Nach vorläufigen Veröffentlichungen der jeweiligen nationalen Automobilverbände lagen die westeuropäischen Pkw-Neuzulassungen im September 2023 mit zirka 1,06 Millionen Pkw etwa elf Prozent über Vorjahresniveau. Verglichen mit einem mittleren September der Jahre 2015 bis 2019 beträgt das Minus 20 Prozent. Nach neun Monaten steht mit 8,72 Millionen Neuzulassungen ein Plus von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu Buche. Im Vergleich zu den fünf Jahren vor der Pandemie ist es allerdings ein Minus von 20 Prozent.
Warum das vierte Quartal schwächer ausfallen wird
Der September und die ersten neun Monate brachten zweistellige Anstiege der Neuzulassungen. Der Abbau des erhöhten Auftragsbestands hat die Neuzulassungen bisher stark gestützt. Das vierte Quartal wird aber wesentlich schwächer ausfallen und die Prognosen für 2024 zeigen deutlich geringere Zuwächse.
Bei der Analyse der Neuzulassungen zeigt sich, dass das dritte Quartal etwas stärker war als ursprünglich erwartet. Der Auftragsbestand war höher als angenommen, sodass sich fast alle Länder besser entwickelten. Allerdings sind die aktuellen Neuzulassungen noch lange nicht auf dem Niveau der Vorkrisenjahre.
Seit Beginn der Pandemie Anfang 2020 spiegeln die Neuzulassungen die tatsächliche Nachfrage nicht mehr wider. Zuerst wurden sie hauptsächlich durch die eingeschränkten Verkaufsmöglichkeiten beeinflusst. Im Anschluss kam die Halbleiterkrise, die zu Produktionsausfällen führte. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine sind neue Produktionseinschränkungen durch fehlende Komponenten hinzugekommen, die sich zwar deutlich reduziert haben, aber noch nicht vollkommen behoben sind.
Die Gefahr einer Rezession scheint in Europa zwar gebannt, aber in Summe erwarten die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer aktuellen Gemeinschaftsdiagnose lediglich ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent.Das große Problem der Inflation und den damit einhergehenden Reallohnrückgängen bleibt bestehen. Nachdem die Verbraucherpreise im Euroraum vergangenes Jahr um mehr als acht Prozent gestiegen waren, fällt die Prognose von knapp sechs Prozent für dieses Jahr etwas weniger hoch aus. Auch wenn sich die jährliche Inflationsrate in den kommenden Jahren wieder normalisiert, bleibt für viele Menschen dennoch ein sockelmäßiger Wohlstandsverlust. So bleibt diese Komponente zusammen mit den gestiegenen Zinsen und dem Krieg in der Ukraine das größte Risiko für das Kaufverhalten der Verbraucher.
Die aktuelle Situation hat zu einer großen Verunsicherung der Verbraucher geführt. Mit Beginn des Ukraine-Kriegs und den sprunghaft gestiegenen Verbraucherpreisen sank der Verbrauchervertrauensindex der EU auf den niedrigsten Stand seit 2008. Damit reagierten die Verbraucher Anfang 2022 wesentlich stärker als in den vergangenen Krisen. Selbst der Ausbruch der Pandemie brachte keinen so tiefen Ausschlag. Zwar hat sich der Verbrauchervertrauensindex inzwischen wieder erholt, ist aber immer noch auf einem deutlich unterdurchschnittlichen Niveau und gab in den vergangenen beiden Monaten wieder nach.
Zurzeit ist eine deutliche Verbesserung der Lieferfähigkeit zu beobachten, auch wenn es bei der Auslieferung an die Endkunden immer noch punktuelle Probleme gibt. Aktuell geht die Automobilwoche von folgendem Szenario aus: Der Abbau des stark erhöhte Auftragsbestands wird die Neuzulassungen bis Jahresende noch ein wenig stützen, allerdings nicht mehr in dem Maße wie in den ersten neun Monaten. Die negativen Effekte aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds, insbesondere der starken Reallohnrückgänge, werden sich dann bei den Neuzulassungen bemerkbar machen. Dies spiegelt sich bereits in den Auftragseingängen wider: Der Verband der Automobilindustrie (VDA) meldet für die ersten drei Quartale insgesamt einen Rückgang der Auftragseingänge um sieben Prozent (minus fünf Prozent aus dem Ausland, minus 22 Prozent aus dem Inland). Wobei die Auftragseingänge schon seit April 2022 gegenüber den Vorjahresmonaten rückläufig sind. Automobilverbände anderer Länder haben sich qualitativ ähnlich geäußert.
