Lieferbereit und anpassungsfähig

Die koreanische Hyundai-Gruppe hat vieles richtig gemacht. Rekord-Marktanteile in Europa, weltweit die Nummer drei nach Toyota und VW und zweitgrößter Anbieter von Elektrofahrzeugen im Riesenmarkt USA nach Tesla. Hinzu kommen Designpreise und, ganz wichtig, vergleichsweise kurze Lieferzeiten.

In Europa meldeten die Marken Hyundai und Kia in den vergangenen fünf Jahren die höchsten Marktanteilsgewinne – neben Toyota, Tesla und Dacia. Hyundai verbesserte sich von 3,2 auf 4,8 Prozent, Kia von 3,0 auf 5,0 Prozent.

Galten die Koreaner zu Beginn ihrer internationalen Expansion Ende der 60er-Jahre noch als untermotorisierte Budget-Marke ohne technologischen Anspruch, stehen sie heute in der Spitzengruppe der Hersteller bei den Themen Elektrifizierung, autonomes Fahren und auch im Bereich Batterie- und Brennstoffzellentechnik. Mit der in diesem Jahr auch in Europa gestarteten Nobelmarke Genesis will der Hersteller auch in der Oberklasse zeigen, was er kann.

Eine lange Zeit für Ballast gehaltene Besonderheit der Koreaner stellt sich in Zeiten von Pandemie, Rohstoffknappheiten und Chipkrise als Trumpf heraus: Die Fertigungstiefe der Hyundai Motor Group ist enorm. Auch eigene Stahlwerke gehören dazu. Ein kaum zu unterschätzender Vorteil der Gruppe ist ihre enge Verbindung zu den koreanischen Halbleiter- und Batteriezellenherstellern. Genau diese Komponenten sind extreme Mangelware bei vielen Rivalen, die deshalb immer noch unter Produktionsausfällen und Lieferschwierigkeiten leiden. Viele Autokäufer stimmen in dieser Situation mit den Füßen ab und wechseln eben zu einer Marke, die liefern kann.

Nicht zu unterschätzen ist auch der Aufbau qualitativ hochwertiger Händlernetze bei den Marken Hyundai und Kia in allen großen Automobilmärkten. Tatsächlich ist die Hyundai-Gruppe mittlerweile einer der internationalsten Autohersteller der Welt. Dabei hat sich die Strategie gewandelt: Strebten die Koreaner zunächst jahrelang danach, keinen Quadratmeter Fläche in einem Markt unbedient zu lassen, verfolgen sie seit einigen Jahren mit Erfolg die Linie „fewer, bigger, better“.

Eine Automarke lebt von zufriedenen Kunden – auch da haben Hyundai und Kia einen zwar beschwerlichen, aber letztlich erfolgreichen Weg hinter sich. Während andere Marken immer noch zurückhaltend sind bei weitgehenden Garantieversprechen und damit kundtun, dass sie den eigenen Ansprüchen nicht immer glauben, gewährt Kia seit vielen Jahren auf zahlreichen Märkten eine Sieben-Jahre-Herstellergarantie mit einer Laufleistung von 150.000 Kilometern. Dieses Versprechen ist bis heute bei vielen Kunden ein starkes Kaufargument – auch wenn einige Komponenten wie Starterbatterie, Lack und Navigationssystem nicht darunterfallen.

Als Vorteil stellt sich in einer von Unvorhersehbarkeiten geprägten Wirtschaftswelt auch die koreanische Mentalität heraus. Schnell dazulernen, die regionalen Besonderheiten aufsaugen und nicht starr an etablierten Prozessen festhalten. Vor allem in den USA lernten Hyundai und Kia, weniger koreanisch aufzutreten, und haben damit Erfolg.

Eine längere Wegstrecke haben Hyundais Group Chairman Euisun Chung, Hyundai-Marken-CEO Jae Hoon Chang und Kia-CEO Ho-Sung Song gewiss noch beim Thema Führungskultur vor sich. Jahrzehntelang waren sämtliche Vorstandsämter bei Hyundai und Kia Koreanern vorbehalten. Doch das hat sich Ende November geändert: Gruppen-Designchef Luc Donckerwolke (Chief Creative Officer) wurde zu einem der Präsidenten der Gruppe befördert – ein Symbol für die Öffnung der koreanischen Führungszirkel.

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