Mit Elektro-Pick-Ups raus aus der SUV-Falle?

Markus Duesmann hat schon kurz nach seinem Amtsantritt relativ offensiv mit neuen Fahrzeugkonzepten geliebäugelt. Neben einem "Megacity Vehicle, das wirklich funktioniert" war damals von einem "raumfunktionalen Oberklasse-Konzept für China" (aus dem wenig später die Urbansphere Designstudie hervorging) und von einem "Premium Pick-up mit Nehmer-Qualitäten" für Nordamerika die Rede. Ebenfalls ganz oben auf der To-Do-Liste des Chefs stand damals eine Mischung aus Supercar und Hypercar als flankierende High-End-Produktoffensive zum geplanten F1-Einstieg. Während der Rest momentan Ladehemmung hat, könnte sich die Pick-up-Thematik demnächst konkretisieren.

Bei BMW war nie die Rede von einem Pick-up, aber die Entscheider machten sich in unregelmäßigen Abständen immer wieder Gedanken darüber, ob und in welcher Form man auf die allroad- und All-Terrain-Bemühungen der Konkurrenz reagieren sollte. Außerdem war den Münchnern nicht verborgen geblieben, dass Ford, GM mit Hummer und GMC sowie Rivian und Tesla mit seinem längst überfälligen Aufreger im Origami-Design auf dem besten Weg sind, sich den lukrativen US-Markt der ebenso emissionsfreien wie kultigen Arbeitstiere untereinander aufzuteilen - und das, im Gegensatz zu eher polarisierenden BMW-Modellen wie X7 und XM, ohne das ungeschriebene Gesetz der sozialen Akzeptanz zu verletzen.

Die Produktion des Scout BEV SUV (SC416) soll im April 2026 anlaufen; der davon abgeleitete BEV Pick-up (SC417) folgt sechs Monate später. Ob das Geschäftsmodell funktioniert, hängt freilich von mehreren Faktoren ab: Wie hoch ist der Entwicklungsaufwand? Wo soll produziert werden? Mit welchen Preisen und Stückzahlen wird kalkuliert? Stemmt man das Projekt allein oder mit einem Partner? Wenn Audi einsteigt, könnte der Konzern die Kosten ad hoc auf zwei Schultern verteilen. Trotzdem droht im ersten Zyklus eine Null-Rendite, denn Magna macht seine Arbeit nicht umsonst, und auch das notwendige neue Werk belastet trotz erhoffter Subventionen das Budget.

Scout ist die spannende Kopfgeburt von Scott Keough, der zuvor als Chef von Volkswagen of America tätig war. Die Mutter in Wolfsburg spielt bei Scout ebensowenig eine aktive Rolle wie VW Nutzfahrzeuge und der in anderen Segmenten aktive Kooperationspartner Ford. Das unternehmerische Risiko würde durch den Einstieg von Audi natürlich deutlich abgefedert, denn mit der von Scout präferierten PPE-Architektur hätte man vom Start weg eine starke gemeinsame Basis. Nein, Porsche, Lamborghini und Bentley sind aktuell nicht mit von der Partie, aber der Konzern wäre zumindest theoretisch für weitere Schritte gerüstet, falls sich auch Cadillac, Lincoln und Jeep dazu entschließen sollten, als Hechte im Luxus-Pick-up-Karpfenteich auf Jagd zu gehen.

Aktuell geht es vor allem um die Frage, ob es sinnvoller ist, Chattanooga zu spiegeln oder sich ein neues Werk an einem anderen Standort per Subvention vergolden zu lassen. Obwohl die PPE-Matrix ab 2026 durch die SSP-Plattform ersetzt wird, ist der Übergang kein harter Bruch, sondern eine Weiterentwicklung ohne dramatische Auswirkungen auf Produktionsanlagen und Prozesse. Nachdem die höher positionierten SSP-4- und -5-Varianten ohnehin bereits von Audi verantwortet werden, drohen auch keine Verwerfungen in Bezug auf die Systemführerschaft. Fraglich ist eher, ob Marke und Produkt konform gehen, wie authentisch ein Audi Pick-up sein kann, und ob der Ausflug in die Dakar-Rennserie die technische Entwicklung dieses ur-amerikanischen Produkts befruchtet hat und so dazu beiträgt, die quattro-Philosophie neu zu interpretieren.

