800-Volt-Schnellladesäulen noch Mangelware

800 Volt gelten als wichtiges Kriterium für die Verkürzung der Ladezeiten. In zehn Minuten Strom für 300 Kilometer Reichweite nachtanken - das und noch höhere Leistungen sollen mit der 800-Volt-Technik möglich sein. Doch sind die Ladesäulen in Deutschland schon fit für den Sprung von den bislang üblichen 400 auf 800 Volt?

Zunächst war die Spannungssteigerung Luxusmodellen wie Porsche Taycan und Audi e-tron GT vorbehalten. Doch das ändert sich. Bei Hyundai fahren etwa Ioniq 5 und Ioniq 6 mit 800 Volt, bei Kia der EV6, dazu Genesis-Modelle. Der chinesische Hersteller BYD will bald den Kleinwagen Dolphin mit 800 Volt nach Europa bringen. Volkswagen-Partner Xpeng will auch eine 800-Volt- Plattform auf die Beine stellen. Renault und Ford zeigen Interesse. BMW und Mercedes-Benz kündigten bereits 800-Volt-Modelle an.

Derzeit noch ein Nachteil für 800-Volt-Fahrer: Sie können nicht an jeder Schnellladesäule Gleichstrom tanken. Bislang sind in Deutschland rund 30 Prozent der Schnellladestationen für die höhere Spannung ausgerüstet, insgesamt rund 7500. Die Zahlen nannte der Ladesäulen-Datenlieferant Eco-Movement der Automobilwoche. Die Bundesnetzagentur verfügt über keine Spannungsdaten.

Beschränkt auf diese 7500 Stationen sind 800-Volt-Fahrer allerdings nur, wenn sie Schnellladen möchten. An Wechselstromladepunkten mit etwa elf oder 22 kW ist Laden immer möglich - nur eben sehr langsam.

Große Ladenetzbetreiber haben sich offenbar frühzeitig gerüstet. "Wir haben schon beim Start im Jahr 2017 entschieden, uns zukunftssicher aufzustellen und mit allen unseren Ladestationen den gesamten Spannungsbereich abzudecken, den der CCS-Standard ermöglicht. Das heißt, sowohl 400- als auch 800-Volt-Fahrzeuge können an allen unseren Säulen geladen werden. Sogar das Laden mit 950 Volt ist möglich." Das sagte Jacob Kamhuber der Automobilwoche. Er ist Leiter Charging Technology bei Ionity, dem Joint Venture von BMW Group, Ford, Hyundai, Mercedes-Benz und VW-Konzern, das bislang mehr als 2500 Schnellladepunkte für bis zu 350 kW in 24 europäischen Ländern anbietet.

Auch Konkurrent EnBW ist eingestellt auf die neue Spannung. "Rund 90 Prozent unserer mehr als 3500 Schnellladepunkte erreichen Spannungswerte von 800 Volt und mehr", sagt ein Sprecher. Die Technik stelle "keine nennenswerte Herausforderung dar". Neue Ladepunkte würden ausschließlich mit dieser Technik errichtet.

Einstweilen greifen Automobilhersteller noch zur Selbsthilfe, damit ihre 800-Volt-Kunden nicht frustriert vor 400-Volt-Ladesäulen stehen. Kia und Hyundai statten ihre Modelle mit einem Wechselrichter aus, der die 400 Volt aus der Ladesäule auf 800 Volt hochtransformiert.

Im Porsche Taycan wie auch im Audi e-tron GT arbeitet ein von Preh gelieferter "Hochvolt-Booster", der an 400-Volt-Schnellladesäulen mit bis zu 150 kW Leistung die Spannung auf die benötigten 800 Volt anhebt. Säulen mit mehr als 150 kW Leistung sind ohnehin meist 800-Volt-fähig.

Für den elektrischen Macan, der nun endlich im kommenden Jahr an den Start gehen soll, hat Porsche sich einen besonderen Kniff einfallen lassen, das sogenannte Bank-Laden. Dessen Batterie mit rund 100 kWh Kapazität lässt sich für das Laden elektrisch in zwei separate Akku-Bänke aufteilen, die jeweils nur noch 400 Volt Spannung haben. So getrennt können die beiden Blöcke parallel an einer 400-Volt-Ladesäule aufgetankt werden. An entsprechend ausgestatteten 800-Volt-Stationen will Porsche das Laden noch einmal beschleunigen. Die Batterie des Macan solle "mit einer noch höheren Ladeleistung als den 270 kW des Taycan aufgeladen werden können. An entsprechend leistungsfähigen Schnellladestationen lässt sich der Ladestand der Batterie so in weniger als 25 Minuten von fünf auf 80 Prozent erhöhen", heißt es bei den Schwaben.

Wo Porsche hinwill, lässt sich nahe Bingen besichtigen: Am Autobahndreieck Nahetal hat der Hersteller im Sommer seine erste "Porsche Charging Lounge" eröffnet. Dort stehen sechs Schnellladesäulen. Aktuell stellen die Lader des Südtiroler Elektronikspezialisten Alpitronic je 300 kW Leistung bereit. Porsche will aber noch ein Drittel draufpacken: Bereits ab Anfang 2024 sollen 400 kW möglich sein.

Aus dem Datencenter:

Entwicklung der Ladepunkte in Deutschland 2017 bis 2023