Herr Engelmann, wie entwickelt sich das laufende Geschäftsjahr?
Nach derzeitigem Stand liegen wir beim Umsatz knapp unter dem Vorjahresniveau von rund 4,6 Milliarden Euro. Wir sehen, dass die Nachfrage in den Märkten weiterhin nicht so richtig anzieht. Das spiegelt sich auch in den Produktionszahlen der Fahrzeughersteller wider.
Auf der Ergebnisseite haben wir uns im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verbessert. Da sind wir auf einem guten, aber anspruchsvollen Weg. Es ist ganz klar unser Plan und die Erwartung, dass wir wieder deutlicher in die Gewinnzone kommen und auch kommen müssen.
Welche Marge wollen Sie erreichen?
Wir haben uns gemeinsam ein klares Ziel gesetzt, aber bitte haben Sie dafür Verständnis, dass ich das an dieser Stelle nicht nennen werde.
Und welches Ziel haben Sie mittelfristig?
Mittelfristig muss eine Rendite zwischen fünf und sieben Prozent machbar sein, diese ist zwingend notwendig, um Innovationen zu finanzieren. Die OEMs sollten ein Interesse an einer starken Lieferantenschaft haben, weil diese sie bei ihren Investitionen in neue Technologien entlasten kann.
Zulieferer und Fahrzeughersteller müssen sich gemeinschaftlich noch auf die neuen Rahmenbedingungen mit schwachem Wachstum, hoher Volatilität, schnelleren Produktzyklen, gestiegenen Kosten und gleichzeitigem Transformationsdruck anpassen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.
Sie haben ein Programm gestartet, um Optimierungspotenziale zu heben. Was wurde bislang erreicht?
Wir kommen gut voran, vor allem auch weil es ein ganzheitliches Programm ist, bei dem wir an verschiedenen Stellen ansetzen. Wir verhandeln mit unseren Kunden, wie wir mit den gestiegenen Projektaufwendungen und Volumenabweichungen umgehen.
Alle Kostenarten, seien es Material- oder Personalkosten, haben wir auf Einsparmöglichkeiten und unsere Werke auf weitere Ansätze zur Produktivitätssteigerung hin überprüft. Vor allem bei den Einsparungen im Bereich der Gemeinkosten haben wir bereits große Fortschritte erzielt.
Wie viel wollen Sie 2024 einsparen?
Wir zielen auf Einsparungen in Höhe eines dreistelligen Millionenbereichs ab.
Webasto will rund zehn Prozent seiner weltweit 16.600 Stellen abbauen. Wie verteilt sich der Stellenabbau regional?
Wir schauen in alle Regionen, wo Anpassungen nötig sind. Dabei setzen wir in den indirekten Bereichen derzeit vor allem auf die natürliche Fluktuation.
Wo es möglich ist, versetzen wir Mitarbeiter auf andere Stellen. Im Produktionsbereich haben wir auch schon Kapazitätsanpassungen vorgenommen.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
In China haben wir zwei Werke geschlossen und ein weiteres verkleinert. Wir wollen mit diesen Maßnahmen in diesem Jahr auf unsere Zielgröße kommen. Außerdem planen wir die Schließung eines Werkes in den USA.
Wie groß ist die Anzahl an Stellen, bei denen es tatsächlich zu Entlassungen kommt?
Den Großteil des Stellenabbaus 2024 werden wir durch den Wechsel von Mitarbeitenden in andere Unternehmen sowie Mitarbeitende, die in den Ruhestand gehen, realisieren können. In rund 20 Prozent des Stellenabbaus wird es voraussichtlich zu Entlassungen kommen.
Webasto hat sich vom Charging-Bereich getrennt. Gibt es weitere Unternehmensteile, die Sie ins Schaufenster stellen?
Dafür gibt es im Augenblick keine Pläne. Wir fokussieren uns klar auf das Dach- und das Elektrifizierungsgeschäft. Bei der Elektrifizierung liegt unser Schwerpunkt auf Batterien und auf dem elektrischen Heizen.
Wir subsumieren in diesem Bereich auch unsere klassische Standheizung und unser Aftermarketgeschäft, aber Schwerpunkt ist die Batterie.
Wie entwickelt sich Ihr Geschäft im Batteriebereich?
Wir haben uns sehr gut in diesem Markt etabliert. Wie unsere Kunden spüren wir aber, dass die Volumina bei den E-Fahrzeugen nicht so kommen, wie wir das alle erwartet haben.