Auch BMW ist auf der Suche nach neuen Märkten, Themen, Konzepten und Chancen, das Portfolio nach oben zu erweitern. Mit der Dollar-Euro-Parität rückt Nordamerika, wo das Unternehmen in Spartanburg sein größtes Werk betreibt, noch stärker in den Fokus. Aber was spricht für einen BMW-Pick-up? Ein Stratege bringt die Überlegungen auf den Punkt: "Leistung und Sportlichkeit sind auf dem besten Weg, als austauschbare Markenwerte ihre Strahlkraft zu verlieren. Da hilft es auch nicht viel, diese Eigenschaften zu elektrifizieren und zu digitalisieren. BMW muss sich stattdessen als Marke immer wieder neu erfinden – Stichwort Megacity Vehicle nach Art des Vision Circular. Oder eben über die neue Rough-and-rugged-Schiene mit dem Pick-up als Leuchtturm-Modell, CO2-neutral von der Wiege bis ins Grab als Voraussetzung für die letzte Meile in die Natur, deren Schutz in Stein gemeißelt ist."

Ein Pick-up wäre der extremste Vertreter dieses alternativen Portfolios, das möglicherweise einer Submarke würdig ist – vielleicht mit dem Zusatz ´imagined by BMW´. Zu den Denkmodellen, die in dieses Raster passen, gehören zum Beispiel neue Dachkonzepte wie ein durchgehendes Rolldach bis zur hinteren Stoßstange oder ein Crossover Skywagon mit multimodalem Cabrioverdeck, wobei auch Zweitürer nicht ausgeschlossen sind. Die adäquate Stichwortsammlung enthält Begriffe wie The Great Outdoors, Tread Lightly, Travel is Adventure oder Nature Comes First – Always! Worthülsen aus dem Arsenal der Marketing-Oberliga? Mag sein, doch es kommt auf die Umsetzung an, und da wird schon im Vorfeld intelligent differenziert.

Als Basis dient immer ein elektrifizierter X – vom iX1 bis zum iX7 ist alles möglich, wobei künftige Xe auch in ihren Proportionen skalierbar sind. Rough and rugged heißt größere Räder, höher gesetzte Aufbauten mit mehr Platz für Batterien, funktionelles Design mit besonderem Flair aber ohne Lagerfeuer-Chi-Chi. Statt dessen soll die Modularität von Karosserie und Innenraum das breite Spektrum der Aktivitäten abbilden, das Nutzer in die freie Natur treibt. Die Module sind auswechselbar: Montag Reiten, Mittwoch Radtour, Samstag Segeln. Die professionellen Verstau- und Sicherungssysteme müssen so widerstandsfähig sein, dass auch Nutzen statt Besitzen keinen Strich durch die Kostenrechnung macht. Drei Bodystyles will man sich näher anschauen: einen CUV für Surfer und Paraglider, einen Pick-up für das große Sport-Besteck mit Trailbikes oder Snowmobiles, und ein praktisches Hardtop für Alpinisten und Extremcamper.

Was plant Mercedes in diesem Beritt, wo man mit der X-Klasse auf Nissan-Basis erst kürzlich einen veritablen Flop gelandet hat? Die Füße still halten, so die Antwort aus Stuttgart. Ein Akku-betriebener Pick-up wird jedenfalls aktuell explizit ausgeschlossen. Die G-Klasse kommt demnächst als Stromer auf den Markt, Maybach versucht sich am EQS SUV, der kompakte GLG steht auf der Wunschliste ganz oben, und irgendwann wird vielleicht sogar ein elitäres Mythos Car die Hardcore Geländewagen-Fraktion beglücken. Da ist Land Rover schon deutlich weiter. Die Briten wollen mittelfristig sogar dem Defender ein Ladekabel um den Bauch wickeln und so die Off-Road-Ikone ohne viel Vertun dem Zeitgeist anpassen. Wer nicht auf eine mit 4x4-Legenden gespickte Historie zurückblicken kann, muss sich – wie Audi und BMW – wohl ein neues Narrativ ausdenken.

Aus dem Datencenter:

Zulassungszahlen in den USA im dritten Quartal 2022