Ford-Insider: "Endgültig keine Eigenständigkeit mehr in Köln"

Nach dem plötzlichen Weggang von Ford-Europa-Chef Martin Sander zu Volkswagen hat Konzernchef Jim Farley die gesamte Europa-Organisation ins Visier genommen. Im Juni löste der Amerikaner den Vorsitz der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH in Köln auf und entmachtete sieben der zuletzt noch neun Geschäftsführer.

Damit verliert auch die europäische Organisation Ford of Europe wesentliche Kompetenzen. Zwar bleiben die bisher zuständigen Manager mit ihren Aufgaben betraut. Sie verlieren aber ihre Prokura und berichten ab Juli an Vorgesetzte in Detroit. Es soll nur noch maximal vier Geschäftsführer geben, aber keinen Vorsitzenden mehr.

Nur zwei der bisherigen Geschäftsführer verbleiben im Amt: Vertriebs- und Marketingchef Christian Weingärtner sowie Produktionschef Rene Wolf. Der langjährige Personalchef Rainer Ludwig erklärte, mit 57 Jahren in den Ruhestand zu wechseln.

Kieran Cahill, Aufsichtsratschef der Ford-Werke GmbH, hielt sich nicht lange mit Dankesbekundungen auf und ließ mitteilen: "Diese Veränderungen vereinfachen unsere Verwaltungs- und Führungsstruktur in Deutschland, steigern die Handlungsgeschwindigkeit und erlauben dem Management-Team, sich voll auf seine operativen Aufgaben zu konzentrieren und Ford in eine erfolgreiche Zukunft zu führen."

Daran zweifeln in Köln mittlerweile allerdings nicht mehr nur weitere 14.000 Mitarbeiter in der Fertigung, sondern auch langjährige Führungskräfte.

Eine gut informierte Person aus dem Umfeld des Unternehmens sagte der Automobilwoche, mit dem Zusammenstreichen der Geschäftsführung und dem Wegfall der Vorsitzenden-Funktion verliere die Ford-Werke GmbH ihre Existenzberechtigung. "Seit 2022 hat Detroit schon viele Strukturen in Europa herausgenommen, doch mit den jetzigen Entscheidungen gibt es endgültig keine Eigenständigkeit mehr."

Einen Nachfolger für Sanders wird es nicht geben. Einen Teil der Aufgaben übernimmt Fords General Manager Jon Williams. Hinter der Entmachtung steckt laut dem Insider die Erkenntnis von CEO Jim Farley, dass Ford 98 Prozent seiner Gewinne in Nordamerika verbucht. "Da stellen sich extreme Fragen."

Die nur noch knapp 250.000 Neuzulassungen in ganz Europa (EU, UK, EFTA) 2023 und wohl rund 400.000 im laufenden Jahr rechtfertigen keine große Organisation mehr. "Damit kann man nicht leben." Schwierig werde es, wenn sich irgendwann auch die Kunden fragen, ob Ford in Europa als Pkw-Marke fortbestehen werde.

Ford hatte im Juli 2023 in Köln die Produktion des Fiesta eingestellt und angekündigt, auch die Focus-Fertigung in Saarlouis 2025 zu beenden. Im spanischen Kuga-Werk Valencia sollen weiter bis zu 160.000 Stück hergestellt werden. Zudem schloss Ford zur Jahresmitte sein Forschungszentrum in Aachen, an dem bislang 200 Mitarbeiter beschäftigt waren.

Es habe immer schon ein Ringen zwischen Köln und Detroit über die notwendigen Investitionen gegeben, so der Insider. Zwar seien zwei Milliarden Euro in den Umbau des Kölner Werks zum "Cologne Electric Vehicle Center" geflossen. Doch diese Mittel hätten nur für die Entwicklung von zwei neuen Autos gereicht.

Zudem sei das Geld nur scheibchenweise gekommen. "Aus Amerika kam immer das Argument, was sollen wir in Europa investieren, verdient wird in Amerika." Das Kernproblem von Ford in Europa bestehe im zu kleinen Portfolio. "Neben dem richtig guten Explorer und dem darauf aufbauenden Capri gibt es faktisch nichts Neues – und die Folgen davon sehen wir jetzt."

Wesentlich fehle es an einem bezahlbaren Elektroauto im B-Segment. "Ford hat in Europa eine erfolgreiche Transformation hingelegt – aber dann wurde der Hahn zugedreht." In dieser Situation sei die Kooperation mit VW entstanden.

Um den Deal zum Bau von VW-Transportern für Ford Otosan in der Türkei zu erhalten, habe man der Einführung der MEB-Plattform für den ersten elektrischen europäischen Ford-Pkw zugestimmt. "Das war damals richtig, man hatte ja nichts in der Pipeline. Aber es kam auch nichts Eigenes dazu."

Der Konzernchef hat laut dem Vertrauten die Europäer letztlich enttäuscht. "Man dachte in Köln, Farley sehe als ehemaliger Europa-Chef das Geschäft hier. Aber er spricht immer nur davon, wie gering die Margen in Europa sind."