Es dauert zwar etwas länger als geplant, weil die französischen Gewerkschaften noch zustimmen müssen. Doch bis zur Sommerpause dürfte der von Porsche eingefädelte Bugatti-Deal über die Bühne sein. Als wahrscheinlich gilt, dass Porsche zunächst Bugatti übernimmt und dann in ein Joint Venture einbringt, bei dem der Sportwagenbauer aus Stuttgart 45 Prozent behält, die Mehrheit aber an Rimac abgibt. Der Anteil von Porsche an Rimac in Höhe von 24 Prozent bleibt davon unberührt. Was sich etwas kompliziert anhört, könnte sich als Coup erweisen, der allen drei Marken einen Schub für die Zukunft ermöglicht – bis hin zum Börsengang von Rimac.
Bugatti-Deal mit Porsche und Rimac:
Bis zum Börsengang ist alles möglich
Für Porsche-Chef Oliver Blume ist es eine klare Sache: "Porsche, Bugatti und Rimac passen gut zusammen. Als verantwortlicher Leiter der Markengruppe habe ich mich intensiv mit Bugatti beschäftigt – und Rimac in meine Überlegungen mit einbezogen. Die Kroaten sind auf der Elektro- und Batterieseite sehr agil, gut in prototypischen Lösungen, bei Kleinserien und in der Fähigkeit, Themen anders zu denken. Es geht jetzt darum, die starke Expertise von Bugatti im Hypercar-Geschäft mit der überragenden Innovationskraft von Rimac auf dem zukunftsträchtigen Gebiet der Elektromobilität zu bündeln. Bugatti kann so seinen technologischen Wandel beschleunigen und die Zukunft der stolzen Traditionsmarke dauerhaft absichern."
Im Vorfeld des Joint Ventures spielte der Konzernvorstand zunächst offenbar drei Optionen durch: schließen, verkaufen oder am ausgestreckten Arm verhungern lassen, um das gesparte Geld in Digitalisierung und E-Mobilität zu investieren. Hinter den Kulissen wurde sogar eine Übergabe von Bugatti an Audi diskutiert – ohne Ergebnis. Jetzt greift statt dessen Option Nummer vier, das Joint Venture. Derzeit suchen beide Partner noch nach einem geeigneten Namen für die gemeinsame Hypercar-Company.
Bugatti besitzt vier wesentliche Assets: die Marke mit ihrer großen Historie und einem unvergleichlichen Produkt, das weltweite Vertriebsnetz, loyale und zahlungskräftige Kunden sowie das Manufaktur-Atelier in Molsheim, wo die Einigung mit der Gewerkschaft wohl nur noch Formsache ist. Im Schulterschluss mit Rimac soll ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell entstehen, das auch ohne Geldspritze aus Wolfsburg schwarze Zahlen schreibt. Bis 2023/24 gilt dabei eine Übergangsphase. Die bereits entwickelten Fahrzeuge von Bugatti sollen in Molsheim gefertigt und abverkauft werden, das Geld in den Aufbau des Joint Ventures fließen.
Doch hinter den Kulissen werden bereits die Konzepte für die nächste Generation der Hypercars aus der französischen Edel-Manufaktur diskutiert. Der eben vorgestellte 1600 PS starke Chiron Super Sport treibt das Auto zwar auf beeindruckende 440 km/h, verbraucht aber auch mehr als 22 Liter auf 100 Kilometer. Das lässt sich mit der Strategie des Konzerns in Richtung emissionsfreier Mobilität und den veränderten Kundenerwartungen mit Blick auf den Klimaschutz kaum in Einklang bringen.
Die nächste Generation der Hypercars aus Molsheim wird daher mit dem Know-how von Rimac elektrifiziert. Ob dies ein rein elektrischer Supersportwagen im Stil des Rimac Nevera wird oder ein Plug-in-Hybrid als Übergangslösung, steht dabei noch nicht fest. Klar ist jedenfalls, dass kaum ein anderer Autobauer im Moment die technologische Kompetenz hat, um ein solches Hypercar auf die Beine zu stellen. Als Referenz dient dabei der eben offiziell vorgestellte Rimac Nevara: Vier Elektromotoren katapultieren den Boliden in 1,85 Sekunden auf 100 km/h. Erst bei 412 km/h ist Schluss. Die Gesamtleistung gibt Rimac mit 1914 PS und 2360 Newtonmetern maximalem Drehmoment an.
