Herr Zink, in welchem Zustand befindet sich die europäische Autozulieferindustrie?
Ich habe das Amt des CLEPA-Präsidenten angenommen, weil die europäische Automobilindustrie vor großen Herausforderungen, aber auch vielfältigen Chancen steht. Dabei spielt die Verbandsarbeit eine wichtige Rolle.
Welche Herausforderungen sind das?
Dazu gehört der globale Wettbewerb der europäischen Automobilindustrie, der Wandel in Richtung E-Mobilität, die Dekarbonisierung der gesamten Industrie, nicht nur der Autohersteller und -zulieferer, Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft. On top kommen in Europa noch die Themen hohe Energie- und Lohnkosten im globalen Wettbewerb. Wir haben einiges vor uns.
Sie haben erklärt, dass Sie die grüne und digitale Transformation in Europa voranbringen wollen. An welcher Stelle sehen Sie dabei die Industrie und wo die Politik in der Pflicht?
Die Politik ist in der Pflicht, konstante Rahmenbedingungen zu schaffen für einen Wettbewerb um die technologisch beste Lösung. Die Industrie sehe ich in der Verpflichtung, Innovationen zu liefern und wettbewerbsfähige Lösungen zu entwickeln, damit Europa im weltweiten Wettbewerb bestehen kann.
Die Margen vieler Zulieferer sind im Keller. Wie sollen die Unternehmen diese Transformation schaffen?
Die Profitabilität bei den Unternehmen ist sicherlich angespannt. Ich glaube aber, dass wir in den vergangenen drei Jahren eine Sondersituation hatten, geprägt durch geopolitische Themen, Stahl- und Energiepreise oder Energieverknappung und überlagert vom Transformationsprozess in der Mobilität, der Vorleistungen und Investitionen erfordert. Wir sind jetzt wieder ein Stück weit auf dem Weg zur Normalität. Ich bin optimistisch, dass sich mit neuen innovativen Technologien für die E-Mobilität und Hybride, aber auch mit Ladetechnologie und Nachhaltigkeit, Geld verdienen lässt. Wir dürfen aber nicht außer Acht lassen, dass es in Regionen wie den USA oder China andere Rahmenbedingungen gibt.
Und wie sollte Europa reagieren?
Europa muss eine Antwort auf die dortigen Förderprogramme geben. Und zwar sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in der zeitlichen Ausdehnung, um ein entsprechendes Gegengewicht zu schaffen. China war für Europa beispielsweise schon immer ein Wettbewerber, unter anderem speziell bei den Faktorkosten. Mittlerweile stehen wir mit China aber auch in einem extrem hohen technischen Wettbewerb. Dem müssen wir uns stellen, und dafür benötigen wir stabile Rahmenbedingungen.
Wo sehen Sie insbesondere die Stärken Chinas?
Bei E-Autos und Software-definierten Fahrzeugen ist China derzeit sehr stark unterwegs. Die Agilität der New-Mobility-Kunden in China, aber auch in Amerika, ist faszinierend. In Europa neigen wir zum Perfektionismus, in anderen Regionen geht es viel pragmatischer zu. Europa hat mit dem Green Deal schon vor Jahren eine sehr starke Vision für eine nachhaltige Mobilität entwickelt, die wir voll unterstützen. Für die Erreichung der Ziele braucht es politische Rahmenbedingungen, die Agilität und Innovation ermöglichen. CLEPA steht bereit, diesen ganzheitlichen Ansatz weiterzuentwickeln, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas und eine nachhaltige Mobilität zu fördern.
Befindet sich die deutsche Autozulieferindustrie im europäischen Vergleich in einer Sondersituation?
Die Bedingungen sind in den meisten Ländern vergleichbar. In der Summe haben wir ausgewogene Verhältnisse. Innerhalb des Verbands diskutieren wir viel eher darüber, wie gut sich E‑Mobilität in den einzelnen Ländern umsetzen lässt. Sind beispielsweise Ladestationen vorhanden, steht grüne Energie zur Verfügung oder ist Netzstabilität gegeben?
Braucht die CLEPA dafür nicht auch Mitglieder aus anderen Bereichen?
Natürlich machen wir uns Gedanken, in welche Richtung sich die Mobilität entwickelt. Welche Themen in fünf oder zehn Jahren aktuell sind. Dabei ist die technologische Transformation beim Antriebsstrang ein zentrales Thema. Im Verband gibt es auch Diskussionen, wer unsere künftigen Mitglieder sind, wenn wir beispielsweise über das Thema Digitalisierung sprechen. Aber auch der Verbrenner wird weiterhin eine Rolle spielen, und zwar in einem technologieoffenen Mix, zusammen mit der Elektrifizierung und mit Wasserstoff in verschiedenen Ausprägungen. Unternehmen, die diese Technologien weitertreiben, sind als CLEPA-Mitglieder ebenfalls interessant. Zu den strategischen Themen gehören auch die Mobilitätsinfrastruktur, elektronische Komponenten und die dazugehörige Software. Wir organisieren den Dialog mit Stakeholdern aus dem gesamten Ökosystem.
Stellen die Fahrzeughersteller den Autozulieferern in ausreichendem Maß ihre Daten zur Verfügung?
Es ist wichtig, dass wir fairen Datenzugang erhalten. In unserem Zuliefererverband und im europäischen Fahrzeugherstellerverband ACEA, aber auch mit Blick auf die Politik, diskutieren wir die verschiedenen Sichtweisen intensiv. Es geht aber nicht nur um das klassische Ersatzteilgeschäft, sondern auch um Servicemodelle, neue Formen von Mobilität oder technische Lösungen.
Was gibt Ihnen bei allen Herausforderungen Anlass zum Optimismus für die Zulieferindustrie?
Wir können wieder mehr über Technologieoffenheit sprechen, auch mit der Politik. Das ist kein Plädoyer gegen die E-Mobilität. Ganz im Gegenteil. Es ist ein Plädoyer für eine möglichst rasche Umsetzung der Vorgaben des Green Deals. Wir müssen technologieoffen diskutieren, auch in puncto Flottenfahrzeuge. Positiv ist zudem, dass technische Lösungen im Bereich Elektromobilität nach wie vor Innovationspotenzial bieten, auch für die europäische respektive deutsche Industrie. Wie schon beim Verbrenner wird auch beim E-Antrieb beispielsweise um jeden Millimeter Bauraum gerungen.
Hat die Bereitschaft der OEMs zugenommen, sich an den Kostensteigerungen zu beteiligen?
Ja. Der Kompensationsbetrag ist aber nach wie vor Bestandteil intensiver Verhandlungen.
Kann die CLEPA dabei den Zulieferern helfen?
Wir haben sehr stringente Compliance-Regeln. Wir haben Empfehlungen gegeben, aber jeder Zulieferer ist seines Glückes Schmied, wie erfolgreich er mit den Fahrzeugherstellern verhandelt. Da mischen wir uns nicht ein.
Dazu aus dem Datencenter: