Frau Müller, täglich kommen neue Negativ-Schlagzeilen über die Wirtschaftslage in Deutschland dazu. VW-Vorstandschef Oliver Blume schließt Werksschließungen in Deutschland nicht mehr aus und spricht von einer 'Lage, die es nie zuvor gegeben hat.' Warum schlägt die Branche genau jetzt derart Alarm?
Zu einzelnen Unternehmen werde ich mich nicht äußern. Klar ist aber: Aktuell wird deutlich wie nie zuvor, dass die Standortbedingungen hierzulande kein 'Weiter so' mehr erlauben. Es stehen zehntausende Arbeitsplätze, ganze Werke und Wertschöpfungsketten auf dem Spiel. Der Druck ist wirklich extrem groß.
Unsere Warnungen, die wir seit langem vortragen, hat man zwar teilweise angehört, aber leider noch nicht die notwendigen Konsequenzen daraus gezogen. In Berlin und Brüssel gibt es zu viel Realitätsverweigerung.
Der am Montag veröffentlichte Report von Ex-EZB-Chef Mario Draghi schlägt Wellen. Zum Thema Zukunft der Automobilindustrie in Europa schlägt er ein Bündel von Initiativen vor, darunter eine Überprüfung der CO2-Flottengesetzgebung und mehr Technologieoffenheit, aber auch massive staatliche Investitionen. Wo unterstützt der VDA den Bericht, wo setzen Sie Fragezeichen?
Erste Analysen zeigen, dass der Draghi-Report den Finger in die Wunde legt und belegen, dass die EU in den vergangenen Jahren massiv an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Während für immer mehr Regulierung gesorgt wurde, hat Brüssel bei der Vertiefung des Binnenmarktes gleichzeitig eine seiner Kernaufgaben vernachlässigt.
Der Bericht zeigt deutlich, dass es kein Weiter-So in der EU-Wirtschaftspolitik geben darf. Die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft muss für die neue EU-Kommission höchste Priorität haben. Übrigens lässt sich vieles, das nun helfen würde, sogar ohne große Investitionen umsetzen, ich denke zum Beispiel an den Abschluss von Handelsabkommen.
Richtigerweise verdeutlicht der Bericht, dass Technologieoffenheit ganz entscheidend ist, um die Klimaziele zu erreichen, nicht nur im Verkehr. Die Politik kann CO2-Reduktionsziele setzen – entscheidend sind aber unterstützende Rahmenbedingungen, gerade mit Blick auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur.