Wo sich europäischen Zulieferern noch Potenziale bieten

In einigen Bereichen ist für Autozulieferer der Zug zur E-Mobilität schon abgefahren. Den Markt für Batteriezellen dominieren vor allem asiatische Anbieter. Milliardeninvestitionen in Zellfabriken sind für die meisten europäischen Unternehmen nicht zu stemmen. Chancen bieten sich jedoch bei Produkten rund um den Akku. Beispielsweise bei der Montage von Modulen und Batteriepacks oder bei Akkugehäusen.

So hat sich der finnische Auftragsfertiger Valmet Automotive mittlerweile als Hersteller von Batteriesystemen etabliert. In einem Zeitraum von weniger als drei Jahren produzierte das Unternehmen eine Million Akkusysteme und lieferte sie an Kunden in der Automobilindustrie. Zu den wichtigsten Abnehmern gehören Mercedes und Volvo. Das Herzstück der Batterieproduktion ist das Werk im finnischen Salo. Am Stammsitz des Unternehmens in Uusikaupunki, dort sind Batterie- und Fahrzeugproduktion in einem Werk untergebracht, fertigt der Zulieferer seit 2021 ebenfalls Batteriesysteme. Hinzu kommt das Akkuwerk im baden-württembergischen Kirchardt, dass sich derzeit noch im Anlauf befindet. Das Portfolio des Zulieferers reicht von 48-Volt- bis hin zu Hochvoltbatterien. Zudem decken die Finnen nahezu die gesamte Wertschöpfungskette für Batteriesysteme ab: von Konzepten für Akkus über Entwicklung, Prototyping, Testing/Validierung bis hin zur Serienfertigung von Batteriemodulen und kompletten Packs.

Erklärtes Ziel von Jyrki Nurmi, Senior Vice President EV Systems Valmet Automotive, ist es, das Batteriegeschäft weiter auszubauen. Zudem beschäftigt sich Valmet, an dem der chinesische Batteriehersteller CATL rund 23 Prozent der Anteile hält, mit Recyclingkonzepten. Im Sommer 2021 vereinbarte das Unternehmen daher eine Zusammenarbeit mit dem Energieversorger Fortum. Gegenstand der Kooperation: alle sogenannten nicht konformen Batteriematerialien aus den Werken an den finnischen Standorten Salo und Uusikaupunki zu recyceln. Mit einem CO2-armen Verfahren könne Fortum bis zu 95 Prozent der kritischen Metalle in der schwarzen Masse von Lithium-Ionen- Batterien recyceln. Dadurch werde die Rückgewinnung von Lithium, Kobalt, Mangan und Nickel für die Wiederverwendung möglich.

Auch der Zulieferer Webasto verlässt sich nicht mehr allein auf sein traditionelles Geschäft mit Verdecksystemen und Standheizungen. 2022 ist der Zulieferer seinem Ziel, die E-Mobilität zum zweiten starken Standbein neben den Dachsystemen aufzubauen, einen großen Schritt nähergekommen. Vor allem der Markt für Antriebsbatterien von E-Autos entwickelte sich positiv. So erhielt das Unternehmen aus dem bayerischen Stockdorf 2022 einen Folgeauftrag vom koreanischen Autohersteller Hyundai-Kia. Auch drei europäische Fahrzeughersteller haben den Zulieferer für die Fertigung von Batterien für E-Fahrzeuge ausgewählt. Insgesamt erreichen diese vier Projekte über ihre jeweiligen Laufzeiten ein Volumen von etwa 1,9 Milliarden Euro. Produziert werden diese Aufträge in Schierling, Dangjin (Südkorea) und in einem weiteren Werk, das Webasto in der Slowakei in Betrieb nehmen wird.

Der Dichtungshersteller Elring-Klinger stellt bereits seit mehr als zehn Jahren Komponenten für Lithium-Ionen-Batterien her. Zudem bietet das Unternehmen Batteriemodule und -systeme. Dabei fließen auch Produkte des Zulieferers wie Zellgehäuse, Modulverbinder und Druckausgleichselemente mit ein. Die Standardmodule von ElringKlinger lassen sich zu Gesamtsystemen mit einer Spannungslage von bis zu 800 Volt zusammenschalten. Vor rund einem Jahr hatte der Zulieferer zudem einen Auftrag von Piëch Engineering erhalten. Für den schweizerisch-deutschen Hersteller entwickelt und liefert das Unternehmen Prototypen eines Batteriesystems für einen vollelektrischen Sportwagen. Das Akkusystem beinhaltet neben den Batteriemodulen auch das Batteriemanagementsystem.

Der Darmstädter Batteriehersteller Akasol gehört seit rund eineinhalb Jahren zum US-Antriebsspezialisten BorgWarner. Rund 700 Millionen Euro hatte der Konzern für das im Jahr 2008 von drei Studenten der TU Darmstadt gegründete Start-up gezahlt. Das Management von Akasol hätte durchaus den Einstieg eines deutschen Investors begrüßt, aber die deutschen Konzerne hätten lieber nach Übersee oder China geschaut, wie es nach der Übernahme bedauernd hieß.

Für BorgWarner ist Akasol von strategischer Bedeutung, um sich als einer der führenden Anbieter im Bereich elektrische Antriebssysteme zu etablieren. Zwar ist Akasol vor allem auf den Bereich Batteriesysteme für Nutzfahrzeuge fokussiert. Dennoch erhält der Zulieferer durch die guten Kundenkontakte der Amerikaner auch die attraktive Option, seine Akkusysteme im Pkw-Bereich anbieten zu können.

Die auf Abgastechnik spezialisierte Boysen-Gruppe hat Batteriegehäuse als zukunftsträchtiges Geschäftsfeld für sich entdeckt. Im Herbst erhielt der Zulieferer einen Großauftrag für solche Gehäuse mit einem jährlichen Auftragsvolumen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags. Der Kunde soll ein Premiumhersteller sein. Verbunden mit dem Auftrag ist der Bau eines neuen Werks in Ungarn, das Mitte 2025 in Betrieb gehen soll. Boysen will dort rund 130 Millionen Euro investieren und bis zu 400 Arbeitsplätze schaffen. Mit über 50.000 Quadratmetern Fläche wird es der mit Abstand größte Standort des Zulieferers.

Auch wenn Bosch sich gegen eine eigene Zellfertigung entschieden hat, bleibt das Unternehmen der Thematik verbunden. Vor rund einem Jahr hatten der Zulieferer und der VW-Konzern eine Absichtserklärung unterzeichnet, um die Gründung eines europäischen Anbieters für die Ausrüstung von Batteriezellfabriken zu prüfen. Die beiden Konzerne planen, integrierte Batterieproduktionssysteme zu liefern sowie Batteriezellen- und Systemhersteller bei Hochlauf und Wartung vor Ort zu unterstützen.

Die Partner haben dafür eigens ein Projekthaus gegründet, um Lösungen zur industriellen Batterieproduktion in Europa auszuloten. Laut Bosch ist die Nachfrage dafür groß. Allein in Europa planen verschiedene Unternehmen bis 2030 Batteriezellfabriken mit einer jährlichen Gesamtkapazität von rund 700 Gigawattstunden.

Dazu aus dem Datencenter:

Kapazitäten der Batteriezellproduktion in Europa