Für Porsche ist der Bugatti-Deal mit Rimac eine ideales Beispiel für eine Win-win-Situation. Der Sportwagenbauer, den Mate Rimac im Interview mit der Automobilwoche liebevoll als "großen Bruder" bezeichnet hat, verschafft sich über Rimac Zugang zu Schlüsseltechnologien für die Zukunft. So soll Porsche einen Panamera Plug-in-Hybrid nach Kroatien gefahren haben, um das Know-how der Firma zu testen. Mate Rimac gab das Auto nach einigen Wochen zurück. Bei gleichem Platzverbrauch für die Batterie schaffte der Panamera mit einer Ladung nun die doppelte Reichweite.
Ebenso interessant für Porsche dürfte aber die Entwicklung eines neuen Supersportwagens sein, den es traditionell etwa alle zehn Jahre gibt. Der Porsche 918 Spyder feierte sein Debüt im Jahr 2015. Mitte des Jahrzehnts könnte es also wieder so weit sein. Auch hier stehen ein Hybrid sowie eine voll elektrifizierte Variante im Raum. Entsprechende Überlegungen hatte Porsche-Chef Oliver Blume in Gesprächen mit der Automobilwoche bereits bestätigt. Es müsse sich um einen Leuchtturm handeln, für den sich Rimac als Partner für verschiedene Technologien anbiete. Die Zellen dafür könnten aus der Kooperation stammen, die Porsche mit der Tübinger Firma Customcells plant. Gut möglich, dass es sogar eine neue Plattform für alle drei Marken gibt, die weitere Modelle ermöglicht.
Zu guter Letzt könnte Porsche auch von der Wertsteigerung von Rimac profitieren. Im Frühjahr hatte Porsche seine Anteile von 15 auf 24 Prozent erhöht und dafür 70 Millionen Euro an die Kroaten überwiesen. Dies könnte sich als eine hervorragende Investition erweisen, wenn Rimac wie zuletzt spekuliert an die Börse strebt. Der kroatische Elektropionier werde in Investmentkreisen bereits mit fünf Milliarden Euro bewertet, ist zu hören. Dann hätte sich das Engagement von Porsche auch finanziell gelohnt, was in Stuttgart kein unwesentliches Argument ist. Die gute Aufstellung im Elektrobereich könnte auch beim eigenen Börsengang, den Porsche noch nicht abgeschrieben hat, als vorteilhaft erweisen.
Für Mate Rimac ist dies aber nur ein Weg unter vielen. "Wir prüfen verschiedene Optionen, darunter auch einen Börsengang", sagte der charismatische Unternehmer auf Nachfrage der Automobilwoche.Dies habe aber keine Eile, man plane wie immer langfristig und wolle nicht auf der schnellen Welle reiten. "Am Ende werden wir tun, was das beste für das Unternehmen ist", so Rimac. Klar ist aber auch, dass bei einem Börsengang ganz andere Wachstumsperspektiven für den europäischen Star unter den Elektro-Start-ups möglich wären.
Dabei ist die Geschichte auch so schon beeindruckend genug. Innerhalb von wenigen Jahren hat sich der 33-Jährige den Respekt der versammelten Autobranche verschafft. 2013 stellte er auf dem Genfer Automobilsalon den Concept One vor – einen elektrischen Supersportwagen mit über 1000 PS. Zu diesem Zeitpunkt versuchte Mercedes gerade, eine elektrische B-Klasse auf die Beine zu stellen und musste sich dafür den gesamten Antriebsstrang von Tesla liefern lassen.
Doch Mate Rimac weiß auch, dass er mit Supersportwagen auf Dauer nicht das große Geld verdienen kann, selbst wenn sie wie der aktuelle Nevera rund zwei Millionen Euro kosten. Denn die Stückzahlen pro Jahr sind auf wenige Hundert begrenzt. Stattdessen sieht sich Rimac als Partner der etablierten Hersteller, der sich mit seinem Know-how zu einem Tier-1-Zulieferer mausern soll, wenn es um Komponenten für die Elektromobilität geht.
Im Interview mit der Automobilwoche deutete er daher an, dass auch eine Teilung seines Unternehmens denkbar ist. Auf der einen Seite könnten dann die Hypercars mit Bugatti stehen, für die Rimac ein begrenztes Potenzial sieht, die aber als Referenz für die Autoindustrie eine wichtige Funktion erfüllen. Auf der andere Seite wäre das Zuliefergeschäft, das langfristig ein deutlich größeres Umsatzvolumen verspricht.
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Aus dem Datencenter:
Entwicklung der reinen Elektroautos Januar 2019 bis Mai 2021