Autos endlich zum Laufen zu bringen."