Aus dem Corona-Hotspot Barcelona nach Wolfsburg

Für Christian Vollmer endete seine Zeit in Barcelona gleichermaßen mit entsetzlichen wie positiven Erlebnissen. Einerseits erlebte er als Seat-Produktionsvorstand hautnah mit, was das Coronavirus anrichten kann. „Quasi jeder Kollege hatte einen lnfizierten-Fall in der Familie oder im Freundeskreis“, erinnert sich Vollmer. Bezogen auf die Einwohnerzahl starben in Katalonien fast siebenmal mehr Menschen durch die Pandemie als in Deutschland.

Andererseits war er auch Teil der „großartigsten Teamleistung, die ich bisher erlebt habe“, wie er berichtet. Damit meint der 1969 in Hildesheim geborene Manager die Umstellung der Produktion im Werk Martorell auf die Herstellung dringend in den Kliniken benötigter Beatmungsgeräte.

„Ich war in der Slowakei und in China, aber dass wir so etwas mal produzieren und dazu noch in so kurzer Zeit, war noch vor Wochen unvorstellbar“, sagte der Manager im April im Interview mit Zeit Online. Im Homeoffice sitzend habe er gedacht: „Wir müssen doch reagieren bei diesen erschreckenden Zahlen. Meine Frau sagte: "Mach was!". Das taten er und 150 Mitarbeiter aus den verschiedensten Bereichen auch.

Mittwoch abends entstand die Idee zur Beatmungsgeräte-Herstellung, Donnerstag entdeckte das Team im Internet eine Bauanleitung, Freitag kam die Freigabe der Behörden, Samstag wurden die ersten 20 Beatmungsgeräte gebaut – mit Scheibenwischermotoren als Antrieb, weil die ursprünglich angedachten Fensterhebermotoren unter Dauerbelastung zu heiß wurden. An insgesamt 34 Krankenhäuser wurden die in der folgenden Zeit produzierten Geräte kostenlos geliefert.

Wenn der promovierte Maschinenbauingenieur am 1. August als Produktions- und Logistikvorstand in Wolfsburg antritt, kann er von solchen Erfahrungen vielleicht profitieren. Denn auch in der Produktion sind schnelle Veränderungen erforderlich, etwa die Umstellung auf neue Antriebe oder den zunehmenden Elektronik- und Softwareanteil in den Fahrzeugen.

Die Produktionsthemen im VW-Konzern kennt Vollmer aus mehr als 20-jähriger Erfahrung. Begonnen hat er seine Laufbahn 1999 im Wolfsburger Stammwerk in der Pressenplanung und stieg bis zum Assistenten des Vorstands auf, bevor er 2005 als Produktionsleiter ins slowakische VW-Werk nach Bratislava wechselte. In China war er ab 2010 Geschäftsführer Produktion in Schanghai.

Später hatte er als Technical Executive Vice President bei SAIC Shanghai auch die Verantwortung für den Aufbau des neuen Werks im westchinesischen Urumqi. In Urumqi musste er Pionierarbeit leisten. „Dort gab es keine Lieferantenstruktur. Wir sind dort der erste ausländische Automobilhersteller in der Region“, berichtete er 2014 im Gespräch mit dpa.

Vor fast genau zwei Jahren übernahm Vollmer den Posten als Produktionsvorstand bei Seat und damit die Verantwortung über zwei Fahrzeugwerke in Barcelona und Martorell, wo auch der Audi A1 vom Band läuft, sowie das Komponentenwerk El Prat de Llobregat. Damals wurde er Nachfolger von Seat-Produktionsvorstand Andreas Tostmann, der das Produktionsressort der Marke Volkswagen übernahm. Nun wiederholt sich diese Konstellation: Tostmann wird Chef des Lkw-Bauers MAN und Vollmer folgt ihm als VW-Produktionsvorstand.

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