Wir gehen fest davon aus, dass die Elektromobilität die Zukunft ist und hoffen, dass die Transformation wieder Fahrt aufnimmt und die Nachfrage anzieht.
Welchen Schwerpunkt wollen Sie bei Ihren Batteriesystem setzen?
Wir sehen uns eher als Nischenanbieter. Große Stückzahlen produzieren die OEMs häufig selbst. Aber da, wo es Varianten gibt, dort wo technologisch anspruchsvolle Batteriepacks gefragt sind, da sehen wir eine unserer Stärken.
Tatsächlich haben wir derzeit aber ein spannendes Potpourri von Projekten. Wir fertigen beispielsweise in Südkorea ein klassisches, kosteneffizientes Batteriesystem für mehrere Pkw-Modelle. In Europa haben wir aktuell einige Projekte, bei denen Hochleistungs-Batterien gefragt sind.
Dank dieser Kombination können wir unseren Kunden das jeweils für sie Richtige anbieten. Ähnlich gehen wir bei den Dachsystem vor. Es gibt einfachere und sehr komplexe Dachsysteme. Da wir technologisch die gesamte Bandbreite beherrschen, können wir die verschiedenen Anforderungen spezifisch bedienen.
Bei welchen Stückzahlen fühlen Sie ich bei den Batteriepacks wohl?
Webasto bietet Batteriesysteme für Nutzfahrzeuge und Pkw an. Die Anzahl der Produkte pro Auftrag reicht von zwei- bis dreistelligen Stückzahlen bis zu hunderttausenden Packs über die gesamte Laufzeit. Unser standardisiertes Batteriesystem für Nutzfahrzeuge stellen wir in eher kleineren Mengen her. Im Pkw-Bereich haben wir einige großvolumige Projekte.
Sie haben in Südkorea die Fertigung von Batteriepacks ausgebaut. Ist der Schwerpunkt für Webasto künftig Asien?
Unser Schwerpunkt liegt derzeit auf Europa und Südostasien. Perspektivisch überlegen wir, in den US-Markt einzusteigen.
Wie sehr würde Sie ein dauerhafter Rückgang bei der E-Mobilität schmerzen?
Wir haben in Deutschland gemeinschaftlich den Weg in Richtung E-Mobilität eingeschlagen. In der Automobilindustrie sind wir uns einig, dass die E-Mobilität sich durchsetzen wird. Und sie bietet noch sehr viele Innovationspotenziale.
Wir sollten auf dem E-Mobilitätspfad bleiben und jetzt nicht von dem Kurs abweichen. In unserer Branche haben alle viel investiert, und wir müssen jetzt diesen Weg erfolgreich gestalten. Wir dürfen nicht zaudern.
China setzt voll auf Elektrifizierung. Europäer und Amerikaner sollten sich sehr genau überlegen, ob sie nun einen Schritt zurückgehen und versuchen, bei der alten Technologie zu bleiben, statt konsequent die E-Mobilität zu fördern.
Das hört sich skeptisch an….?
In Deutschland kommen wir von einem Hype der E-Mobilität und scheinen jetzt in eine Depression zu fallen. Es wäre gut, wenn wir einen Mittelweg finden könnten. Diese Tendenz zeigt sich auch im Finanzierungssektor.
Zu Beginn wurde die E-Mobilität über alles gestellt, jetzt wird das Thema eher gemieden. Doch um die E-Mobilität nach vorne zu treiben und international wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir nicht nur den Rückhalt der Fahrzeughersteller, sondern auch den der Banken und Investoren.
Die Rahmenbedingungen in Deutschland sind leider insgesamt nicht gut. Komplexität und Bürokratie hemmen Innovation und verhindern schnelle Marktanpassungen. Außerdem sehe ich in vielen Bereichen wenig Veränderungsbereitschaft.
Dieses Phänomen zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. Wir müssen aufpassen, dass wir international nicht den Anschluss verlieren.
In welche Richtung entwickeln sich Ihre Dachsysteme?
Insgesamt wird das Autodach aufgewertet. Der Trend geht zum großflächigen Hightech-Dach, mit innovativen Features wie variabler Beleuchtung und Verschattung. Diese Technologien sind häufig in festen Dächern integriert, die nicht geöffnet werden. Die Nachfrage nach diesen Systemen steigt. Der Dachmarkt fächert sich also weiter auf.