Nachdem sich die ersten drei Quartale mit plus 17 Prozent noch sehr dynamisch entwickelt haben, wird das vierte Quartal leicht im Minus liegen. Dies spiegelt die erwartete rückläufige Nachfrageentwicklung wider und liegt an einem Sockeleffekt: Das vierte Quartal 2022 war aufgrund einer Reihe von staatlichen Maßnahmen außergewöhnlich gut. Es lag – bei einem Rückgang des Gesamtjahres um vier Prozent – 17 Prozent über dem vierten Quartal 2021. Hier wird es aber deutliche Unterschiede auf Länderebene geben.
Unter diesen Voraussetzungen erwartet die Automobilwoche für das laufende Jahr zirka 11,43 Millionen Neuzulassungen, ein Plus von zwölf Prozent gegenüber vergangenem Jahr. Dies wären dann aber immer noch 20 Prozent weniger als im Mittel der fünf vorpandemischen Jahre.
Das kommende Jahr wird zwar aufgrund eines aufgestauten Nachholbedarfs aus den niedrigen Neuzulassungen der vergangenen Jahre noch ein gewisses Plus bringen, aber die Dynamik dürfte deutlich nachlassen. Die Automobilwoche geht für 2024 in Westeuropa von einem Plus von gut sechs Prozent auf 12,13 Millionen Neuzulassungen aus. Das wären 15 Prozent weniger als im Mittel der Jahre 2015 bis 2019.
Das erwartete Wirtschaftswachstum für den Euroraum liegt bei gut einem Prozent und die Verbraucherpreise sollen um 2,6 Prozent steigen. Dies hört sich nach dem Anstieg von 8,4 Prozent in 2022 und von 5,6 Prozent in diesem Jahr gering an, der Sockeleffekt bleibt aber bestehen. Zusammen mit den politischen Unsicherheiten sind somit von der Nachfrageseite kaum positive Impulse zu erwarten. Auch die Angebotsseite wird im kommenden Jahr wenig zu bieten haben. Die Hersteller dünnen ihr Angebot in niedrigpreisigen Segmenten weiter aus und preiswerte E-Mobile sind zwar angekündigt, aber werden kommendes Jahr kaum in großer Anzahl auf den Markt kommen.
In Großbritannien lagen die Neuzulassungen im September 21 Prozent über Vorjahr und 36 Prozent unterhalb des mittleren Septemberwertes der Jahre 2015 bis 2019. Die ersten neun Monate schlossen mit plus 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr ab, liegen aber 28 Prozent unterhalb des Vorkrisenniveaus.
Für das vierte Quartal wird ein leichter Rückgang von knapp zwei Prozent erwartet, sodass das Gesamtjahr auf ein Plus von 15 Prozent und 1,85 Millionen Neuzulassungen kommt. Kommendes Jahr sollte es eine gut achtprozentige Steigerung auf zwei Millionen Neuzulassungen geben. Damit würde der Pkw-Markt immer noch 21 Prozent niedriger sein als im Mittel der Jahre 2015 bis 2019.
Die Inflation wird nach 7,5 Prozent in diesem Jahr auf vier Prozent zurückgehen. Das Wirtschaftswachstum wird nach plus 0,4 Prozent in diesem Jahr nur leicht auf knapp ein Prozent zunehmen.
Die Neuzulassungen in Frankreich lagen im September 10,7 Prozent über Vorjahr. Die ersten neun Monate schlossen mit einem Plus von 16 Prozent ab und liegen 18 Prozent unter dem Mittel der Jahre 2015 bis 2019.
Für das laufende Jahr wird ein Anstieg der Neuzulassungen um 14 Prozent auf 1,75 Millionen Pkw erwartet. So bleiben sie 17 Prozent unter dem mittleren Wert der fünf vorpandemischen Jahre. Kommendes Jahr wird mit einem Anstieg um 6,6 Prozent auf 1,865 Millionen Neuzulassungen gerechnet. Die Wirtschaftsentwicklung (BIP: +1,1 Prozent; Inflation: 2,8 Prozent) verhindern auch hier eine stärkere Erholung der Neuzulassungen.
Italiens Neuzulassungen lagen im September gegenüber dem Vorjahr um 22,8 Prozent im Plus. Nach neun Monaten gibt es ein Plus von 21 Prozent. Verglichen mit den Vorjahren (mittlerer Wert der Jahre 2015 bis 2019) sind dies Rückgänge von vier Prozent im September und 19 Prozent für die ersten neun Monate.
