Wie sich SEG Automotive seit der Trennung von Bosch entwickelt hat

Wenn Fernando Sorrentino an die Marktbedingungen der vergangenen Jahre denkt, muss er fast ein wenig schmunzeln. Praktisch nichts sei eingetreten wie erwartet. „Der Krieg in der Ukraine, der Krieg im Nahen Osten, die Instabilität der Lieferketten und die Preissteigerungen bei Material und Rohstoffen haben alle Zulieferer vor enorme Herausforderungen gestellt“, sagt er.

Dennoch habe SEG Automotive Kurs gehalten. „Aktuell sind unsere Eigentümer sehr zufrieden“, sagt Sorrentino, der seit Ende 2021 das Unternehmen führt.

Ende 2017 wurde SEG Automotive gegründet. Das in Stuttgart ansässige Unternehmen war zuvor die Geschäftseinheit für Starter und Generatoren des Bosch-Konzerns. Doch dann kam der Verkauf an die chinesische ZMJ-Gruppe und der Schritt in die Selbständigkeit.

Für Sorrentino, der bei ZMJ zuvor im Aufsichtsrat saß, sind die Weichen nun richtig gestellt. „Wir haben bei der Profitabilität enorme Fortschritte erzielt. Im vergangenen Jahr waren erstmals alle Regionen für sich genommen profitabel, was zuvor nicht der Fall war.“

Dafür waren deutliche Einschnitte notwendig. 2020 hatte das Unternehmen angekündigt, 1100 Stellen überwiegend in Deutschland abzubauen. In Hildesheim wurde ein kompletter Produktionsstandort geschlossen. Aktuell hat SEG Automotive nach Angaben eines Sprechers rund 6250 Mitarbeiter weltweit, im Vergleich zu 2023 ein leichter Zuwachs.

„Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und mit der Restrukturierung viele Prozesse verbessert, um schlanker und agiler zu werden“, sagt Sorrentino. Vor allem die alten Konzernstrukturen hätten in Europa zu Problemen geführt, während in den USA die Stückzahlen fehlten.

Zum Kerngeschäft mit Startern und Generatoren kamen neue Geschäftsbereiche hinzu, um das Unternehmen fit für die Transformation zu machen. Dazu zählen die 48-Volt-Maschinen für Mild-Hybride sowie Komponenten für Hochvoltsysteme. Auf diesen drei Säulen basiere die Strategie, sagt Sorrentino. Bei den 12-Volt-Produkten wolle man der „Last Man Standing“ sein, also bis zum Schluss durchhalten.

Zuletzt habe das vom Verbrenner abhängige Geschäft, das derzeit noch 80 Prozent ausmache, sogar wieder angezogen. „Das hört sich komisch an, aber dank rapide steigender Marktanteile rechnen wir trotz schrumpfenden Marktes mit einem weiteren Wachstum bis zum Jahr 2028“.

Im vergangenen Jahr hat SEG Automotive die erste komplett selbst entwickelte E-Maschine für 48-Volt auf den Markt gebracht. „Damit haben wir bewiesen, dass wir auch die Elektronik und die Software beherrschen“, sagt Sorrentino. Seitdem das Unternehmen eigenständig wurde, habe das Innovationstempo enorm zugenommen.

Die 48-Volt-Anwendungen seien beispielsweise mit Volvo und Toyota in Serie. Auch für einen weiteren deutschen Premiumhersteller habe die Produktion der neuen Generation begonnen. In der Spitze rechnet Sorrentino bei den 48-Volt-Maschinen mit einem Umsatz von 350 Millionen Euro. In diesem Jahr, das im Zeichen des Übergangs von der alten zur neuen Generation steht, sind es 180 Millionen Euro.

Langfristig soll zudem das Geschäft mit Hochvolt-Systemen eine wichtige Säule bilden. In China hat SEG Automotive hier bereits einige Aufträge von bekannten Playern wie Huawei, Didi oder Leap Motor gewonnen. „Von der Beauftragung bis zur Serienreife sind teils nur 15 Monate vergangen, das wäre früher nicht denkbar gewesen“, sagt Chefingenieur Rüdiger Benz.

Dabei handelt es sich jedoch um einzelne Komponenten, weniger um komplette E-Achsen. Hier wolle man verstärkt ins System-Geschäft einsteigen. Das gilt auch für Europa, wo die Hochvolt-Systeme noch in den letzten Erprobungen sind. Der Grad der Individualisierung sei diesem Bereich sehr hoch, manche Kunden wollten nur einzelne Teile integrieren. „Das ist aber unsere Stärke, da wir hier schnell reagieren können“, so Benz.

Weiteres Wachstum soll abseits des Pkw-Marktes erzielt werden. So baut SEG Automotive inzwischen Antriebe für Dreiräder und Nutzfahrzeuge in Indien in großer Stückzahl. Auch Motoren für E-Bikes gehören zum Portfolio. In Spanien geht der erste Antrieb bei BH Bikes in den Einsatz.

Auch in den Markt für Microcars wie beispielsweise den Opel Rocks Electric ist der Zulieferer eingestiegen. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz des Unternehmens bei 1,7 Milliarden Euro. Nach einem leichten Wachstum in diesem und im nächsten Jahr soll 2026 die Zwei-Milliarden-Euro-Marke geknackt werden.

Aus dem Datencenter:

Automotive-Kennzahlen ausgewählter Zulieferer