Wie BYD aus Shenzhen die globale Expansion plant

Die Lobby des BYD-Headquarters hat die Größe mehrerer deutscher Mehrzweckhallen. Hier stehen die Modelle der Konzernmarken, allesamt batterieelektrische Fahrzeuge und Plug-in-Hybride. Die Zeiten reiner Verbrenner sind vorbei. Auf dem Vorplatz hat der Autohersteller demonstrativ zwei Modelle seiner Luxusmarke Yangwang geparkt, namens U8 und U9. Ein bisschen Eindruck machen für die vielen Besuche dieser Tage.

Alles ist groß bei BYD. In der Hauptverwaltung in Shenzhen arbeiten 8000 Menschen, auf dem ganzen Gelände mit Werken und Entwicklungszentren sind es 60.000. Ganze Schluchten von Wohnhäusern stehen hier, damit die Arbeiter nach einem Arbeitstag nicht den langen Weg nach Hause antreten müssen.

Die Hauptkantine bietet 20.000 Arbeitern gleichzeitig Essen. Und Shenzhen selbst: Was vor 40 Jahren ein Bauerndorf war, ist heute das chinesische Herz der Technologiewirtschaft. In der Provinz leben aktuell so viele Menschen wie in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zusammen. Und überall werden unzählige weitere Hochhäuser hochgezogen.

Hier, am Konzernsitz in Shenzhen, bekommt man einen guten Eindruck davon, wo BYD hinwill: Durch Innovation den globalen Markt aufrollen. 2023 verkaufte das Unternehmen drei Millionen Autos, die Wachstumskurve zeigt steil nach oben. BYD ist bereits in Europa, Asien und Lateinamerika gestartet. In Mexiko, Usbekistan oder Jordanien können die Menschen seit vergangenem Jahr BYD fahren.

Ausrufezeichen für die Europa-Offensive war der überdimensionale Autotransporter mit dem BYD-Zeichen am Rumpf, der Ende Februar in Bremerhaven einlief und 3000 Fahrzeuge an Bord hatte. BYD begann 2021 mit dem Verkauf von Autos in Europa, zunächst in Norwegen, später folgte unter anderem Deutschland. 2023 verkaufte der Konzern rund 15.600 Fahrzeuge auf dem Kontinent.

BYD befindet sich in Europa noch in der Startphase. Nicht alles ist rund gelaufen. Das Tempo soll jetzt aber deutlich erhöht werden. Wofür auch BYDs Topmanagerin Stella Li als neue Chairwoman verantwortlich ist. „Ich komme, um zu helfen“, sagt Li im Gespräch mit Journalisten.

Deutschland ist für Li ein Schlüsselmarkt. Es auf diesem großen, umkämpften Markt zu schaffen, ist für Li wie ein Lackmustest. BYD erwartet sich auf dem Kontinent einen Schub durch das geplante Werk in Ungarn. Ab Anfang 2026 soll dort produziert werden. Die Fabrik in dem Ort Szeged wird eine Kapazität für 150.000 Autos pro Jahr haben. BYD wolle „ein europäisches Unternehmen“ werden, so lautet die Strategie. Eine lokale Produktion und lokale Strukturen trügen stark dazu bei. Li: „Wenn Sie in einer Region Autos verkaufen wollen, sollten Sie auch dort investieren.“

Und die Modellpalette soll schnell größer werden. Im Frühling kommt das Plug-in-SUV Seal U DM-i (U steht für Utility, DM für Dual Mode) auf den europäischen Markt. Mit dem neuen Modell sowie Han, Tang, Atto 3, Dolphin und Seal (als BEV) hat BYD dann sechs Modelle für Europa im Handel. Ein siebtes Modell werde, so hört man, nicht lange auf sich warten lassen. Und zudem bringt die Schwestermarke Denza, die preislich etwas höher positioniert ist, zwei neue Autos nach Europa.

BYD hat sich im Handel für das traditionelle Vertriebsmodell entschieden und nicht für das Agenturmodell, zu dem bald einige europäische Automobilhersteller übergehen (wollen). BYD hat  Verträge mit mehr als 50 Partnern geschlossen. Es sollen weitere hinzukommen. In Deutschland steht das Netz mit sieben Partnern, darunter Stern Auto, Senger, Reisacher und Ries.

BYD ist neben seinen Fahrzeugen unter anderem für seine Batteriekompetenz, seine Chipherstellung und andere Technologien bekannt. Die Fertigungstiefe liegt nach BYDs Aussage bei mehr als 70 Prozent. So hat das Unternehmen immer die Kontrolle.

Gegründet im Jahr 1995 als kleiner Batteriefertiger für Handys, war das Unternehmen 2003 in den Automobilbau eingestiegen – im gleichen Jahr wie Tesla. Zwar hat BYD zunächst sein Geld mit Verbrennern verdient, ist aber inzwischen komplett auf BEV/PHEV umgestiegen und hat sich der „Zero-Emission“-Philosophie verschrieben. Die hauseigenen Blade-Batterien, bei denen die Zellen in Schienen angeordnet sind und die eine andere Zellchemie haben als Lithium-Ionen-Batterien, sind der Stolz des Unternehmens. Sie sind zwar weniger leistungsfähig, aber so günstig, dass BYD seine Modelle vergleichsweise preiswert anbieten kann.

Allerdings tritt BYD auf dem Weltmarkt nicht nur gegen europäische und koreanische Konkurrenten an, sondern auch gegen die vielen chinesischen Marken. So ist in Europa der Wettbewerber MG aus dem SAIC-Konzern mit weitem Abstand der größte chinesische Anbieter. Der chinesische Konzern Chery will schon in wenigen Monaten mit einer europäischen Produktion in Barcelona beginnen und ist damit der Konkurrenz voraus.

In China selbst ist BYD zwar größter NEV-Anbieter (New Energy vehicle), also bei batterieelektrischen Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden. Aber unterm Strich ist Volkswagen wegen des Verkaufs reiner Verbrenner noch größer, der bei BYD keine Rolle mehr spielt.

„Das Ziel ist klar: ein globales Unternehmen werden“, sagt Li. Die Executive Vice President erwartet sich einen Wachstumsschub für 2024, bleibt aber vorsichtig. Der Absatz von 3,0 soll auf 3,5 Millionen Einheiten steigen. Und Li schiebt nach: „Mindestens.“