Seit Dienstag hat die IAA Transportation ihre Tore für Besucher aus aller Welt geöffnet. Die Messe zeigt fünf Trends, die das Transportwesen der Zukunft prägen werden.
IAA Transportation: Fünf wichtige Erkenntnisse
Bis 22. September präsentiert sich auf der IAA Transportation die internationale Nutzfahrzeugbranche. Unser Reporter Michael Gerster hat die Messe vorab besucht.
Pkw-Messen in der westlichen Welt hatten es zuletzt schwer. Der Autosalon in Genf hat für immer die Pforten geschlossen, Paris kämpft gegen wieder mal leere Hallen, die IAA Mobility in München kann noch nicht an alte Zeiten anknüpfen. Bei der IAA Transportation in Hannover dagegen ein anderes Bild. Mit über 1700 Ausstellern aus 42 Ländern verzeichnet die Messe einen neuen Rekord.
Das klassische Konzept mit großen Ständen und vielen Produkten kommt gut an. Bis zum 22. September werden rund 130.000 Besucher erwartet. Nicht nur die großen Player wie Daimler Truck, Traton, Volvo oder Iveco sind am Start, sondern auch alle namhaften Zulieferer von Bosch bis Valeo.
Auffallend, dass wie bei den Pkw die chinesischen Aussteller inzwischen einen große Präsenz haben. Marken wie Sitrak zeigen ein komplettes Portfolio samt Langstrecken-Lkw mit Brennstoffzelle oder rein elektrische Sattelzugmaschinen. Ob sie sich in Europa etablieren können, steht auf einem anderen Stern.
Zwar liegt der Anteil rein elektrischer Lkw in der EU mit unter zwei Prozent der Neuzulassungen im ersten Halbjahr noch auf niedrigem Niveau. Aber die Richtung ist klar vorgegeben. „Wir müssen den Transportverkehr klimaneutral machen – und zwar schnell“, sagt beispielsweise Noch-Daimler-Truck-Chef Martin Daum angesichts des aktuellen Hochwassers in Österreich, Tschechien und Polen.
Der Hebel ist groß, denn der Transportsektor ist global für ein Fünftel aller Emissionen verantwortlich. Bis 2030 könnten die Hälfte der Nutzfahrzeuge elektrisch fahren, so die Prognosen.
Die Produkte sind da. Fast alle Hersteller haben inzwischen batterieelektrische Lösungen vom Transporter bis zum schweren Lkw im Portfolio. Auch Fahrzeuge mit Brennstoffzelle sind an vielen Ständen zu sehen. Hier rechnen die Experten aber erst ab 2030 mit einer nennenswerten Marktdurchdringung.
Während mehr und mehr elektrische Lösungen für Nutzfahrzeuge verfügbar sind, desto drängender stellt sich die Frage nach der Ladeinfrastruktur. Fast alle CEOs richteten während der Messe dringende Appelle an die Politik, hier endlich für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) verwies auf die Initiative der Bundesregierung, wonach in den nächsten Jahren 350 Ladeparks mit 4200 Schnellladepunkten in Deutschland aufgebaut werden sollen. Die dafür benötigten Netzanschlüsse sollen möglichst schnell zur Verfügung gestellt werden.
Nicht gefährdet werden sollen dabei die privaten Initiativen der Unternehmen. So haben sich Daimler Truck, Traton und Volvo im Joint Venture Milence zusammengeschlossen, um entlang der europäischen Hauptachsen ein Netz mit 70 Ladeparks und 570 Ladepunkten in zehn Schlüsselmärkten zu etablieren. Möglichst schnell sollen hier auch so genannte Megawatt-Charger (MCS) installiert werden, die eine Leistung von 1000 Kilowatt und mehr bieten und die Ladezeit entsprechend verkürzen können.
Mit der Diversifizierung bei den Antrieben verändert sich auch das Geschäftsmodell der OEMs. So sinkt die Bedeutung des Anschaffungspreis, der früher die wichtigste Größe bei der Kaufentscheidung war. Jetzt dreht sich alles um die Gesamtbetriebskosten über den Lebenszyklus hinweg.
Denn obwohl ein elektrischer Lkw noch um den Faktor zwei teurer ist, kann er im Betrieb über die Einsparung von Maut, günstigeren Strom und weniger Reparaturen und Standzeiten dennoch günstiger sein als ein vergleichbarer Diesel-Lkw.
Viele Hersteller haben daher eigene Service-Einheiten gegründet, mit denen die die Kunden umfassend beraten – vom Kauf über die Installierung von Ladeinfrastruktur im Depot bis hin zum optimalen Betrieb der Flotte über entsprechende Apps. Statt dem Produkt entscheidet der individuelle Anwendungsfall über die richtige Lösung.
Der Unmut über die Regulierungswut in Brüssel ist überall deutlich zu spüren, ob bei Zulieferern oder OEM. Das betrifft nicht nur die Vorgaben für technologische Pfade, sondern auch die strengen CO2-Ziele selbst. „Regulierung ist ein Wachstumshemmnis“, so VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Dies habe sich in den vergangenen Jahren gezeigt. Der Standort Deutschland falle hinter andere Länder zurück, es gebe in Sachen Bestandsaufnahme keinen Interpretationsspielraum mehr. „Wir brauchen eine Deregulierungsoffensive“, so Müller. Unterstützung kam von Verkehrsminister Volker Wissing.
„Die Europäische Union riskiert ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie sich Ziele setzt, die sie nicht erreichen kann“, sagte er bei der Eröffnung der Messe. Er forderte eine vorzeitige Überprüfung der CO2-Ziele. Für Pkw solle diese 2025 und nicht wie geplant 2026 erfolgen. Für Lkw sei dies spätestens 2026 notwendig. „Klimaschutz und Industriepolitik müssen in Einklang gebracht werden.“