So gefährdet ist Italiens Autoindustrie

Der frühere Ferrari-Chef Luca Cordero di Montezemolo schlägt Alarm: "Ich bin in Sorge, weil unser Land keine Autoindustrie mehr hat. Dies wird sowohl für die Zulieferer als auch für die Arbeitnehmer schwerwiegende Probleme mit sich bringen. Wir sind Zeugen einer italienischen Deindustrialisierung, die sich schweigend vollzieht."

Die Pkw-Produktion im Land ist von zwei Millionen Einheiten 1989 auf nur noch 473.000 Einheiten im vergangenen Jahr zurückgegangen. In diesem Jahr dürften es zwar etwa 20 Prozent mehr werden, doch das ändert nichts an der grundsätzlichen Tendenz.

Es gibt keinen großen nationalen Hersteller mehr. Der französisch dominierte Autokonzern Stellantis, zu dem die Marken Fiat, Alfa Romeo, Maserati und Lancia gehören, will 15.000 der noch etwa 45.000 Stellen in Italien sozialverträglich abbauen.

Zum Zeitpunkt der Fusion der damaligen Fiat Chrysler (FCA) 2021 mit PSA Peugeot Citroen Opel zählte Stellantis in Italien laut Michele De Palma, Chef der Metallarbeitergewerkschaft Fiom, noch 55.000 Beschäftigte.

Stellantis-CEO Carlos Tavares will die Fabrik in Turin-Grugliasco, die unter dem früheren Fiat-Chrysler-CEO Sergio Marchionne zum Schwerpunkt der Fertigung von Luxus-Autos werden sollte, verkaufen. Neue Modelle wie der Elektro-Fiat 600 oder der neue Fiat Topolino sind im Juli zwar in Turin vorgestellt worden. Sie sind jedoch auf französischen Plattformen entwickelt worden und werden in Polen beziehungsweise in Marokko gefertigt.

Stellantis will die im Bereich Automatisierung tätige Tochter Comau verkaufen. Beobachter fürchten hier eine ähnliche Entwicklung wie bei Magneti Marelli, das die damalige FCA 2018 für 6,2 Milliarden Euro an die japanische Calsonic Kinsei abgegeben hat, die inzwischen vom US-Investor KKR kontrolliert wird.

Für Schlagzeilen sorgt derzeit der geplante Verkauf beziehungsweise die Schließung eines Werks in Crevalcore bei Bologna.

Ein Schock wäre es für Italien, sollten sich Berichte der Zeitung "Corriere della Sera" bewahrheiten: Demnach wird die neue Generation des Fiat Panda, die im Juli 2024 vorgestellt werden soll, nicht mehr in Italien, sondern in Marokko und Serbien vom Band laufen. Der Panda wird derzeit in Pomigliano bei Neapel gebaut und soll dort bis zum Auslaufen der aktuellen Generation 2026 gefertigt werden.

Italiens Industrieminister Adolfo Urso wollte schon im Sommer eine Vereinbarung mit Stellantis-Chef Tavares treffen, die eine Erhöhung der italienischen Pkw-Produktion auf eine Million Einheiten bis 2030 und die Sicherung von Forschungsaktivitäten im Land vorsieht. Doch die Verhandlungen stocken.

Denn Tavares stellt Bedingungen. Die Einführung verschärfter Euro-7-Abgasregeln müsse verschoben werden. In der derzeitigen Form verhinderten sie eine Produktion in Italien zu wettbewerbsfähigen Preisen. Außerdem fordert der Stellantis-Chef neue Kaufanreize für Elektroautos und den Ausbau des italienischen Ladenetzes. In Italien werden prozentual wesentlich weniger Elektroautos verkauft als in anderen Ländern.

Italiens Autoindustrie beschäftigt noch 268.000 Mitarbeiter und hat mit Ferrari, der Audi-Tochter Lamborghini sowie den Zulieferern Pirelli und Brembo starke Unternehmen in der Autoindustrie. Doch der Branchenverband Anfia befürchtet, dass durch die Elektrifizierung weitere 60.000 Jobs verloren gehen.

Premierministerin Giorgia Meloni will der Branche nun weitere sechs Milliarden Euro in Form von Kaufanreizen für den Erwerb schadstoffarmer Fahrzeuge zur Verfügung stellen, die überwiegend aus europäischen Töpfen kommen sollen. Bereits ihr Vorgänger Mario Draghi hatte der Branche für den Zeitraum 2021 bis 2030 fast neun Milliarden Euro versprochen.

Aus dem Datencenter:

Neuzulassungen und Marktanteile alternativer Antriebsarten im 3. Quartal 2023 in Westeuropa