Bangen vor der Umstellung

Mehr als die Hälfte der Neuwagen hierzulande wird finanziert oder geleast. Ein Großteil davon läuft über hersteller­eigene Banken, sogenannte Cap­tives (37 Prozent). Doch auch die als Non-Captives bekannten ­unabhängigen Banken sind mit 17 Prozent gut im Geschäft. Diese Gewichte, die das Marktforschungsinstitut Puls 2021 ermittelt hat, könnten sich jedoch schon bald verschieben.

Grund ist der Trend zum Agenturvertrieb. "Im echten Agentursystem werden die Hersteller den Agenten Partnerbanken für Leasing und Finanzierung verbindlich vorschreiben", sagt Vertriebsrechtsexperte Christian Genzow. Das ist im bisher üblichen Vertragshändlersystem verboten. In der Agentur ist es laut Genzow jedoch noch nicht final geklärt, ob es zulässig ist. Die Folgen wären gravierend: "Im Worst Case sind Non-Captives bei Herstellern mit echtem Agenturmodell künftig außen vor", sagt ZDK-Geschäftsführerin Antje Woltermann.

Einzige Chance: Kunden leihen sich das Geld vor dem Kauf beim Non-Captive und treten dann als Barzahler auf. Doch das ist umständlich im Vergleich zum Kredit im Autohaus direkt nach der ­Probefahrt. Auch der Trend zum Online­vertrieb dürfte daran ­wenig ändern. Davon ist Andreas Staudinger, Experte für Automo­tive Banking bei der Unternehmensberatung Accenture, überzeugt: Es sei zwar online leicht, Konditionen zu vergleichen. Praktisch sei die Finanzierung über Non-Captives aber aufgrund der Umwege komplizierter, als sich einfach durch die Online-Kauf­strecke des Herstellers zu klicken und dort zu finanzieren. "Ich sehe daher die Hersteller und ihre ­Captives eindeutig im Vorteil."

Und das Neuwagengeschäft könnte nur der Anfang sein. "Es gibt die Tendenz, dass Hersteller immer mehr Bereiche unter ihre Kontrolle bringen. Das betrifft auch den Handel mit Gebrauchtwagen", sagt Woltermann. Langfristig bestehe ein Risiko, dass die Hersteller versuchen, Non-Cap­tives auch hier aus dem Geschäft zu drängen. Weiten die OEMs die echte Agentur auch auf Gebrauchte aus, wäre es für Händler vorbei mit der Freiheit, Non-Captive-Finanzierungen anzubieten.

Und noch ein Umsatzbringer fällt den Banken im Agenturvertrieb weg: Wenn nicht mehr die Händler, sondern die OEMs Eigentümer der Autos im Schauraum sind, brauchen Erstere keine Einkaufsfinanzierung mehr. Staudinger: "Das trifft sowohl Captives als auch Non-Captives. Die Banken überlegen im Moment intensiv, wie sie den Wegfall der Händlerfinanzierung kompensieren können."

Aus dem Datencenter:

Die 100 größten Autohandelsgruppen in Deutschland 2021