Deutsche Unternehmen geraten immer stärker in den Fokus aktivistischer Investoren. So das Ergebnis einer Untersuchung der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal (A&M). Der A&M Activist Alert (AAA) der Beratung erscheint seit 2019 regelmäßig und enthält Analysen und Prognosen zur Tätigkeit aktivistischer Investoren in Europa. A&M hat seit Dezember 2022 insgesamt 143 europäische Unternehmen identifiziert, die innerhalb der nächsten 18 Monate in Gefahr laufen, Ziel von aktivistischen Investoren zu werden. Davon ist auch der Automotivebereich betroffen.
Deutschland steht laut Analyse noch stärker im Fokus aktivistischer Investoren als bereits vor sechs Monaten. Während in allen untersuchten Ländern die Anzahl der prognostizierten Ziele der Aktivisten - insgesamt mit 143 - gleich geblieben ist, ist sie in Deutschland um vier auf 33 bedrohte Unternehmen gestiegen. Verantwortlich für diesen Anstieg sind der Konsumgüter- und Technologiesektor, die noch stärker im Fokus stehen.
Warum der Appetit auf deutsche Unternehmen wächst
Laut einer Analyse der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal geraten deutsche Unternehmen verstärkt ins Blickfeld aktivistischer Investoren. Darunter auch Zulieferer aus der Automobilbranche.
„Deutsche Consumer- und Technology-Unternehmen stehen besonders unter Druck; insbesondere aufgrund schwacher Renditen und herausfordernder Investitionsentscheidungen“, erklärt Patrick Siebert, Managing Director und Co-Head A&M Germany. „Aktivisten fordern wettbewerbsfähige Kostenstrukturen und renditeorientierte Investitionsentscheidungen. Die Qualifikationen im Vorstand sowie Aufsichtsrat werden besonders kritisch beäugt.“
„Die meisten potenziellen Ziele stammen in Deutschland weiterhin aus dem Industrie-Sektor, mit einer Gesamtzahl von elf Unternehmen. Dies bedeutet einen Anteil von 33 Prozent. Im höheren einstelligen Bereich seien davon Automotiveunternehmen betroffen. Besonders Unternehmen, deren Profitabilität deutlich dem globalen Wettbewerb hinterher hinken, sollten damit rechnen, Ziel aktivistischer Kampagnen zu werden“, prognostiziert Siebert.
Ein prominentes Beispiel der Vergangenheit ist der Einstieg des aktivistischen Investors Paul Singer beim Zulieferer Hella. Dieser hatte sich Anfang November 2021 über seinen Hedgefonds Elliott mit 6,57 Prozent am Lippstädter Unternehmen beteiligt.
„Seit 2020 haben wir eine gewaltige Volatilität im Markt erlebt“, sagt der Unternehmensberater. „Dieses für Unternehmen herausfordernde Umfeld gepaart mit dem zunehmenden (Rendite-)Appetit aktivistischer Investoren lässt darauf schließen, dass Richtung Jahresende die Aktivismus-Welle in Europa weiter zunehmen wird. Die gestiegenen Kapitalkosten werden bis in das Jahr 2024 hinein ein hauptsächlicher Treiber aktivistischer Kampagnen in Europa bleiben.“
Die Anzahl aktivistischer Kampagnen, die vom ESG-Faktor Enviromental getrieben werden, liegt 2023 um 143 Prozent höher als im Vergleichszeitraum des Jahres 2019. In Europa wurden 17 entsprechende Kampagnen gestartet. Dies ist unter anderem auf eine gestiegene Zahl an ethisch getriebenen Investoren, die aktivistische Strategien verfolgen, um ihre Ziele zu erreichen. Dagegen sind Kampagnen, die den Fokus auf soziale ESG-Aspekte legen, in ihrer Anzahl nicht im selben Maß angestiegen. Sie befinden sich seit 2021 auf einem relativ konstanten Niveau.
„Grundsätzlich werden Unternehmen attraktiver bewertet, die nachweisen können, dass sie mit ihrem Geschäft nicht zu Lasten der Umwelt agieren. Gegenwärtig steht die Unternehmensführung jedoch häufig unter Handlungszwang, da das Tagesgeschäft die gesamte Managementkapazität verlangt, und größere ESG-Maßnahmen verzögert angegangen werden“, so die Erfahrung von Siebert.
Siebert konstatiert auch, dass sich in den letzten fünf Jahren „ein extremer Wandel“ gegenüber aktivistischen Investoren vollzogen hat. „Bis zu diesem Zeitpunkt war es in Deutschland noch so, dass sich Unternehmen von einem aktivistischen Investor angegriffen fühlten. Die Unternehmensführung war sich häufig unsicher, wie darauf reagiert werden soll. Mittlerweile beschäftigen die Unternehmen eine Vielzahl von Spezialisten, die sich mit den Anfragen solcher Finanzinvestoren sehr professionell auseinandersetzen.“ Denn es habe sich am Markt gezeigt, dass diese Investmenthypothesen stets exzellent vorbereitet sind und den Zustand der Unternehmen gut widerspiegeln. „Die Fonds bereiten sich in der Regel zwischen 18 und 24 Monaten auf ihren Einstieg vor“, so die Erfahrung des Unternehmensberaters.
Allerdings würden Vorstände langfristige Wertsteigerungen gerne für einen Zeitraum von fünf Jahren oder mehr definieren, weil sie die Nachhaltigkeit ihrer Unternehmen im Blick haben. „Fonds meinen bei Langfristigkeit häufig Zeiträume von drei Jahren, manchmal auch kürzer. Hier kann es zu Spannungskonflikten kommen, welche Maßnahmen es zur Unternehmenswertsteigerung zu priorisieren gilt.“
Dazu aus dem Datencenter: