Renaults waghalsiger Angriff auf die Oberklasse

Renault ist schon mehrfach gescheitert bei dem Versuch, sich in der profitablen gehobenen oberen Mittelklasse oder gar in der Oberklasse ein Standbein zu schaffen. Modelle wie der VelSatis oder der Avantime erhielten zwar Designpreise, wurden aber von den allermeisten Verbrauchern links liegengelassen.

Nun wagt der Autobauer mit dem coupéhaften SUV Rafale einen Neustart in das Segment, das Margen oberhalb von fünf Prozent verspricht. Der 4,71 Meter lange Trumm ist Ausdruck der im Januar 2021 von Luca de Meo verkündeten Restrukturierungs-Agenda "Renaulution", die im Kern lautet: Weniger Volumen, mehr Ertrag.

Beim Design und Segment setzt Renault diesmal  nicht auf Avantgarde, sondern auf Mainstream - ein hochgebockter SUV mit schickem Coupé-Heck soll die Kunden in den Bereich deutlich jenseits von 50.000 Euro locken, der für Renault bislang Terra incognita war.

Anders als der jüngst erst präsentierte neue Espace, der so gar nichts mehr von einem Großraum-Van hat, setzt der Rafale auf einen sehr kräftigen Antrieb mit bis zu 300 PS und das beste verfügbare Fahrwerk, basierend auf der CMF-CD-Plattform der Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi.

Der Rafale war allerdings zunächst gar nicht vorgesehen, als Flaggschiff die Neuausrichtung des Autobauers voranzutreiben, wie Markenchef Fabrice Cambolive einräumt: "Das Auto war nicht im Ursprungsplan von Luca de Meo vorgesehen. Designchef Gilles Vidal hatte daher auch nur wenige Monate Zeit, den Rafale zu zeichnen.

Es ist kein Zufall, dass das Präsentations-Modell des Rafale auf dem Luftfahrtsalon in Le Bourget im Alpin-Blau präsentiert wurde. Renault sucht damit die Nähe zu seiner Premiummarke Alpine, die sich allerdings noch im Dämmerschlaf befindet und immer noch kein neues Elektro-Modell präsentiert hat.

Mit dem Rafale räumt Renault auch ein, dass die jüngsten großen Modelle Austral und der neue Espace nicht ganz den Erwartungen einer Oberklasse-Klientel entsprechen. Diese beiden Modelle starten bei 41.000 beziehungsweise 45.000 Euro.

Ob nun der Rafale in dem anspruchsvollen Kundensegment oberhalb der Grenze von 50.000 Euro überzeugen kann, wird sich im Showroom entscheiden. Einfach wird dieser Wettkampf nicht für Renault.

Fraglich ist nämlich, ob die Marke Renault schon so weit ist, um einen premiumverdächtigen Preis aufrufen zu können. "Wir starten spät (in dem Segment), aber wir sind nicht pessimistisch", heißt es denn auch mit verhaltenem Optimismus bei Renault.

Renault hat langfristig gesehen einen tiefen Sinkflug hinter sich. 2004 lag der Marktanteil in Westeuropa noch bei 10,2 Prozent, in den ersten vier Monaten des Jahres 2023 bei nur noch 5,1 Prozent.

Der Rafale ist auch Ausdruck einer alternativlosen Strategie: Im günstigen Volumensegment wird die Marke Renault immer stärker von der eigenen Budget-Marke Dacia bedrängt, die ebenfalls nach oben strebt. Und es wird zunehmend deutlich, das die wesentlichen Leidtragenden der neuen chinesischen Volumenkonkurrenz in Europa die französischen Marken sind.

Denn chinesische Marken wie BYD, Great Wall, MG und Chery bieten modern designte Elektrofahrzeuge mit meist großen Batterien an, die einen Renault Mégane E-Tech, das Aushängeschild der Elektro-Strategie von Renault, in diesem Preissegment in Erklärungsnöte bringen.

Luca de Meo weiß, dass es in Frankreich und Westeuropa künftig sehr schwierig sein wird, elektrische Kleinwagen zu wettbewerbsfähigen Kosten herzustellen. Der für 2024 angekündigte elektrische R5 wird in dieser Hinsicht zu einer Wasserscheide für Renault werden - bleibt er erfolglos, wird der Druck für Renault nochmals deutlich steigen, in höheren Segmenten sein Glück zu versuchen.

Aus dem Datencenter:

Modellvorschau Renault 2022 bis 2026