Der Chiphersteller Infineon setzt bei Mikrocontrollern für den Automotive-Bereich künftig auf einen neuen Open-Source-Standard. Das bietet Kunden Chancen, erfordert aber auch Investitionen.
Reinraum in der Chipproduktion. Infineon ist der erste Halbleiterhersteller, der eine Mikrocontroller-Familie für den Automotive-Bereich auf Basis von Risc-V angekündigt hat.
In die Halbleiterindustrie kommt Bewegung. Infineon will in den kommenden Jahren eine neue Familie von Automotive-Mikrocontrollern auf Basis des Open-Source-Standards Risc-V auf den Markt bringen.
Mikrocontroller, auch MCUs (Microcontroller Unit) genannt, sind eine Art Mini-Computer auf einem Chip und steuern bei Fahrzeugen beispielsweise Scheibenwischer, Kraftstoff-Einspritzung, Bremsen oder Fahrerassistenzsysteme. In Oberklasse-Fahrzeugen werden mehr als 100 solcher MCUs verbaut.
Die Münchner sind der erste Chiphersteller, der eine Mikrocontroller-Familie für den Automotivebereich auf Basis von Risc-V ankündigt. Bislang ist Risc-V, ein von der US-Universität Berkeley entwickelter Standard, in der Halbleiterindustrie noch wenig verbreitet.
Infineon will mit der geplanten Produktfamilie sein Portfolio an MCUs für Automobilanwendungen erweitern. Der Halbleiterhersteller setzt derzeit noch auf die vom Unternehmen selbst entwickelte Chiparchitektur "TriCore", die laut Branchenexperten aber an ihre Leistungsgrenze stößt, sowie die des britischen Chip-Designers Arm.
Die Architektur von Arm, das selbst keine Chips herstellt, ist die dominierende Lösung im Automobilbereich. Eine weitere Lösung bietet Intel mit X86.
Zu den Stärken der Arm-Architektur gehören ein niedriger Energieverbrauch und hohe Rechenleistung. Während bei der Arm-Lösung für die Nutzer Lizenzgebühren anfallen, ist Risc-V frei verfügbar.
Um die auf Risc-V basierenden Produkte leichter einsetzen zu können, arbeitet Infineon gemeinsam mit seinen Softwarepartnern und weiteren Unternehmen daran, ein entsprechendes Ökosystem zu etablieren.
Eine wichtige Rolle dabei übernimmt Synopsys. Das US-Unternehmen, spezialisiert auf Software für das Chipdesign, unterstützt die Infineon-Partner bei der Entwicklung von Software für die Risc-V-Architektur, und zwar bevor die Mikrocontroller-Hardware zur Verfügung steht.
Peter Schiefer, Präsident der Automotive-Division von Infineon, erklärt das Engagement so: "Infineon hat sich das Ziel gesetzt, Risc-V zum offenen Standard für die Automobilindustrie zu machen."
Durch das Joint Venture Quintauris arbeitet der Chiphersteller mit anderen Unternehmen aus der Halbleiterindustrie daran, Risc-V-basierte Produkte schneller zu industrialisieren.
Mehrere Halbleiterhersteller, darunter Qualcomm, Bosch, NXP und STMicroelektronics hatten das Gemeinschaftsunternehmen gegründet, um die Abhängigkeit von Arm zu reduzieren und die Kommerzialisierung von Produkten auf Risc-V-Basis zu beschleunigen.
Noch gibt es die Risc-V-Chips von Infineon nur in Form virtueller Prototypen. Zwar nutzen auch Halbleiterhersteller wie NXP oder Renesas Risc-V. Doch diese integrieren den Standard bislang nicht in ihre Kernprodukte.
Ein Grund dafür, dass noch wenige Unternehmen auf den Risc-V-Zug aufgesprungen sind, "liegt am noch im Aufbau befindlichen Ökosystem für Risc-V", erklärt Tanjeff Schadt, Partner und Halbleiterexperte bei der Beratung Strategy& Deutschland.
"Es reicht nicht über den Befehlsset-Standard zu verfügen. Es werden auch unterstützende Betriebssysteme und weitere unterstützende Software benötigt wie zum Beispiel automatisiertes Chipdesign."
Schadt hält es für wahrscheinlich, dass auch andere Unternehmen künftig stärker auf Risc-V setzen, auch wenn sich die Konzerne dazu bislang nicht äußern. "Ein Einstieg hängt auch von den Kosten ab. Man darf nicht nur die Lizenzgebühren rechnen, sondern es fallen auch Entwicklungskosten an."
Es müsse oft eine komplett neue Plattform entwickelt werden, mit einem schwächer ausgeprägten Ökosystem als für Arm- und Intel-Produkte.
Insgesamt geht es bei den Microcontroller um einen Milliardenmarkt. Laut einer Untersuchung von TechInsight, einer Informationsplattform für die Halbleiterindustrie, brachte es Infineon bei Automotive-Halbleitern 2024 auf einen weltweiten Marktanteil von 13,5 Prozent.
NXP mit 10,5 Prozent und STMicro mit 8,8 Prozent Marktanteil folgten auf den Plätzen. Noch deutlicher war Infineons Vorsprung bei Mikrocontrollern. Hier betrug der Marktanteil 32,0 Prozent. Ein Plus von 8,6 Prozentpunkten auf den Zweitplatzierten Renesas. Insgesamt erreichte der globale Markt für Automotive-Halbleiter 2024 ein Volumen von 68,4 Milliarden Dollar.
