Elektrischer Explorer: Warum Fords Hoffnungsträger zum Erfolg verdammt ist

Ford legt an diesem Dienstag endlich den Hebel um für die Massenfertigung des ersten elektrischen Ford-Modells in Europa, das im wichtigsten Segment des Marktes vorfährt – dem Segment der kompakten SUVs.

Der rein elektrische Explorer kommt fast ein Jahr später als ursprünglich geplant auf den Markt, ausgerechnet in einer Zeit nachlassender Elektro-Konjunktur. Zudem ist der Stromer von Ford im ohnehin höherpreisigen Elektrosegment kein Schnäppchen.

Europachef und Ford-Werke-Chef Martin Sander erklärte zum Serienstart: "Heute beginn eine neue Ära für Ford in Europa. (...) Nach einer Investition von zwei Milliarden Dollar hat das Team ein historisches Werk, das 1930 gegründet wurde, in eine hochmoderne Fabrik der Zukunft verwandelt."

Für Ford hat das SUV-Segment überragende Bedeutung in Europa, denn mit dem Auslaufen des Fiesta im vergangenen Sommer und dem angekündigten Aus des Focus im Werk Saarlouis im Sommer 2025 steht die amerikanische Marke in Europa im Pkw-Segment stark ausgedünnt da. Derzeit verhelfen nur der Kuga und das beliebte Kleinwagen-SUV Puma der Marke noch zu einer sichtbaren Präsenz im Pkw-Geschäft.

Rein elektrisch ist die Marke in Europa ein Nachzügler, was Ford lange nicht beunruhigte, weil die breite Verbrenner-Palette ordentlich lief und dann die Plug-in-Hybride für Rückenwind sorgten. Doch diese Phase ist vorbei und Ford bekommt nun das Fehlen eines massentauglichen Stromers massiv zu spüren.

In Europa war Ford per Ende April nur noch die zwölftstärkste Marke – hinter Dacia, Hyundai und Kia. Bei den Modellen war der stärkste Ford zu diesem Zeitpunkt der kleine Puma, aber auch nur noch mit Rang neun hinter Modellen wie dem Citroen C3, dem Toyota Yaris oder dem Skoda Octavia.

Damit der Abstand zu den Rivalen nicht noch größer wird, muss jetzt der neue Explorer ein Verkaufsschlager werden. Doch der Marktstart fällt in eine Phase schwächeren Wachstums bei den Stromern. In Deutschland hat das abrupte Ende der Förderung im verganngenen Dezember viele Kunden abgeschreckt.

Das kompakte E-SUV basiert auf dem Modularen Elektrobaukasten des VW-Konzerns und teilt sich daher in technischer Hinsicht den Antriebsstrang mit dem VW ID.4.

Preislich wird es der neue Ford mit seinen 4,47 Metern Länge allerdings nicht leicht haben, denn zum Marktstart kommt nicht die günstigste Variante nur mit Frontantrieb und kleiner Batterie auf den Markt, sondern ein Hecktriebler mit größerer Batterie und 286 PS starkem Antrieb, der mindestens 49.500 Euro kostet.

Die Reichweite der dort verbauten 77 kW großen Batterie soll bei beachtlichen 602 Kilometern liegen. Zum Start hat Ford einen rabattierten "Aktionspreis" aufgerufen, der bei 48.510 Euro liegt. Die noch darüber liegende Allradversion kostet zum Start mindestens 53.200 Euro, hat aber auch einen 340 PS starken Antrieb und eine 79 kW große Batterie, die Reichweiten bis zu 566 Kilometer ermöglichen soll.

Wer günstiger Explorer fahren will, muss noch mindestens bis zum Jahresende warten. Dann soll ein reiner Hecktriebler mit einer kleinen Batterie folgen, die voraussichtlich 52 kW Kapazität haben wird und dann eine Reichweite von eher knappen 380 Kilometern ermöglichen dürfte. Dieser "kleine" Explorer soll mit einem Einstiegspreis von 42.500 Euro weitere Kundengruppen erschließen.

Während Ford somit beim Preis mit vielen guten und auch preiswerteren Wettbewerbern zu kämpfen haben dürfte, wird bei den Kunden ein anderer Aspekt positiv ankommen. Ford bietet den Explorer mit einem Zugang zu seinem neuen Ladenetzwerk "BlueOval" an. Es ermöglicht die Nutzung von gut 600.000 öffentlichen Ladestationen in 36 europäischen Ländern.

Teil dieses Netzes ist auch das Ladenetz von Ionity, das Zugang zu den begehrten DC- und Schnellladenetzen ermöglicht. Derzeit sind das in Deutschland gut 400 Stationen.

Bei den Lieferzeiten gibt Ford derzeit eine Wartezeit von elf Wochen ab Bestelleingang an – das wäre eine sehr gute Zeit für ein Bestellfahrzeug. Allerdings stehen bei anderen Herstellern zehntausende E-Autos fertig abholbereit auf den Höfen. Die Wartezeit beträgt dort null.

Wegen neuer Sicherheitsstandards und neuer Normen für Elektrofahrzeuge in Europa musste der ursprünglich für den Spätsommer 2023 geplante Marktstart auf diesen Juni verschoben werden. Die von Volkswagen gelieferte Plattform samt Batterie-Pack sollte vom ersten Tag an tauglich sein für die neue Norm und nicht schon kurz nach dem Serienstart wieder geupdated werden müssen.