Das Jahr 2023 wird eine Erholung auf 1,535 Millionen Neuzulassungen bringen, ein Plus von 17 Prozent, wobei das vierte Quartal nur noch fünf Prozent über Vorjahr liegen wird. Das Bruttoinlandsprodukt wird um 0,6 Prozent steigen; für die Verbraucherpreise wird ein Anstieg von über sechs Prozent erwartet, nach plus 8,7 Prozent im vergangenen Jahr. So bleiben dieses Jahr die Neuzulassungen 20 Prozent unter dem vorpandemischen Niveau.
Kommendes Jahr wird ein moderates Wachstum von 7,5 Prozent auf 1,65 Millionen Neuzulassungen erwartet. Die Wirtschaftsleistung wird sich mit plus 0,2 Prozent schwächer entwickeln als dieses Jahr, die Inflation wird mit plus 2,8 Prozent aber deutlich niedriger ausfallen.
Der September brachte in Spanien ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 2,3 Prozent. Die ersten drei Quartale schlossen mit einem Plus von 19 Prozent ab. Verglichen mit den Werten von 2015 bis 2019 ergibt sich für September ein Minus von 14 Prozent und für die ersten neun Monate ein Rückgang von 23 Prozent.
Unter dem beschriebenen Szenario sollten die Neuzulassungen in diesem Jahr auf 925.000 Pkw ansteigen, ein Plus von 14 Prozent. Dies beinhaltet für das vierte Quartal ein ähnliches Neuzulassungsvolumen wie im Vorjahr. Die 925.000 Neuzulassungen wären 25 Prozent weniger als im Mittel der Jahre 2015 bis 2019. Die Wirtschaftsleistung Spaniens wird sich um 2,3 Prozent erhöhen, die Inflation wird nach über acht Prozent im vergangenen Jahr, dieses Jahr auf gut drei Prozent zurückgehen.
Für kommendes Jahr werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen etwas besser gesehen (BIP: plus 1,6 Prozent, Inflation: 2,5 Prozent) als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern. Die Neuzulassungen werden um gut acht Prozent auf eine Million Pkw ansteigen, immer noch 19 Prozent unter dem Vorkrisenniveau.
In Deutschland stagnierten die Neuzulassungen im September aufgrund der vorgezogenen Neuzulassungen im August im Zuge der Änderung beim Umweltbonus. Beide Monate zusammen lagen 17 Prozent im Plus. Die ersten neun Monate zeigten ein Plus von 14 Prozent, aber 18 Prozent weniger als in Vorkrisenzeiten.
Das kommende Quartal wird deutlich im Minus liegen. Der Hauptgrund dafür sind die deutlich überhöhten Neuzulassungen aufgrund von Sondereffekten zum Jahresende 2022. Für das Bruttoinlandsprodukt wird mit einem leichten Minus gerechnet, die Verbraucherpreise sollen um 6,1 Prozent steigen, nach einem Anstieg von 8,6 Prozent im vergangenen Jahr. Unter diesen Rahmenbedingungen erwartet die Automobilwoche 2,83 Millionen Neuzulassungen, ein Plus von 6,7 Prozent gegenüber vergangenem Jahr. Die 2,83 Millionen Neuzulassungen lägen dann aber immer noch 18 Prozent niedriger als im Mittel der fünf vorpandemischen Jahre und – abgesehen von den Jahren 2021 und 2022 – die niedrigsten Neuzulassungen im wiedervereinigten Deutschland.
Für das Jahr 2024 wird mit leicht verbesserten Wirtschaftsdaten gerechnet (BIP: plus 1,3 Prozent, Inflation: 2,6 Prozent). Die Neuzulassungen werden um 2,5 Prozent auf 2,9 Millionen Pkw ansteigen. Das wären immer noch 16 Prozent unter Vorkrisenniveau. Damit hätte Deutschland das geringste Neuzulassungswachstum aller westeuropäischen Länder. Angesichts dieser Aussichten könnten Hersteller zu Marketingaktivitäten greifen, die dann das Neuzulassungsergebnis etwas verbessern würden.
Aus dem Datencenter:
Pkw-Neuzulassungen in Westeuropa im September 2023
Verbrauchervertrauen in der EU bis September 2023
Pkw-Neuzulassungen in Westeuropa nach Ländern im September 2022 und 2023
Neuzulassungsveränderung in Westeuropa nach Ländern im Juni 2023
Prognose der Neuzulassungsveränderung in Westeuropa nach Ländern 2023 zum September
Pkw-Neuzulassungen Westeuropa – September 2023 und Prognose 2023
Pkw-Neuzulassungen in Westeuropa im September der Jahre 2000 bis 2023