Werden Sie weiter in Best-Cost-Countries verlagern?
Wir stellen heute schon die Mehrzahl unserer Produkte in Best Cost Countries (Länder mit optimalem Mix aus Kosteneffizienz, Qualität und Innovation) her. Dachsysteme lassen sich de facto nicht mehr profitabel in Deutschland fertigen.
Das lässt sich bei den Kostenstrukturen nicht darstellen. Wir setzen in Deutschland auf Kompetenzzentren mit kleinerer Produktion. Für Webasto ist die Nähe von Entwicklung und Produktion wichtig – wie zum Beispiel die der Forschung und Entwicklung für Dachsysteme in unserer Zentrale in Stockdorf und der Fertigung von Dächern in Utting.
Viele Großprojekte für den europäischen Markt realisieren wir aber seit längerem in Osteuropa. Dieser Trend ist vorläufig auch nicht umkehrbar. Mit zunehmender Automatisierung und aufgrund von Kostenvorteilen im Logistikbereich könnte es in Einzelfällen sinnvoll sein, künftig wieder mehr in Deutschland zu produzieren.
Wie gut sind Ihre Auftragsbücher gefüllt?
Unser Auftragsbestand liegt derzeit bei rund 29,4 Milliarden Euro. Für die nächsten zwei bis drei Jahre sind wir grundsätzlich gut mit Aufträgen ausgelastet. Dabei gehen wir natürlich davon aus, dass von unseren Kunden auch gewisse Stückzahlen abgerufen werden.
Aber das hängt davon ab, wie gut sich ein bestimmtes Automodell verkauft und wie sich die Konjunktur entwickelt. Die Zuverlässigkeit in punkto prognostizierbarer Abnahmemengen hat deutlich abgenommen.
Wird Webasto ein eigenständiges Familienunternehmen bleiben?
Ja.
Bereitet Ihnen die Finanzierung Sorgen?
Für Webasto und auch für viele andere Lieferanten wird es immer schwieriger, in neue Projekte und Entwicklung zu investieren. Wir wählen inzwischen sehr viel selektiver aus, welche Aufträge wir annehmen und bereit sind vorzufinanzieren.
Wie lange läuft Ihr Vertrag noch und würden Sie nochmals verlängern?
Mein Vertrag läuft bis Ende 2025. Eine Entscheidung, wie es dann weitergeht, ist noch nicht getroffen.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie derzeit?
Im Augenblick beschäftigt uns der Spagat, bei einer konjunkturell bedingt schwachen Nachfrage und einer nach wie vor angespannten Kostensituation die Vorinvestitionen zu stemmen, die für die Umsetzung der Projekte, die wir akquiriert haben, notwendigerweise anfallen.
Derzeit bauen wir drei Werke auf beziehungsweise aus. Wir erweitern unsere Kapazitäten in Korea, stärken unsere Kompetenz im Batteriebereich an unserem Standort Schierling. Und wir investieren massiv in das Thema Glasveredlung.
Vor dem Hintergrund der derzeitig nicht rosigen Automobilkonjunktur erfordert das Vorleistungen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt zu entsprechenden Umsätzen und Erträgen führen.
Da Webasto recht früh mit der Transformation begonnen hat, jetzt mittendrin steckt und weiter in die Zukunft investieren muss, trifft uns diese Entwicklung jetzt stärker als andere Unternehmen.
Ist der ursprünglich schwierige Anlauf der Dachfertigung für den Ford Bronco in den USA mittlerweile zu einem normalen Geschäft geworden?
Ja, aber das war ein riesiger Kraftakt. Wir sind sehr stolz, dass wir es geschafft haben, uns aus dieser schwierigen Situation herauszukämpfen.
Aus technologischer Sicht haben wir uns jetzt mit dem sehr komplexen Bronco-Projekt ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Wir können die Dächer jetzt in einer hohen Qualität immer effizienter herstellen.
Wollen Sie an Ihrer Umsatzverteilung in den drei großen Weltregionen festhalten?
Die Entwicklung ist vor allem marktgetrieben, aber wir sind damit zufrieden. Es freut uns, dass der Anteil unseres Geschäfts in den USA und Mexiko am Gesamtumsatz, getrieben durch das Dachgeschäft, steigt.
Dort sehen wir auch gute Wachstumsperspektiven für uns. Das gilt auch für die Region Südostasien und Indien. Japan und Korea stagnieren tendenziell, der europäische Markt schwächelt.